Entscheidungsstichwort (Thema)

Fristlose Dienstentlassung eines DO-Angestellten. Zum Umfang der gerichtlichen Überprüfung der Wirksamkeit einer Dienststrafmaßnahme. Grundsatz der Verhältnismäßigkeit/Ermessensausübung. Abweichung von BAG AP Nr. 31 zu § 611 BGB Dienstordnungsangestellte

 

Normenkette

DO der IKK der Friseure und des Gastgewerbes Berlin § 23

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Urteil vom 18.06.1996; Aktenzeichen 90 Ca 4830/96)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 18. Juni 1996 – 90 Ca 4830/96 – wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger zu 2/3, die Beklagte zu 1/3 zu tragen.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten noch über die Wirksamkeit einer die sofortige Entlassung des Klägers aus dem Dienst unter Verlust des Anspruches auf Besoldung sowie seiner Versorgungsanwartschaft beinhaltenden Disziplinarverfügung der Beklagten.

Der am 20. Mai 1942 geborene, verheiratete und einem Kind zum Unterhalt verpflichtete Kläger ist bei einem Bruttomonatsverdienst von zuletzt 4.922,47 DM seit dem 1. September 1961 als Dienstordnungsangestellter bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin tätig. Bis zum 31. Dezember 1992 war er als Innenrevisor eingesetzt. Mit Wirkung zum 1. Januar 1993 wurden dem Kläger die Leitung der Rezeptprüfstelle und die Aufgabe der Kontierung von Krankenhausrechnungen übertragen. Mit Schreiben vom 25. Mai 1993 sowie vom 12. August, 9. September und 29. Dezember 1993 erhielt der Kläger Ermahnungen. Mit einer Disziplinarverfügung vom 28. Februar 1994 (Bl. 166 d.A.) wurde dem Kläger eine einmalige Geldbuße von 2.000,– DM auferlegt und ihm gleichzeitig „für den Fall der Fortsetzung der Widersätzlichkeit die Entfernung aus dem Dienst” angedroht. Der Kläger zahlte diese Geldbuße.

Vor dem Hintergrund erheblicher Fehlzeiten des Klägers in der Zeit vom 28. April 1988 bis zum 7. Januar 1990 sowie nach Darstellung der Beklagten seit Ende 1991 wiederholt aufgetretener Beschwerden von Mitarbeitern und Verhaltensauffälligkeiten des Klägers unterzog sich dieser am 7. Januar 1994 auf Veranlassung der Beklagten einer Personaluntersuchung nach § 77 des Landesbeamtengesetzes, wegen deren Ergebnis im einzelnen auf Bl. 633 bis 637 d.A. verwiesen wird, die mit folgendem Befund endete:

„…

Aufgrund der heutigen Untersuchung, auch unter Berücksichtigung der Anamnese mit der depressiven Erkrankung zwischen 1988 und 1990, die wahrscheinlich auf die Veränderung am Arbeitsplatz zurückzuführen ist und eine massive Kränkung bedeutete, findet sich bei Herrn R. kein krankheitswertiger Befund, der eine Dienstunfähigkeit rechtfertigt.

…”

Mit Schreiben vom 2. Mai 1994 (Bl. 245 d.A.) forderte die Beklagte den Kläger auf, wegen des Verdachts der Schwäche seiner geistigen Kräfte zu einer Nachuntersuchung zur Feststellung seiner Dienstfähigkeit zu erscheinen. Schriftlichen Anweisungen der Beklagten vom 5. Mai und 8. Juni 1994 (Bl. 246 bis 248 d.A.) zur Teilnahme an einer psychologischen Untersuchung mit Testverfahren und folgendem Gespräch kam er nicht nach.

Unter dem 4. Juli 1994 wurde der Kläger gemäß § 31 Abs. 1 der Dienstordnung der Beklagten vorläufig vom Dienst enthoben (Bl. 175 bis 177 d.A.). Unter Berufung auf etwaige formelle Mängel des Verfahrens wurde dieser Bescheid mit Schreiben vom 22. August 1994 (Bl. 178 bis 179 d.A) aufgehoben und dem Kläger mitgeteilt, daß wegen des Verdachts eines Dienstvergehens disziplinarische Vorermittlungen gegen ihn durchgeführt würden.

Nach deren Abschluß teilte die Beklagte dem Kläger unter dem 18. Januar 1995 unter anderem mit, daß gegen ihn ein förmliches Disziplinarverfahren eröffnet und er mit sofortiger Wirkung gemäß § 31 Abs. 1 der Dienstordnung vorläufig des Amtes enthoben würde.

Am 30. Dezember 1995 ging dem Kläger ein Schreiben der Beklagten vom Vortage zu, in dem diese die Disziplinarmaßnahme der Entfernung aus dem Dienst mit sofortiger Wirkung gegen ihn verfügte, die gleichzeitig den Verlust des Anspruches auf Besoldung, seiner Versorgungsanwartschaft und der Befugnis zur Führung seiner Dienstbezeichnung sowie den Ausschluß der Hinterbliebenenversorgung zur Folge haben sollte (Bl. 7 bis 11 d.A.).

Den dagegen gerichteten Einspruch des Klägers vom 26. Januar 1996 wies die Beklagte mit einem diesem am 17. Mai 1996 zugegangenen Schreiben vom 24. April 1996 zurück.

Mit seiner ursprünglich auf Zahlung von der Beklagten zurückgeforderter Vergütungsbestandteile gerichteten, in der Folgezeit mehrfach erweiterten und geänderten Klage hat sich der Kläger gegen die Beendigung seines Dienstordnungs-Angestelltenverhältnisses gewendet und daneben sowohl die Verurteilung der Beklagten zu seiner einstweiligen Weiterbeschäftigung als auch zur Zahlung der vollen Vergütung für die Monate Februar bis Juni 1996 nebst vermögenswirksamen Leistungen begehrt.

Er hat die Auffassung vertreten, die Disziplinarmaßnahme wäre bereits aus formellen Gründen unwirksam; denn ihm wäre weder ausreichende Akteneinsicht noch recht...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge