Revision zugelassen
Entscheidungsstichwort (Thema)
Diskriminierungsverbot gegenüber Teilzeitbeschäftigten. Zusatzversorgung in VBL
Leitsatz (amtlich)
1. § 5 lit. b) aa) des Tarifvertrages über die Versorgung der Arbeitnehmer des Bundes und der Länder sowie von Arbeitnehmern kommunaler Verwaltungen und Betriebe (Versorgungs-TV) vom 4. November 1966 in der bis zum 31. März 1991 geltenden Fassung des 19. Änderungs-TV vom 26. Oktober 1989 verstößt gegen § 2 Abs. 1 BeschFG und ist gemäß § 134 BGB nichtig, weil er Teilzeitbeschäftigte mit einer durchschnittlichen vertraglichen Mindestarbeitszeit unter 18 Stunden wöchentlich ohne sachlichen Grund von der Zusatzversorgung bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) ausnimmt.
2. Der hieraus abzuleitende Anspruch dieser Arbeitnehmer auf Gleichbehandlung begründet jedoch für die Vergangenheit (noch) keinen Anspruch gegen den Arbeitgeber auf Versicherung bei der VBL, solange deren Satzung dies nicht zuläßt, da der einzelne Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes gegenüber der VBL keine Satzungsgewalt hat.
3. Da § 2 Abs. 1 BeschFG jedem Arbeitgeber unmittelbar sachlich nicht gerechtfertigte Differenzierungen gegenüber teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmern untersagt, handelt auch der tarifunterworfene Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes rechtswidrig und schuldhaft, wenn er in Anwendung des insoweit unwirksamen Versorgungs-TV einen teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer von der Zusatzversorgung ausnimmt. Er ist ihm daher zum Schadenersatz verpflichtet.
Normenkette
BGB § 134; BeschFG § 2 Abs. 1, 6; VBL-Satzung § 26 Abs. 1 b) aa); Versorgungs-TV § 5 b) aa)
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Urteil vom 18.04.1991; Aktenzeichen 22 Ca 138/87) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten werden das Schlußurteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 18. April 1991 – 22 Ca 138/87 – aufgehoben und die Klage im Hauptantrag abgewiesen.
II. Auf die hilfsweise Anschlußberufung des Klägers wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger im Versorgungsfall jeweils monatlich den Betrag zu zahlen, um den sich seine durch die VBL gezahlte Rente erhöhen würde, wenn der Kläger auch in der Zeit vom 1. Mai 1985 bis 31. März 1991 im Rahmen seiner Tätigkeit bei der Beklagten bei der VBL versichert gewesen wäre.
III. Die Kosten des Rechtsstreits tragen insoweit die Beklagte zu 4/5, der Kläger zu 1/5.
IV. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der 57jährige Kläger ist seit 1979 als nicht vollbeschäftigte Lehrkraft im Bereich des Studienkollegs der Beklagten für das Unterrichtsfach Mathematik beschäftigt. Er gibt vertragsgemäß fünf Unterrichtsstunden pro Woche.
Nachdem der Kläger im vorliegenden Rechtsstreit zunächst mit Erfolg seine Ansprüche auf Vergütung und anteiliges Urlaubsgeld nach dem Verhältnis der von ihm unterrichteten Stundenzahl zur Stundenzahl eines Vollzeitbeschäftigten durchgesetzt hat, verlangt er von der Beklagten nunmehr seine Nachversicherung bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) aufgrund des Tarifvertrages über die Versorgung der Arbeitnehmer des Bundes und der Länder (Versorgungs-TV).
Er hat die Auffassung vertreten, dieser Tarifvertrag sei insoweit unwirksam, als er Teilzeitbeschäftigte mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von weniger als 18 Stunden von der Zusatzversorgung ausnehme.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, … ihn für die Zeit vom 01.05.1985 bei der VBL nachzuversichern.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat den Anspruch dem Grunde nach bestritten und jedenfalls nach Maßgabe der tariflichen Ausschlußfrist für verfallen erachtet. Im übrigen hat sie auf ihren – unstreitig – erfolglosen Versuch verwiesen, den Kläger bei der VBL zu versichern, was diese im Hinblick auf die nicht erreichte Mindestbeschäftigungsstundenzahl abgelehnt habe.
Durch Schlußurteil vom 18. April 1991 hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, der Versorgungs-TV verstoße in § 5 lit. b), aa) gegen § 2 Abs. 1 Beschäftigungsförderungsgesetz und sei deshalb gemäß § 134 BGB nichtig. Denn hiernach würden teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer gegenüber Vollzeitbeschäftigten unterschiedlich behandelt, ohne daß hierfür sachliche Gründe gegeben seien. Auch die Beklagte habe solche nicht vorgetragen. Angesichts der Nichtigkeit der tariflichen Bestimmung müßten die Tarifvertragsparteien für die Zukunft eine rechtswirksame Neuregelung treffen. Für die Vergangenheit hingegen könne die gesetzliche gebotene Gleichbehandlung vollzeitbeschäftigter und teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer nur dadurch erreicht werden, daß auch dem Kläger ein Anspruch auf Versicherung zuerkannt werde. Dieser Anspruch unterliege auch nicht der Ausschlußfrist des § 70 BAT, weil nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts diese Ausschlußfrist auf Ansprüche dieser Art nicht anzuwenden sei.
Gegen dieses der Beklagten am 17. Mai 1991 zugestellte Schlußurteil richtet sich ihre am 13. Juni 1991 beim Landesarbeitsgericht Berlin eingelegte Beruf...