Entscheidungsstichwort (Thema)

Urlaubsentgeltanspruch einer Volkshochschuldozentin

 

Leitsatz (amtlich)

– Zur Frage, ob eine Rentnerin, die Malkurse an Volkshochschulen abhält, als arbeitnehmerähnliche Person anzusehen ist;

– zur Frage, ob die Worte „vergleichbar einem Arbeitnehmer sozial schutzbedürftig” in § 12 a Abs. 1 TVG eigenständige Bedeutung haben.

 

Normenkette

BUrlG § 2 S. 2; TVG § 12a Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Urteil vom 04.03.2004; Aktenzeichen 60 Ca 20757/03)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 17.01.2006; Aktenzeichen 9 AZR 61/05)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 04. März 2004 – 60 Ca 20757/03 – geändert:

Das beklagte Land wird verurteilt, an die Klägerin 204,83 EUR (zweihundertvier 83/100) nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus 81,56 EUR seit dem 15.08.2003 sowie 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus weiteren 118,34 EUR seit 05.08.2004 sowie 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus weiteren 4,93 EUR seit 07.10.2004 zu zahlen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem beklagten Land auferlegt.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über Urlaubsbezahlung für eine Tätigkeit als Volkshochschuldozentin in freier Mitarbeit, die die Klägerin nach ihrer Auffassung als arbeitnehmerähnliche Person geleistet hat (und zwar im Jahre 2003).

Die am ….1938 geborene Klägerin, von Beruf Malerin, bezieht seit Mitte 1998 auf Grund einer Mitgliedschaft in der Künstlersozialkasse Altersrente, deren Höhe im Jahre 2003 insgesamt 5.457,78 EUR betrug. Für das Land Berlin ist sie seit vielen Jahren als Volkshochschuldozentin (Zeichenkursleiterin) in freier Mitarbeit tätig, und zwar für die Volkshochschulen T.-Sch. sowie Ch.-. Mit beiden Volkshochschulen schloss sie im Jahr 2003 Verträge für jeweils 2 Kurse für jeweils 2 Semester (Februar bis Mai sowie September bis Dezember) und erhielt dafür Honorare in Höhe von insgesamt 5.968, 99 EUR brutto, wovon 3.225,62 EUR auf die Volkshochschule T.-Sch. entfallen. Das Land Berlin gewährt freien Mitarbeitern, die es als arbeitnehmerähnliche Personen ansieht, Erholungsurlaub nach dem Bundesurlaubsgesetz in der Weise, dass auf die verdienten Honorare 6,35 % Urlaubsentgelt bezahlt werden und der freie Mitarbeiter den Urlaub in der arbeits- bzw. vorlesungsfreien Zeit ohne besondere Anmeldung von sich aus in Natur zu nehmen hat. Auch die beiden hier genannten Volkshochschulen haben an die Klägerin in der Vergangenheit dieses Urlaubsentgelt gezahlt. Erstmals für das Jahr 2003 verweigerte das Bezirksamt T.-Sch. eine solche Zahlung, während das Bezirksamt Ch.-W. an die Klägerin für das 1. Semester 2003 die entsprechende Zahlung noch leistete.

Mit ihrer am 06.08.2003 beim Arbeitsgericht Berlin eingereichten und am 15.08.2003 zugestellten Klage hat die Klägerin die entsprechende Leistung vom Bezirksamt T.-Sch. zunächst für das 1. Semester 2003 (81,56 EUR) verlangt. In der Berufungsinstanz hat sie die Klage erweitert und verlangt nunmehr das fragliche Urlaubsentgelt, soweit es das Bezirksamt T.-Sch. betrifft, für das gesamte Jahr 2003.

Durch Urteil vom 04.03.2004, auf dessen Tatbestand wegen des weiteren Sach- und Streitstandes in erster Instanz Bezug genommen wird (Bl. 23 f. d.A.) hat das Arbeitsgericht die Klage mit dem Antrag

das beklagte Land zu verurteilen, an die Klägerin 81,56 EUR netto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz ab 15.08.2003 zu zahlen,

abgewiesen, im Wesentlichen mit der Begründung: Die Klägerin sei nicht „vergleichbar einem Arbeitnehmer sozial schutzbedürftig” (§ 12 a Abs. 1 TVG), da sie ihren Lebensunterhalt einerseits durch ihre Altersrente, andererseits durch die theoretische Möglichkeit der Erlangung einer Grundsicherung nach dem Grundsicherungsgesetz bestreiten könne und deshalb auf die Honorare der beiden Bezirksämter nicht angewiesen sei.

Gegen dieses am 04.06.2004 zugestellte Urteil richtet sich die am 29.06.2004 eingegangene und am 02.08.2004 begründete Berufung der Klägerin, die ihre Forderung (mit der am 05.08.2004 zugestellten) Berufungsbegründung zunächst auf 199,90 EUR und im Termin am 07.10.2004 sodann auf 204,83 EUR erweitert (was 6,35 % des Gesamthonorars der Volkshochschule T.-Sch. in 2003 entspricht).

Die Klägerin wiederholt (unwidersprochen) ihre Behauptung, dass sie außer der Altersrente und den Honoraren von Seiten des beklagten Landes keine weiteren Einkünfte gehabt hat. Sie macht geltend, bei der Beurteilung ihrer wirtschaftlichen Abhängigkeit und sozialen Schutzbedürftigkeit im Sinne des § 12 a TVG müsse ihre Altersrente ohnehin außer Betracht bleiben, da sie die Anwartschaft auf diese Versorgungsleistung durch frühere Erwerbstätigkeit unverfallbar erworben habe und derlei Bezüge bei einer Beurteilung im Rahmen des § 12 a TVG außer Betracht zu bleiben hätten. Selbst wenn man aber dieser (in der Literatur vertretenen) Auffassung nicht folge, sei ihr Status als arbeitnehmerähnliche Person nicht zu verneinen, da die Renteneinkünfte ohnehin geringer seien als die v...

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