Revision wird nicht zugelassen
Entscheidungsstichwort (Thema)
Tätigkeit für das MfS. Anerkennung von Beschäftigungszeiten
Leitsatz (amtlich)
Die bloße Abgabe einer Verpflichtungserklärung (ohne eine nachfolgende Tätigkeit) begründet nicht den Ausschlußtatbestand sämtlicher wortgleicher Tarifverträge des öffentlichen Dienstes, wonach „Zeiten jeglicher Tätigkeiten für das MfS” auf die tarifliche Beschäftigungszeit nicht anzurechnen sind.
Normenkette
TV Ang-O (Deutsche Bundespost) § 16
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Urteil vom 24.01.1995; Aktenzeichen 86 Ca 29197/94) |
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 24. Januar 1995 – 86 Ca 29197/94 – wird auf Kosten der Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß der Urteilstenor wie folgt lautet:
Es wird festgestellt, daß als Postdienstzeit im Sinne von § 16 TV Ang-O die Beschäftigung ab 21. Juni 1958 anzusehen ist.
II. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beklagte erkennt zugunsten des Klägers, der seit 21.06.1958 bei der Deutschen Post der ehemaligen DDR tätig war als Postdienstzeit im Sinne von § 16 TV Ang-O nur die Zeit ab 07.06.1980 an, weil sie – entgegen der Auffassung des Klägers – davon ausgeht, der Kläger sei als Inoffzieller Mitarbeiter für das Ministerium für Staatssicherheit der ehemaligen DDR (im folgenden: MfS) tätig gewesen, so daß die vor dem 07.06.1980 liegenden Zeiten gemäß Nr. 1 der Übergangsvorschriften zu § 16 TV Ang-O von der Berücksichtigung als Postdienstzeit ausgeschlossen seien.
Von einer näheren Darstellung des Tatbestandes erster Instanz wird unter Hinweis auf § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.
Durch ein Urteil vom 24.01.1995 hat das Arbeitsgericht Berlin zugunsten des Klägers festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, auch die Zeit von 21.06.1958 bis 07.06.1980 als Postdienstzeit anzuerkennen. Wegen der [Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Gegen dieses der Beklagten am 10.05.1995 zugestellte Urteil hat sie mit einem am 08.06.1995 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 10.08.1995 mit einem am 10.08.1995 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.
Die Beklagte behauptet in der Berufungsinstanz, der Kläger habe sich am 09.03.1978 mündlich zur Zusammenarbeit mit dem MfS verpflichtet und dabei den Decknamen … gewählt und beruft sich insoweit auf das Zeugnis des Führungsoffiziers …
In rechtlicher Hinsicht vertritt die Beklagte die Auffassung, auch die bloße Abgabe einer Verpflichtungserklärung sei als „Tätigkeit für das MfS” im Sinne der einschlägigen Übergangsvorschriften zu § 16 TV Ang-O anzusehen.
Der Kläger hat seinen erstinstanzlichen Feststellungsantrag in der Berufungsinstanz wie folgt korrigiert: Es soll festgestellt werden, daß als Postdienstzeit im Sinne von § 16 TV Ang-O die Beschäftigung ob 21.06.1958 anzusehen ist.
Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil zu ändern und den modifizierten Klageantrag des Klägers abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten nach Maßgabe seines modifizierten Klageantrages zurückzuweisen.
Er tritt der Berufung mit Rechtsausführungen entgegen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des gegenseitigen Parteivorbringens in der Berufungsinstanz wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze dar Beklagten vom 10.08.1995 und des Klägers vom 13.09.1995 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die gemäß § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung, die frist- und formgerecht im Sinne von § 66 Abs. 1 Satz 1, 4 ArbGG i.V.m. §§ 518, 519 ZPO eingelegt und begründet worden ist, hat keinen Erfolg. Zugunsten des Klägers ist als Beginn der Postdienstzeit der 21.06.1958 anzusehen. Es kann nicht davon ausgegangen werden, daß der Kläger jemals für das MfS tätig geworden ist.
1.
Die vom Kläger erhobene Feststellungsklage ist gemäß § 256 ZPO zulässig.
1.1
Die Feststellung des Beginns der tariflichen Postdienstzeit betrifft den abgrenzbaren Teil eines Rechtsverhältnisses, der für zahlreiche tarifliche Rechte und Pflichten Bedeutung hat. Gerade im Hinblick auf diese Bedeutung der Postdienstzeit hat der Kläger auch bereits jetzt ein rechtliches Interesse an der Klärung der zu seinen Gunsten anzusetzenden Postdienstzeit.
1.2
Der vom Kläger in der Berufungsinstanz modifizierte Klageantrag stellt gemäß § 264 Nr. 1 ZPO keine Klageänderung dar, so daß die Modifizierung ohne weiteres als zulässig anzusehen ist.
2.
Die Voraussetzungen für den Ausschluß bestimmter Zeiten von der Postdienstzeit gemäß Nr. 1 der Übergangsvorschriften zu § 16 TV Ang-O liegen nicht vor. Denn beim Kläger läßt sich eine „Tätigkeit für das MfS” im Sinne der einschlägigen Tarif Vorschriften nicht feststellen; im Gegenteil: Es spricht alles dafür, daß sich der Kläger der ihm angesonnenen Tätigkeit für das MfS erfolgreich entzogen hat.
2.1
Entgegen der Auffassung der Beklagten reicht die bloße Abgabe einer Verpflic...