Entscheidungsstichwort (Thema)

Verhältnis TV/Gesetz. Entgeltfortzahlung. „100%ige Entgeltfortzahlung”

 

Leitsatz (amtlich)

Ziff. 9 MTV Arbeiter Metall- und Elektroindustrie Berlin enthält keine eigenständige konstitutive Regelung zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.

 

Normenkette

EFG § 4; LFZ § 2

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Urteil vom 05.08.1997; Aktenzeichen 61 Ca 3176/97)

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 5. August 1997 – 61 Ca 3176/97 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die beiderseitig an den Manteltarifvertrag für die Arbeiter der Metall- und Elektroindustrie in Berlin und Brandenburg (Tarifgebiet I) tarifgebundenen Parteien streiten darüber, ob die Klägerin für die Zeit ihrer Arbeitsunfähigkeit im November 1996 Entgeltfortzahlung in Höhe von 100 % oder lediglich in Höhe von 80 % ihres Arbeitsentgeltes zu erhalten hat; die Beklagte hat ihr für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit Entgeltfortzahlung nur in Höhe von 80 % des Arbeitsentgeltes gezahlt, die entstandene Differenz in Höhe von 404,84 DM brutto macht die Klägerin mit der vorliegenden Klage geltend.

Im fraglichen Zeitraum hatte die einschlägige Bestimmung des genannten Manteltarifvertrages folgenden Wortlaut;

„9. Berechnung des Entgeltes für die Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle

Bei Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit gelten die Bestimmungen des Gesetzes über die Fortzahlung des Arbeitsentgeltes im Krankheitsfalle (Lohnfortzahlungsgesetz = LFG). Unter Anwendung von § 2 Ziff. 3 dieses Gesetzes sind bei der Berechnung des fortzuzahlenden Arbeitsentgeltes zugrunde zu legen:

9.1 Hinsichtlich der Lohnhöhe; der Stundendurchschnittsverdienst I gem. Ziff. 10.9.

9.2 Hinsichtlich der Anzahl der Arbeitsstunden,

9.2.1 Für jeden Krankheitstag, für den einzelne Beschäftigte gesetzlichen Anspruch auf Lohnfortzahlung haben, so viele Stunden, wie sie an dem entsprechenden Tage in individueller regelmäßiger Arbeitszeit, d.h. ohne Mehrarbeits-, Fahr- und Wegezeitstunden, zu arbeiten hätte.

9.2.2 Wird in dem Betrieb vorübergehend verkürzt gearbeitet …

9.2.3 Wird in dem Betrieb zum Ausgleich ausfallender Arbeitszeit im Sinne der tariflichen Bestimmungen vor- oder nachgearbeitet …”

Die Tarifparteien haben zwischenzeitlich den „Manteltarifvertrag für die Arbeiter der Metall- und Elektroindustrie in Berlin und Brandenburg (Tarifgebiet I) geändert; in der Fassung vom 07. Januar 1997 heißt es wie folgt:

9. Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall

9.1 Werden Beschäftigte durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an ihrer Arbeitsleistung verhindert, ohne daß sie ein Verschulden trifft, so haben sie unabhängig von der jeweils geltenden gesetzlichen Regelung vom ersten Tag an Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall durch den Arbeitgeber für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen.

9.3.1 Bei der Berechnung der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall gemäß Ziff. 9.1 bzw. 9.2 ist für Beschäftigte der Stundendurchschnittsverdienst I gem. Ziff. 10.9 zugrunde zu legen und mit der Anzahl der Arbeitsstunden gem. Ziff. 9.3.2 zu multiplizieren; der sich daraus ergebende Betrag ist für die Dauer von bis zu sechs Wochen fortzuzahlen.

9.3.2 Hinsichtlich der Anzahl der Arbeitsstunden sind für jeden Krankheitstag, für den einzelne Beschäftigte Anspruch auf Entgeltfortzahlung haben, so viele Stunden zugrunde zu legen, wie sie an dem entsprechenden Tage in individueller regelmäßiger Arbeitszeit, d.h. ohne Mehrarbeits-, Fahr- und Wegezeitstunden, zu arbeiten hätten.”

Die Klägerin ist der Auffassung, Ziff. 9 des Manteltarifvertrages in der ursprünglichen Fassung verweise nicht auf das jeweils geltende Gesetz der Lohnfortzahlung. Die Tarifparteien seien beim Abschluß des Tarifvertrages davon ausgegangen, daß das Lohnfortzahlungsgesetz wirken soll, welches bei Abschluß des Tarifvertrages am 08.12.1995 gegolten habe. Dies ergebe sich bereits aus der Tatsache, daß das hier benannte Gesetz als Lohnfortzahlungsgesetz = LFZG bezeichnet werde. Ober das Entgeltfortzahlungsgesetz in der Fassung vom 01.10.1996 hätten die Tarifparteien am 08.12.1995 keine tarifliche Regelung treffen können, da dieses Gesetz zu diesem Zeitpunkt noch nicht in Kraft gewesen sei. Die Regelung des Tarifvertrages unter Ziff. 9 sei eigenständig und ergebe einen Anspruch auf 100%ige Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 404,84 DM brutto nebst 4 % Zinsen auf den sich ergebenden Nettobetrag seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt.

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat auf die tarifliche Entwicklung und darauf hingewiesen, daß im westberliner Tarifgebiet erstmalig die Bezugnahme auf das Lohnfortzahlungsgesetz mit Vereinbarung vom 15.01.1970 erfolgt sei. Die Verweisung habe deswegen Sinn gemacht, weil die Tarifvertragsparteien von der Ermächtigungsgrundlage in § 2 Abs. 3 LFZG Gebrauch gemacht und die Berechnung eigenständig vorgenommen hätten. Diese eige...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge