Entscheidungsstichwort (Thema)

Kündigungsschutz in Kleinbetrieben. Treuwidrigkeit einer Kündigung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine Kündigung ist jedenfalls dann nicht treuwidrig i.S.v. § 242 BGB, wenn diese Kündigung bei Eingreifen des Kündigungsschutzgesetzes wirksam gewesen wäre und andere Gründe, die von § 1 KSchG nicht erfaßt sind, nicht vorliegen.

2. Es gehört zur unternehmerischen Entscheidungsfreiheit, die Zahl der Arbeitsplätze festzulegen, mit der der Unternehmer ein unternehmerisches Ziel verfolgt. Deshalb ist auch die bloße Entscheidung, Arbeitsplätze auf Dauer abzubauen, um z.B. Kosten zu sparen, grundsätzlich nur auf offenbare Unsachlichkeit, Unvernünftigkeit oder Willkür überprüfbar. Inwiefern der Arbeitsplatz des zu kündigenden Arbeitnehmers durch diese Maßnahme betroffen ist, hat der Arbeitgeber jedenfalls im Rahmen einer Plausibilitätskontrolle darzulegen.

 

Normenkette

KSchG § 1 Abs. 1-2, § 23 Abs. 1; BGB § 242

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Urteil vom 22.02.1999; Aktenzeichen 35 Ca 1834/99)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 22. Februar 1999 – 35 Ca 1834/99 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Kündigung des nicht dem Kündigungsschutzgesetz unterliegenden Arbeitsverhältnisses der Klägerin.

Die am 11. Januar 1943 geborene Klägerin, die verheiratet ist und ihren Kindern nicht mehr unterhaltspflichtig ist, ist seit dem 2. September 1985 bei dem Beklagten in Berlin in dessen Zahnarztpraxis als Zahnarzthelferin gegen ein monatliches Bruttogehalt von zuletzt 4.200, – DM bei einer 38-Stunden-Woche beschäftigt.

Sie war zunächst aufgrund eines befristeten Arbeitsvertrages (vgl. dazu den Arbeitsvertrag in Kopie Bl. 59 d.A.), später aufgrund eines unbefristeten Vertrages als Vertreterin der schwangeren, später im Erziehungsurlaub befindlichen Ehefrau des Beklagten mit allen in der Rezeption der Zahnarztpraxis anfallenden Arbeiten beschäftigt, aber auch mit der Assistenz bei unmittelbaren, zahnärztlichen Tätigkeit.

Neben der Klägerin ist seit geraumer Zeit auch die Ehefrau des Beklagten wieder bei diesem im Umfang ca. 20 Stunden wöchentlich tätig, sie erledigt Buchhaltungsarbeiten und die Vorbereitung der Steuerunterlagen. Ferner beschäftigt der Beklagte eine 26-jährige ledige ungelernte Zahnärzthelferin in Vollzeit für ein monatliches Bruttogehalt von 2.600, – DM seit 1994, die ausschließlich am Zahnarztstuhl tätig ist, und eine Reinigungskraft.

Der Beklagte hat in den letzten Jahren Honorareinbußen hinzunehmen. Er entschloß sich daher, die Tätigkeit der Klägerin durch seine Ehefrau miterledigen zu lassen, bot der Klägerin an, den Arbeitsplatz der ungelernten Zahnarzthelferin mit dem Bruttogehalt von 2.600, – DM pro Monat zu übernehmen, was diese ablehnte, und kündigte ihr mit Schreiben vom 28. Dezember 1998, welches ihr am gleichen Tag zuging, zum 31. Mai 1999 (vgl. dazu das Kündigungsschreiben in Kopie Bl. 9 d.A.).

Mit ihrer beim Arbeitsgericht Berlin am 18. Januar 1999 eingegangenen und dem Beklagten am 5. Februar 1999 zugestellten Klage hat sich die Klägerin gegen diese Kündigung gewendet. Sie hat diese für treuwidrig im Sinne von § 242 BGB gehalten. Unter Bezugnahme auf den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Januar 1998 (EzA § 23 KSchG Nr. 17) und des Arbeitsgerichts Reutlingen vom 20. Oktober 1998 (EzA 3 242 BGB Vertrauensschutz Nr. 1) hat sie ausgeführt, daß ein gewisses Maß an sozialer Rücksichtnahme auch bei Arbeitsverhältnissen geboten sei, auf die das Kündigungsschutzgesetz grundsätzlich keine Anwendung finde. Dies habe insbesondere dann zu gelten, wenn bei einer Kündigung eine Auswahl zwischen mehreren Beschäftigte zu treffen sei. Das durch langjährige Mitarbeit erdiente Vertrauen in den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses dürfe bei einer Interessenabwägung nicht unberücksichtigt bleiben. Eine derartige langjährige Mitarbeit liege schon dann vor, wenn der Arbeitnehmer mindestens das fünfunddreißigste Lebensjahr vollendet und dem Betrieb mindestens 10 Jahre angehört hätte. Eine solche Fallgestaltung würde hier vorliegen, da die Klägerin über ein entsprechendes Lebensalter und eine Dauer der Betriebszugehörigkeit zum Zeitpunkt der Kündigung verfügt habe. Auch sei die Klägerin unter Beachtung der Kriterien einer erforderlichen Sozialauswahl in höherer Weise zu schätzen als andere Arbeitnehmer des Betriebes.

Die Klägerin hat beantragt

festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die fristgemäße Kündigung des Beklagten vom 28. Dezember 1998 nicht aufgelöst wurde.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat die Kündigung auch unter der Berücksichtigung der beiden Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und des Arbeitsgerichts Reutlingen für wirksam gehalten, da die Kündigung allein aus Kostenersparnisgründen ausgesprochen worden sei.

Das Arbeitsgericht Berlin hat die Klage mit Urteil vom 22. Februar 1999 durch den Vorsitzenden allein gemäß § 55 Abs. 3 Ar...

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