Entscheidungsstichwort (Thema)

Beharrliche Arbeitsverweigerung als Kündigungsgrund

 

Leitsatz (amtlich)

1. Beharrliche Arbeitsverweigerung als Kündigungsgrund und unverschuldeter Rechtsirrtum.

2. Zur Arbeitspflicht des Arbeitnehmers während eines Streiks in Verkehrsbetrieben.

 

Normenkette

KSchG § 1 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Urteil vom 03.11.1993; Aktenzeichen 63 Ca 15.755/92)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 3. November 1993 – 63 Ca 15.755/92 – wie folgt abgeändert:

  1. Die Klage wird abgewiesen.
  2. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
 

Tatbestand

Der 1966 geborene Kläger trat am 17. September 1990 als Packarbeiter in die Dienste der Beklagten, die in der Regel mehr als fünf Arbeitnehmer ausschließlich der Auszubildenden beschäftigt. Er erhielt zuletzt eine monatliche Bruttovergütung in Höhe von 2.400,– DM.

Am 01. August 1991 erteilte die Beklagte dem Kläger eine schriftliche Abmahnung, in der es heißt:

„Sehr geehrter Herr

Am 26.07.1991 haben Sie unentschuldigt gefehlt.

Ich gehe davon aus, daß Sie eigenmächtig Ihren Urlaub schon einen Tag früher angetreten haben. Laut Urlaubsantrag wurde Ihnen Urlaub aber erst ab 29.07.1991 gewährt.

Bitte nehmen Sie diese Abmahnung zum Anlaß, in Zukunft nicht weiter unentschuldigte Fehlzeiten zuzulassen. Ansonsten haben Sie mit Ihrer ordentlichen Kündigung zu rechnen.”

Am 03. Dezember 1991 sprach die Beklagte eine weitere Abmahnung aus, weil der Kläger am 27. November 1991 nicht zur Arbeitsaufnahme um 7.00 Uhr erschienen war, sondern gegen 11.30 Uhr angerufen und erklärt hatte, daß er verschlafen habe.

In der Zeit vom 04.–07. Mai 1992 kam es in Berlin zu einem Streik bei der BVG, der am 07. Mai 1992 um Mitternacht beendet war. Angesichts des bevorstehenden Streiks richtete die Beklagte an ihre Mitarbeiter am 28. April 1992 ein Rundschreiben, in dem diese aufgefordert wurden, sich schon jetzt um eine Mitfahrgelegenheit zu kümmern. Gleichzeitig wurden die Arbeitnehmer darauf hingewiesen, daß sie verpflichtet seien, ihre Arbeit pünktlich aufzunehmen. Der Kläger erschien in der fraglichen Zeit nicht zur Arbeit.

Nachdem die Beklagte den bei ihr bestehenden Betriebsrat am 11. Mai 1992 unterrichtet hatte, daß sie beabsichtige, den Arbeitsvertrag des Klägers wegen Arbeitsverweigerung seit dem 04. Mai 1992 zu kündigen und der Betriebsrat am 15. Mai 1992 mitgeteilt hatte, daß er bitte, die Kündigung in eine Abmahnung umzuwandeln, kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 18. Mai 1992 den Arbeitsvertrag des Klägers fristgerecht zum 30. Juni 1992.

Mit der beim Arbeitsgericht Berlin am 03. Juni 1992 eingegangen und der Beklagten am 15. Juli 1992 zugestellten Klage hat sich der Kläger gegen die von der Beklagten ausgesprochene Kündigung gewandt und die Auffassung vertreten, daß diese rechtsunwirksam sei. Er hat zunächst die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrates bestritten. Darüber hinaus hat er geltend gemacht, er habe in der Zeit vom 04.–08. Mai 1992 weder die Arbeit verweigert noch unentschuldigt gefehlt. Er habe auch nicht gegenüber der Beklagten bestätigt, während des BVG-Streiks eine Mitfahrgelegenheit gehabt zu haben. In den frühen Morgenstunden des 04. Mai 1992 habe er im Betrieb angerufen und mitgeteilt, daß er immer noch keine Mitfahrgelegenheit gefunden hätte. Gleichzeitig habe er gefragt, wie er sich verhalten solle. Aufgrund erheblicher Sprachschwierigkeiten sei er mit dem Betriebsratsmitglied Ali verbunden worden, der ihn aufgefordert habe, um 17.00 Uhr nochmals anzurufen. Um 17.00 Uhr habe er dann nochmals mit diesem Betriebsratsmitglied gesprochen. Dieser habe ihm mitgeteilt, daß er, wenn er nicht zur Arbeit erscheine, auch keinen Lohn erhalten werde. Der Personalleiter … habe ihm jedenfalls nicht mit einer Kündigung gedroht.

Es treffe auch nicht zu, daß er am 26. Juli 1991 unentschuldigt gefehlt und am 27. November 1991 die Arbeit verweigert habe.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, daß sein Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 18. Mai 1992 nicht beendet worden ist, sondern über den 30. Juni 1992 hinaus fortbesteht.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Bereits 1991 sei es zu erheblichen Belastungen des Arbeitsverhältnisses gekommen, so führt die Beklagte aus. So habe der Kläger am 26. Juli 1991 ohne jede Entschuldigung gefehlt, obwohl er erst ab 29. Juli 1991 Urlaub gehabt habe. Am 11. September und 27. November 1991 habe der Kläger im Betrieb angerufen und erklärt, daß er verschlafen habe und nicht zur Arbeit erscheinen könne. In beiden Fällen seien entsprechende schriftliche Abmahnungen gegenüber dem Kläger ausgesprochen worden.

In der Zeit vom 04.–08. Mai 1992 habe der Kläger unentschuldigt gefehlt. Es wäre ihm durchaus auch möglich gewesen, während des Streiks den Betrieb zu erreichen, zumal ihm angeboten worden sei, ihn mit dem Lkw. falls er keine eigene Mitfahrgelegenheit habe, vom Hermannplatz abzuholen. Der Betriebsratsvorsitzende habe jedenfalls ihm erklärt, daß er zur Arbeit e...

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