Entscheidungsstichwort (Thema)
Interessenausgleich wegen Betriebseinschränkung
Leitsatz (amtlich)
Eine Betriebseinschränkung im Sinne des § 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG durch bloßen Personalabbau in einem wesentlichen Betriebsteil liegt dann erst vor, wenn der Personalabbau bezogen auf die Gesamtbelegschaft die Erheblichkeitsgrenze erreicht.
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 5; BetrVG § 111
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Urteil vom 10.06.2005; Aktenzeichen 28 Ca 3029/05) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 10. Juni 2005 – 28 Ca 3029/05 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
II. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer ordentlichen Kündigung, die die Beklagte, die mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt, auf der Grundlage eines Interessenausgleichs mit Namensliste vom 21. Januar 2005 (Bl. 81 bis 97 d.A.) mit dem Schreiben vom 28. Januar 2005 ausgesprochen hat.
Der Kläger ist seit dem 1. September 2001 als Mitarbeiter Telekommunikationstechnik zu einem Bruttomonatsentgelt von zuletzt 2.815,– EUR in der Zentralverwaltung Berlin der Beklagten beschäftigt.
Zum Zeitpunkt der letzten Betriebsratswahl im Jahr 2002 gab es sechs Gesellschaften, die das operative Filialgeschäft der Beklagten im Bundesgebiet betrieben:
die P. Süd GmbH & Co. KG mit Filialen in Baden-Württemberg, Bayern
Hessen und Rheinland-Pfalz,
- die P. Nord GmbH mit Filialen in Schleswig-Holstein und Niedersachsen,
- die P. West GmbH mit Filialen in Nordrhein-Westfalen,
- die P. Ost GmbH mit Filialen in den neuen Bundesländern,
- die P. City GmbH mit Schallplattenläden und Fotoläden in Berlin,
- die Foto-Radio-W. Filial GmbH & Co. KG mit W.-Fotoläden in Berlin.
Diese Gesellschaften waren unter der P. Holding GmbH & Co. KG angesiedelt und wurden von ihr aufgrund von Gewinn- und Verlustabführungsverträgen beherrscht.
Zugleich gab es bei der P. Holding GmbH & Co. KG eine einheitliche Personalverwaltung in Berlin für alle in den Filialen tätigen Arbeitnehmer. Der dort gebildete Betriebsrat übte die betriebsverfassungsrechtlichen Rechte für alle Arbeitnehmer der Gesellschaften, mit Ausnahme der bei der P. Süd GmbH & Co. KG beschäftigten Arbeitnehmer aus. Dort war bereits zur vorangegangenen Wahl ein Betriebsrat aufgrund eines Tarifvertrags nach § 3 BetrVG einheitlich von allen Arbeitnehmern der Filialen im Süden gewählt worden.
Unter dem 14. November 2001 schlossen die P. Holding GmbH & Co. KG und der bei ihr gebildete Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung (Bl. 98 d.A.), in der sie regelten, dass für die P.-Unternehmensgruppe ein einheitlicher Betriebsrat durch die Beschäftigten der P. Holding GmbH & Co. KG und der fünf Tochtergesellschaften mit Ausnahme der P. Süd GmbH & Co. KG gewählt werden sollte. Entsprechend dieser Betriebsvereinbarung wurde die Betriebsratswahl 2002 durchgeführt. Es bestanden nach den unangefochten gebliebenen Betriebsratswahlen in der P.-Gruppe ein für alle Beschäftigten der P. Süd GmbH & Co. KG zuständiger Betriebsrat und ein für alle Beschäftigten und Betriebsstätten außerhalb dieser Gesellschaft zuständiger Betriebsrat mit 19 Mitgliedern.
In der Folgezeit veränderten sich die gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse der P.-Gruppe. Die Geschäfte und das Vermögen der P. Holding GmbH & Co. KG wurden – verbunden mit einem Betriebsübergang im Sinne des § 613 a BGB – auf die Beklagte übertragen. Nachfolgend gingen die P. Süd GmbH & Co. KG, die P. Nord GmbH, die P. West GmbH, die P. Ost GmbH und die P. City GmbH im Wege von Einzelrechtsnachfolge und Betriebsübergang auf die Beklagte über.
Aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten änderte die Beklagte die Arbeitsorganisation in allen P.-Filialen in Deutschland und schloss mit den Betriebsräten im Februar 2003 jeweils einen Interessenausgleich. Von vormals 3600 Mitarbeitern waren nach den Umstrukturierungen nur noch rund 1800 Mitarbeiter bei der Beklagten tätig.
Unter dem 21. Januar 2005 schloss die Beklagte mit dem von den Beschäftigten der P.-Gruppe mit Ausnahme der Beschäftigten der ehemaligen P. Süd GmbH & Co. KG gewählten Betriebsrat einen Interessenausgleich im Hinblick auf die von der Beklagten beabsichtigte Reduzierung der Anzahl der in der Zentralverwaltung Berlin beschäftigten Mitarbeiter von numerisch vorhandenen 186,1 Vollzeitarbeitsplätzen um 33 Arbeitsplätze. Im Interessenausgleich ist unter anderem festgehalten, dass sich die Arbeitsmenge im Bereich IT-Systembetrieb um 17 % reduziert habe. Danach sollte die Anzahl der dort beschäftigten Mitarbeiter von 18,0 PP auf 15,0 PP reduziert werden. Die von der Kündigung betroffenen Mitarbeiter sind in einer Namensliste aufgeführt, der Kläger ist als Nr. 4 genannt. Der Interessenausgleich enthält ferner eine „Namensliste der Leistungsträger”, in der 15 Mitarbeiter des Bereichs IT-Systembetrieb aufgeführt sind. Wegen des weiteren Inhalts des Interessenausgleichs vom 21. Januar 2005 wird auf die Fotokopie (...