Verfahrensgang
ArbG Berlin (Urteil vom 25.09.1990; Aktenzeichen 17 Ca 66/90) |
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 25. September 1990 – 17 Ca 66/90 – geändert:
Das beklagte Land wird verurteilt, an die Klägerin 2.808,69 DM brutto (zweitausendachthundertacht 69/100), abzüglich 1.302,25 DM netto (eintausenddreihundertzwei 25/100) nebst 4 % Zinsen aus dem sich ergebenden Nettodifferenzbetrag seit dem 16. Juli 1990 zu zahlen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits hat das beklagte Land zu tragen.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um einen Gehaltsabzug.
Die Klägerin ist seit 1969 bei dem beklagten Land als Erzieherin in der Kindertagesstätte D. straße des Bezirksamtes N. von Berlin tätig. Vom 12. bis 15. Dezember 1989 und vom 15. Januar bis zum 27. März 1990 wurde in den Kindertagesstätten des Bezirkes gestreikt. Nicht am Streik teilnehmende Arbeitnehmer wurden während der Streikdauer weiterbeschäftigt. Die Klägerin nahm vom 12. bis 15. Dezember 1989 am Streik teil. Vom 8. bis Freitag, den 26. Januar 1990 hatte sie bezahlten Erholungsurlaub. Am 25. Januar 1990 erlitt sie einen Skiunfall, aufgrund dessen sie vom Montag, den 29. Januar 1990 bis Freitag, den 23. Februar 1990 arbeitsunfähig krank war. Sie übersandte ihrer Dienststelle regelmäßig die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen. Ab Montag, den 26. Februar 1990 beteiligte sie sich wiederum am Streik, und zwar bis zu dessen Ende.
Das beklagte Land, das zunächst das volle Gehalt für die Monate Januar und Februar 1990 gezahlt hatte, zog die für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit und des Streikes gezahlten Beträge von den Gehältern der Folgemonate wieder ab.
Mit der vorliegenden Klage wendet sich die Klägerin gegen den Gehaltsabzug für die Zeit ihrer Erkrankung (29. Januar bis 23. Februar 1990) und begehrt Zahlung von dafür abgezogenen 2.808,69 DM brutto, auf die sie sich erhaltenes Krankengeld in Höhe von 1.302,25 DM netto anrechnen läßt. Sie hat die Ansicht vertreten, sie habe sich schon aufgrund ihrer Erkrankung nicht am Streik beteiligen können und auch vor Beginn der Erkrankung eine Streikteilnahme nicht erklärt.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an sie 2.808,69 DM brutto abzüglich 1.302,25 DM netto nebst 4 % Zinsen aus dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit dem 16.07.1990 zu zahlen.
Das beklagte Land hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es hat die Auffassung vertreten, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Krankenvergütung gehabt, da aus ihrem Verhalten vor und nach der Erkrankung zu schließen sei, daß sie streikwillig gewesen wäre, so daß sie sich, wäre sie nicht krank geworden, am Streik beteiligt hätte.
Durch Urteil vom 25. September 1990 hat das Arbeitsgericht Berlin die Klage abgewiesen, und zwar im wesentlichen mit der Begründung, die Krankenvergütung habe, da rechtsgrundlos gezahlt, zurückgefordert werden können; ein Anspruch auf Krankenvergütung nach § 37 Abs. 1 BAT bestehe nur, wenn die Arbeitsunfähigkeit die alleinige Ursache für den Ausfall der Arbeitsleistung sei. Das beklagte Land habe substantiiert Indizien für die Streikwilligkeit der Klägerin schon während ihrer Krankheit dargelegt, nämlich ihre Gewerkschaftszugehörigkeit, ihre Streikteilnahme im Dezember 1989 und im unmittelbaren Anschluß an ihre Erkrankung. Nunmehr sei es Sache der Klägerin gewesen, Hilfstatsachen für ihre Arbeitswilligkeit während der Erkrankung vorzutragen; die bloße Darlegung, sie habe während der Erkrankung am Streik nicht teilgenommen, reiche nicht aus.
Gegen dieses ihr am 1. November 1990 zugestellte Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer am 26. November 1990 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Berufung, die sie mit bei Gericht am 12. Dezember 1990 eingegangenen Schriftsatz begründet hat.
Sie wendet sich mit Rechtsausführungen gegen das angefochtene Urteil: Zwar müsse die Arbeitsunfähigkeit die alleinige Ursache für das Fehlen des Arbeitnehmers sein. Eine nur mögliche oder hypothetische Streikteilnahme reiche aber nicht aus, um den Anspruch auf Krankenvergütung auszuschließe Nur arbeitsfähige Arbeitnehmer könnten die Arbeit niederlegen Eine Streikteilnahme käme als Ursache für die Nichtarbeit nur dann in Betracht, wenn der Arbeitnehmer den positiven Entschluß der Streikteilnahme fassen und ihm auch Taten folgen lassen würde. Das Nichterscheinen zur Arbeit von solchen Arbeitnehmern, die bereits bei Streikbeginn von der Arbeitspflicht befreit waren, sei nicht als Erklärung der Streikteilnahme zu werten. – Im übrigen seien die vorgetragenen Indizien für eine Streikwilligkeit der Klägerin nicht ausreichend. Auf die innere Einstellung könne es nicht ankommen. Zudem bestünde zu hypothetischen Geschehensabläufen keine prozessuale Erklärungspflicht.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin und Berufungsklägerin 2.808,69 DM brutto abzüglich 1.302,25...