Revision zugelassen
Entscheidungsstichwort (Thema)
Neue Bundesländer: Beendigung eines durch Berufung begründeten Arbeitsverhältnisses
Leitsatz (amtlich)
1. Ein durch Berufung gemäß § 61 AGB-DDR begründetes Arbeitsverhältnis kann einseitig nur durch Abberufung, § 62 AGB-DDR, beendet werden.
2. Eine unwirksame Kündigung läßt sich nicht in eine Abberufung umdeuten.
Normenkette
AGB-DDR §§ 61-62; BGB § 140
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Urteil vom 14.08.1991; Aktenzeichen 95 A Ca 14638/91) |
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 14. August 1991 – 95 A Ca 14638/1 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
II. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wurde am 24. September 1990 vom damaligen geschäftsführenden Intendanten des „Rundfunk der DDR” mit Zustimmung des Hörfunkrates gemäß § 61 des Arbeitsgesetzbuches der DDR (AGB-DDR) vom 16. Juni 1977 (GBl. I Nr. 18 S. 185) in der Fassung des Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Arbeitsgesetzbuches der DDR vom 22. Juni 1990 unter Aushändigung einer entsprechenden Urkunde zum stellvertretenden Intendanten berufen. Am selben Tage kam es zwischen den Parteien zum Abschluß eines schriftlichen Arbeitsvertrages, in dem es u.a. heißt:
„§ 7
Dieser Vertrag ist für beide Vertragspartner mit einer Frist von 6 Monaten kündbar. Die Kündigung bedarf zu ihrer Rechtswirksamkeit der Schriftform.”
„§ 10
Der Rundfunk verpflichtet sich, Herrn … im Falle seiner Abberufung von der Funktion des stellvertretenden Intendanten des Rundfunks der DDR auf der Grundlage eines neu zu schließenden Arbeitsvertrages mit einer angemessenen Tätigkeit zu beschäftigen. Die Vergütung ist in der höchsten Tarifgruppe des geltenden Allgemeinen Vergütungstarifvertrages zu vereinbaren.”
Seit dem 3. Oktober 1990, dem Beitritt der Deutschen Demokratischen Republik zur Bundesrepublik Deutschland, werden nach Artikel 36 des Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands vom 24. September 1990 – Einigungsvertrag – der „Rundfunk der DDR” und der „Deutsche Fernsehfunk” als gemeinschaftliche, staatsunabhängige, rechtsfähige Einrichtung der fünf neuen Bundesländer und des damaligen Berlin (Ost) bis spätestens zum 31. Dezember 1991 weitergeführt.
Zu den Aufgaben des Klägers, der zuletzt eine monatliche Bruttovergütung in Höhe von 4.233,– DM erhielt, gehört u.a. die Leitung der Betriebsakademie, die sich vor dem Hintergrund der Schließung der Einrichtung zum Jahresende 1991 insbesondere der Umschulung und Qualifizierung der von Arbeitslosigkeit bedrohten Mitarbeiter widmet.
Am 28. November 1990 erließ der Rundfunkbeauftragte eine Dienstanweisung, in der es heißt:
„Betrifft: Pressearbeit und Auftreten in der Öffentlichkeit
Aus gegebenem Anlaß wird darauf hingewiesen, daß die Einrichtung ausschließlich durch den Rundfunkbeauftragten vertreten wird. Die Presseinformationen aus den Sendern sollen sich auf senderspezifische, vor allem aber auf Programmfragen konzentrieren. Alle darüber hinausgehenden öffentlichen Erklärungen für die Einrichtung, insbesondere über zukünftige Programmentscheidungen, Inhalte, personal-, medien- und geschäftspolitische Entscheidungen sind mit dem Rundfunkbeauftragten oder seinen Stellvertretern abzustimmen.”
Mit Schreiben vom 17. Mai 1991 sprach die Beklagte gegenüber dem Kläger eine Änderungskündigung mit sofortiger Wirkung aus, entband ihn von seiner Funktion als stellvertretender Intendant und bot ihm entsprechend der Regelung des § 10 des Arbeitsvertrages die Fortführung des Arbeitsverhältnisses als verantwortlicher Mitarbeiter für Sonderprojekte an. Für den Fall, daß der Kläger die Fortführung des Arbeitsverhältnisses ablehnen sollte, wurde vorsorglich eine fristlose Kündigung aus wichtigem Grunde bzw. eine Kündigung zum nächst zulässigen Termin ausgesprochen. Im Kündigungsschreiben der Beklagten heißt es u.a.:
„Sehr geehrter Herr …,
bereits mit Schreiben vom 11. Januar 1991 wurden sie wegen Verstößen gegen ihre dienstvertraglichen Treuepflichten sowie gegen die Dienstanweisung 01 abgemahnt. Mitte Februar 1991 haben Sie trotz der Abmahnung vom 11. Januar 1991 erneut gegen die Dienstanweisung 01 durch die eigenmächtige Stellungnahme zum Stand der Neuordnung des Rundfunkwesens verstoßen.
Auch diesbezüglich sind Sie in einem gemeinsam mit dem Rundfunkbeauftragten und dem Justitiar geführten Gespräch abgemahnt worden. Auf arbeitsrechtliche Konsequenzen aus diesem erneuten Verstoß wurde unter ausdrücklichem Hinweis darauf, daß es sich um einen letzten Fall dieser Art handeln müsse, verzichtet.
Am 13. Mai 1991 ließen Sie in epd eine Stellungnahme zum Umschulungsprogramm der Einrichtung veröffentlichen. Ganz abgesehen davon, daß diese Stellungnahme sachlich unrichtig ist, war sie vor Veröffentlichung nicht entsprechend der Dienstanweisung 01 mit dem Rundfunkbeauftragten abgestimmt. Sie haben damit zum dritten Mal in grober Weise gegen Ihre dienstvertraglichen Treuepflichten versto...