Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung von Tarifverträgen. Leistungszulage für Streckenlokomotivführer
Leitsatz (amtlich)
Aus Wortlaut, Zweck und Systematik der §§ 10 a ETV, 5 ZTV (DB AG) ist abzuleiten, daß die Pauschale nach der Protokollnotiz zu diesen Regelungen Streckenlokomotivführern für Zeiten nichtproduktiven Einsatzes nicht zusteht.
Normenkette
Entgelt-TV Deutsche Bahn AG § 10a; Zulagen-TV DB AG § 5
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Urteil vom 22.08.1996; Aktenzeichen 19 Ca 16188/96) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird dasUrteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 22. August 1996 – 19 Ca 16188/96 – abgeändert:
- Die Klage wird abgewiesen.
- Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
II. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die tarifgebundenen Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung einer Leistungszulage nach § 10 a des Entgelttarifvertrages für die Arbeitnehmer der Beklagten (ETV) und § 5 des Zulagentarifvertrages für die Arbeitnehmer/Arbeitnehmerinnen der Beklagten (ZTV), an den Kläger, der Streckenlokführer der Entgeltgruppe E8 ist.
Mit Schreiben vom 18.01.1996 (Bl. 4 – 6 d. A.) machte der Kläger erfolglos einen Anspruch auf Zahlung einer Leistungszulage für weitere 48 Dienstschichten in rechnerisch unstreitiger Höhe von 192,– DM brutto geltend.
Der Kläger hat beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen, an ihn 192,– DM brutto zu zahlen;
- festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, bis zur Vereinbarung der Tarifvertragsparteien über die maßgebenden Kriterien für die Leistungszulage an ihn für jede von ihm geleistete Schicht eine Leistungszulage in Höhe von 4,– DM brutto unabhängig davon zu zahlen, ob irgendwelche Leistungskriterien im Laufe der jeweiligen Schicht durch ihn erfüllt werden.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Ansicht vertreten, die Protokollnotiz zu den §§ 10 a ETV, 5 ZTV wäre dahin auszulegen, daß der Pauschalbetrag von 4,– DM pro Schicht nur dann zu zahlen wäre, wenn ein produktiver Einsatz im Streckendienst erfolgte. Daher wären solche Zahlungen ausgeschlossen, wenn Gegenstand der Schicht Erwerb von Streckenkenntnissen, der dienstliche angeordnete Besuch eines Arztes oder der Bereitschaftsdienst sei. Hätten die Tarifvertragsparteien eine anderweitige Regelung beabsichtigt, wäre die Einführung einer allgemeinen Schichtzulage näherliegender gewesen. Dafür spräche auch, daß sie mit Telefax vom 19. Mai 1995 die tarifschließenden Gewerkschaften über ihre Rechtsauffassung informiert hätte, ohne daß darauf eine Reaktion erfolgt wäre.
Mit einem am 22. August 1996 verkündeten Urteil hat das Arbeitsgericht Berlin – 19 Ca 16188/96 – der Klage stattgegeben. Es hat dies im wesentlichen damit begründet, daß dem Kläger nach dem primär zu beachtenden Wortlaut der Tarifnorm, der eine wie auch immer geartete Einschränkung nicht zu entnehmen sei, eine Pauschale von 4,– DM für jede abgeleistete Schicht zustünde. Nichts anderes ergäbe sich auch aus Sinn und Zweck der Vorschrift. Hätten die Tarifvertragsparteien nämlich weitergehende Anforderungen stellen wollen, hätte dies im Wortlaut der Protokollnotiz deutlich zum Ausdruck gebracht werden müssen (wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf Bl. 40 f. d. A. verwiesen).
Gegen diese ihr am 17. September 1996 zugegangene und am 10. Oktober 1996 zugestellte Entscheidung hat die Beklagte mit einem am 17. Oktober 1996 beim Landesarbeitsgericht Berlin eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese am 18. November 1996 (Montag) begründet.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für unzutreffend; denn das Arbeitsgericht habe nicht hinreichend beachtet, daß die Zulage nach der Protokollnotiz nur Streckenlokomotivführern zustünde, die nach den Üblichkeiten im Betrieb der Beklagten im wesentlichen produktive Tätigkeiten verrichten würden. Auch müsse beachtet werden, daß es sich vorliegend um eine Leistungszulage handele, die nach ganz herrschender Auffassung für besondere – über das normale Maß hinaus verrichtete – Leistungen gewährt würde. Bei Berücksichtigung der sonstigen im ETV geregelten Zulagen ergäbe sich damit deutlich, daß die Streitgegenständliche Zulage für besondere Leistungen im produktiven Streckendienst gezahlt werden sollte. Auf die Verwendung des Wortes „Pauschalbetrag” komme es nicht entscheidend an; denn insoweit müsse auf den konkreten Zusammenhang mit dem Begriff der Leistungszulage abgestellt werden (Bl. 56-76 d.A.).
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Berlin vom 22.08.1996 – 19 Ca 16188/96 – die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er schließt sich den nach seiner Auffassung zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung an und verweist darauf, daß nach seiner Auffassung die Vereinbarung des Pauschalbetrages von 4,– DM dem Zweck gedient habe, die Tarifvertragsparteien durch den davon ausgehenden faktischen Druck zu einer beschleunigten Fortführung der Tarifvertragsverhandlungen zu veranlassen. Indizien erg...