Verfahrensgang
ArbG Berlin (Urteil vom 11.05.1993; Aktenzeichen 39 Ca 2592/93) |
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 11. Mai 1993 – 39 Ca 2592/93 – teilweise abgeändert:
- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.605,80 DM (eintausendsechshundertfünf 80/100) brutto nebst 4 % Zinsen auf den sich daraus ergebenden Nettobetrag seit dem 10. Februar 1993 zu zahlen.
- Die weiteren Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
II. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten noch über einen Anspruch des Klägers auf Lohnfortzahlung.
Dieser war nach Maßgabe des um eine die Pflicht des Klägers zur unverzüglichen Hinterlegung des Sozialversicherungsausweises im Krankheitsfalle beinhaltende Zusatzvereinbarung (Bl. 24 d.A.) ergänzten Arbeitsvertrages vom selben Tage (Bl. 6 d.A.) seit dem 25. November 1992 als Helfer für die Beklagte tätig, die mit Erlaubnis der Bundesanstalt für Arbeit Arbeitnehmerüberlassung betreibt. Vom 1. Dezember 1992 bis zum 9. Januar 1993 einschließlich war er arbeitsunfähig krank. Am 21. Dezember 1992 gegen 12.00 Uhr übergab er der Beklagten seinen Sozialversicherungsausweis. Bis zu diesem Zeitpunkt gewährte diese ihm keine Lohnfortzahlung. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete infolge einer Eigenkündigung des Klägers spätestens am 8. Januar 1993.
Nach erfolgloser außergerichtlicher Korrespondenz verfolgt der Kläger u.a. den Anspruch auf Gewährung von Lohnfortzahlung für 14 1/2 Arbeitstage in unstreitiger Höhe von 1.605,70 DM brutto mit der vorliegenden, der Beklagten am 10. Februar 1993 zugestellten Klage weiter. Er hat die Ansicht vertreten, die Nichtvorlage des Sozialversicherungsausweises rechtfertige die Verweigerung der Lohnfortzahlung ebensowenig wie die Beklagte berechtigt wäre, ihm für den 25. November 1992 eine halbe Stunde Lohn abzuziehen und die Lohnzahlung für die Zeit vom 1. Januar bis zum 8. Januar 1993 zu verweigern.
Er hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn DM 2.172,80 brutto nebst 4 % Zinsen des sich daraus ergebenden Nettobetrages seit dem 10.02.1993 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Ansicht vertreten, im Sinne des Gesetzgebers zur Bekämpfung der Schwarzarbeit mit Rücksicht auf die verspätete Vorlage des Sozialversicherungsausweises zur Verweigerung der Lohnfortzahlung berechtigt zu sein; denn der Kläger sei sowohl nach der Zusatzvereinbarung vom 25. November 1992 als auch infolge einer gesonderten Aufforderung in einem in der 49. Kalenderwoche mit ihm geführten Telefonat zu dessen unverzüglicher Übergabe verpflichtet gewesen. Darüber hinaus seien auch die weiteren Ansprüche des Klägers unbegründet.
Mit einem am 11. Mai 1993 verkündeten Urteil hat das Arbeitsgericht Berlin – 39 Ca 2592/93 – die Klage abgewiesen. Es hat dies im Hinblick auf den Lohnfortzahlungsanspruch des Klägers für die Zeit zwischen dem 1. und dem 21. Dezember 1992, 12.00 Uhr, damit begründet, daß § 100 Abs. 2 SGB IV die Beklagte zur endgültigen Verweigerung der Lohnfortzahlung an den Kläger berechtigte; denn die Anerkennung einer Nachzahlungsverpflichtung würde dem Sinn und Zweck des Gesetzes widersprechen, mit dem u.a. auch die Bekämpfung illegaler Beschäftigung angestrebt würde. Ob der über die Vorlagepflicht informierte Kläger, der jedenfalls eine zeitnahe Übersendung des Ausweises an die Beklagte hätte veranlassen können, tatsächlich während des Arbeitsunfähigkeitszeitraumes unerlaubt eine anderweitige Tätigkeit ausgeübt hätte, könne mit Rücksicht auf die präventive Zielsetzung des Gesetzes dahinstehen. Darüber hinaus seien auch die weiteren Ansprüche des Klägers unbegründet (wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf Bl. 35–38 d.A. verwiesen). Gegen diese ihm am 12. Juli 1993 zugestellte Entscheidung hat der Kläger mit einem am 11. August 1993 beim LAG Berlin eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 27. September 1993 an diesem Tage begründet.
Er hält die angefochtene Entscheidung für unzutreffend. Zu Unrecht habe das Arbeitsgericht in § 100 Abs. 2 Satz 2 1. Halbs. SGB IV einen Erlöschenstatbestand gesehen. Es handele sich dabei vielmehr um ein Leistungsverweigerungsrecht, das einredeweise geltend gemacht werden könne. Dies werde durch die Verwendung des Wortes „solange” verdeutlicht und ergebe sich auch aus der Parallele zu der inhaltsgleichen Regelung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 LFZG. Ein weiteres Indiz für den lediglich formalen Charakter der Regelung liege auch in deren Aufnahme in § 100 SGB IV, eine lediglich den Sozialversicherungsausweis betreffende Norm. Hätte der Gesetzgeber einen Erlöschenstatbestand schaffen wollen, wäre eine Ergänzung des Lohnfortzahlungsgesetzes wesentlich naheliegender gewesen. Schließlich reiche auch die bloße Verzögerung der Gewährung der Lohnfortzahlung aus, um den Gesetzeszweck zu erreichen. Allerdings dürfe der Arbeitgeb...