Revision zugelassen
Entscheidungsstichwort (Thema)
Unzulässigkeit der Abmahnung wegen Verletzung betriebsverfassungsrechtlicher Pflichten
Leitsatz (amtlich)
Die Verletzung betriebsverfassungsrechtlicher Pflichten berechtigt den Arbeitgeber nicht zu einer individualrechtlichen Abmahnung. Der Freistellungsanspruch eines Betriebsratsmitgliedes aus § 37 Abs. 2 BetrVG ist allein kollektivrechtlicher Natur. Die Pflicht zur Abmeldungen beruht ebenfalls unmittelbar auf dieser Vorschrift in Verbindung mit dem Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit des § 2 BetrVG. Die Verletzung der Abmeldepflicht kann daher nicht eine individualrechtliche Abmahnung rechtfertigen.
Normenkette
BetrVG § 37 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Urteil vom 25.04.1991; Aktenzeichen 2 Ca 391/90) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 25. April 1991 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Berlin – 2 Ca 391/90 – wird auf ihre Kosten zurückgeweisen.
Tatbestand
Der Kläger ist bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgänger, dem jetzigen Geschäftsführer der Beklagten, seit etwa 17 Jahren als Elektronikfachverkäufer beschäftigt. Seinevergütung beträgt monatlich etwa DM 3.600,– brutto. Er ist Mitglied des Betriebsrates der Beklagten, der aus einer Wahl im Oktober 1990 hervorgegangen ist. Die Beklagte hatte die Betriebsratswahl angefochten, das entsprechende arbeitsgerichtliche Verfahren ist zwischenzeitlich durch Antragsrücknahme beendet worden. Aus Anlaß des Wahlanfechtungsverfahrens suchte der Kläger am 24.10.1990 und am 31.10.1990 für den erkrankten Betriebsratsvorsitzenden die DAG auf, die den Betriebsrat als Verfahrensbevollmächtigte in dem Wahlanfechtungsverfahren vertrat. Eine persönliche Abmeldung des Klägers bei dem Geschäftsführer der Beklagten erfolgte nicht. Vielmehr teilt er den im Kassenbereich des Verkaufsbetriebes tätigen Büroangestellten mit, daß er zur Gewerkschaft ginge.
Mit Schreiben vom 12.11.1990 Ihres Jetzigen Prozeßbevollmächtigten lieft die Beklagte den Kläger abmahnen, da er sich nicht ordnungsgemäß abgemeldet habe. In dem Schreiben vom 12.11.1990 wurde darauf hingewiesen, daß im Wiederholungsfalle Konsequenzen arbeitsrechtlicher Art gezogen werden worden. Auf den Inhalt des Abmahnungsschreibens (Bl. 4, 5 d.A.) wird Bezug genommen. Das Schreiben ist zur Personalakte des Klägers genommen worden.
Mit seiner Klage hat der Kläger die Entfernung dieses Schreibens aus seiner Personalakte begehrt.
Der Kläger hat behauptet: Der Geschäftsführer der Beklagten habe von ihm an beiden Tagen unter den ihm bekannten Telefonnummern nicht erreicht werden können. Er habe sich deshalb bei den im Kassenbereich tätigen Büroangestellten kurz vor Beginn seiner Mittagspause abgemeldet. Diese Beschäftigten würden für die Beklagte auch Urlaubsanträge und Antrage für die Gewährung von freien Tagen entgegennehmen, die Personalkartei führen und für die Kontrolle der Stempelkarten zuständig sein.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, das Abmahnschreiben vom 12. November 1990 Ihres Bevollmächtigten, des Rechtsanwaltes … aus seiner Personalakte zu entfernen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat behauptet: Ihr Geschäftsführer sei an beiden Tagen im Betrieb außerhalb der Verkaufsräume telefonisch Jederzeit erreichbar gewesen. Er verfüge über ein drahtloses Telefon, das er ständig bei sich trage. Die Beklagte hat bestritten, daß der Kläger vor Verlassen des Betriebes versucht habe, sich bei dem Geschäftsführer telefonisch abzuweiden. Auch seien die Büroangestellten an der Kasse nicht bevollmächtigt, Abmeldungen entgegen zu nehmen. Dies sei dem Kläger auch bekannt.
Durch am 25.4.1991 verkündetes Urteil hat das Arbeitsgericht die Beklagte verurteilt, die Abmahnung von 12.11.1990 ihres Bevollmächtigten, des Rechtsanwaltes … aus der Personalakte des Klägers zu entfernen. Hinsichtlich der Begründung wird auf den Inhalt des angefochtenen Urteils (Bl. 31–38 d.A.) Bezug genommen.
Gegen dieses Ihr am 22.5.1991 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 6.6.1991 Berufung eingelegt, die sie am 8.7.1991 begründet hat.
Die Beklagte behauptet: Ihr Geschäftsführer sei an beiden Tagen im Betrieb jederzeit über ein drahtloses Telefon erreichbar gewesen. Der Kläger habe sich lediglich an der Kasse abgemeldet. Er habe nicht versucht, sich bei dem Geschäftsführer abzumelden. Auf dem Kassentresen stünden zwei Telefone, der Kläger habe sich mit Hilfe dieser nicht vergewissert, ob der Geschäftsführer erreichbar sei. Im übrigen hätte der Kläger zumindest die persönliche Sekretärin des Geschäftsführers, Frau … informieren müssen. Im gesamten Betrieb sei auch bekannt, daß der Geschäftsführer sich in solchen Angelegenheiten durch seine persönliche Sekretärin vertreten lasse. Lediglich diese stelle den ständigen Kontakt zu dem Geschäftsführer her. Der Kläger sei auch bereits 17 Jahre im Betrieb beschäftigt, so daß ihm dieses genau bekannt gewesen sei. Er habe die Kassiererinnen nicht für befu...