Revision zugelassen

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Streik- und Vergütungsfortzahlungsanspruch bei Arbeitsunfähigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Arbeitnehmer ist zu den Streikteilnehmern (nur) dann zu rechnen, wenn er – ausdrücklich oder konkludent – seine Teilnahme (rechtsgeschäftlich) erklärt hat.

2. Ein bereits vor Streikbeginn arbeitsunfähig erkrankter Arbeitnehmer behält auch während des Arbeitskampfes seinen Vergütungsfortzahlungsanspruch, wenn er sich nicht am Streik beteiligt.

3. Ein Wegfall des Vergütungsfortzahlungsanspruches läßt sich für solche Arbeitnehmer weder aus arbeitskampfrechtlichen noch aus vergütungsfortzahlungsrechtlichen Grundsätzen herleiten.

 

Normenkette

LFZG § 1; BGB § 616

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Urteil vom 11.10.1990; Aktenzeichen 22 Ca 67/90)

 

Tenor

I. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil, des Arbeitsgerichts Berlin vom 11. Oktober 1990 – 22 Ca 67/90 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob der Klägerin, die Erzieherin in einer Kindertagesstätte war, Krankenvergütung für die Zeit zusteht, innerhalb derer ein Streik im Kindertagesstättenbereich stattgefunden hat.

Die Klägerin, die Mitglied der Gewerkschaft öffentliche Dienste, Transport und Verkehr ist, war seit 1962 bis zum 31. August 1990, ihren Eintritt in den Ruhestand, bei dem beklagten im Bereich des Bezirksamts Wedding tätig.

Sie war arbeitsunfähig in der Zeit vom 14. November 1989 bis zum 15. Dezember 1989, und sodann in der Zeit von 22. Dezember 1989 bis zum 26. Februar 1990. In der Zeit von 27. Februar 1990 bis zum 18. März 1990 trat sie ihren bereits zuvor bewilligten Jahresurlaub an. Ab 19. März 1990 schloß sie sich dem seit dem 15. Januar 1990 andauernden Streik in, Kindertagesstättenbereich an, zu den, unter anderem die Gewerkschaft öffentliche Dienste, Transport und Verkehr aufgerufen hatte.

Erzieherinnen, die an diesen Streik nicht teilnahmen, wurden während der Dauer des Streiks (bis zum 27.3.1990) anderweitig weiterbeschäftigt.

Das beklagte Land, das zunächst für den gesamten Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit der Klägerin Krankenvergütung Gewährt hatte, brachte mit einer folgenden Abrechnung das Entgelt für die Zeit vom 15. Januar 1980 bis zum 26. Februar 1990 wieder in Abzug.

Mit der vorliegenden, bei Gericht am 26. Juli 1990 eingegangenen und später erweiterten Klage begehrt die Klägerin Auszahlung dieses einbehaltenen Vergütungsbestandteils.

Sie hat die Auffassung vertreten, die Krankenvergütung stehe ihr auch für den fraglichen Zeitraum zu, da sie sich nicht am Streik beteiligt habe; die Behauptung des beklagten Landes, sie hätte sich am Streik beteiligt, wenn sie nicht arbeitsunfähig gewesen wäre, sei durch nichts belegt.

Die Klägerin hat beantragt,

das beklagte Land zu verurteilen, an sie 5.682,79 DM brutto abzüglich 3.307,99 DM netto (erhaltenes Krankengeld) nebst 4 % Zinsen auf den sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit dem 16. Juni 1990 zu zahlen.

Das beklagte Land hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es hat die Auffassung vertreten, daß der Klägerin für den fraglichen Zeitraum unter dem Gesichtspunkt einer Streikteilnahme keine Krankenvergütung zustehe. Dabei könne es keine Rolle spielen, ob die Klägerin zuerst krank gewesen sei und sich dann am Streik beteiligt habe oder ob der zeitliche Ablauf umgekehrt gewesen sei. Die Klägerin gehöre der Gewerkschaft an, die den Streik ausgerufen hat, so daß es abwegig sei, anzunehmen, sie hätte sich in der Zeit ihrer Arbeitsunfähigkeit arbeitswillig gezeigt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Mit Urteil von 11. Oktober 1990 hat das Arbeitsgericht Berlin der Klage stattgegeben und den Wert des Streitgegenstandes auf 2.374,89 DM festgesetzt. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, daß aus der späteren Beteiligung der Klägerin am Streik nicht geschlossen werden könne, daß sie, wäre sie gesund gewesen, sich von Anfang an am Streik beteiligt hatte. Allgemeine Erfahrungsgrundsätze, die diesen Schluß rechtfertigten, gebe es nicht. Insofern stünde der – unstreitig arbeitsunfähigen – Klägerin Vergütungsfortzahlung für den genannten Zeitraum zu. Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Urteils wird auf dessen Entscheidungsgründe Bezug genommen.

Gegen dieses ihm an. 29. Oktober 1990 zugestellte Urteil richtet sich die beim Landesarbeitsgericht am 24. November 1990 eingegangene Berufung des beklagten Landes, die es mit einem am 20. Dezember 1990 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet hat.

Das beklagte Land wendet sich mit Rechtsausführungen gegen das erstinstanzliche Urteil und vertritt in Ergänzung und Vertiefung des erstinstanzlichen Vorbringens weiterhin die Auffassung, daß eine umfassende Würdigung des gesamten Sachverhaltes ergebe, daß sich die Klägerin ab 15. Januar 1990 auch an dem Streik in den Kindertagesstätten beteiligt hätte, wenn sie nicht...

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