Entscheidungsstichwort (Thema)
fristlose Kündigung wegen Internetpräsentation zu im Betrieb anstehenden Trennungsgesprächen. Vergleiche mit nationalsozialistischen Unrechtstaaten und Trennungsgesprächen in einer Internetpräsentation mit Dateinamen „Schlachtbank gif” als wichtiger Grund für eine außerordentliche fristlose Kündigung eines Betriebsratsmitglieds
Leitsatz (redaktionell)
1. Zwar sind die Arbeitnehmer grundsätzlich berechtigt, unternehmensöffentliche Kritik am Arbeitgeber und den betrieblichen Verhältnissen zu äußern, die auch überspitzt und polemisch ausfallen kann. In grobem Maße unsachliche Angriffe, die zur Untergrabung der Position eines Vorgesetzten führen oder Arbeitskollegen grob beleidigen können, wenn sie eine ernstliche Störung des Betriebsfriedens verursachen, muss der Arbeitgeber aber nicht hinnehmen
2. Können grobe Beleidigungen des Arbeitgebers und/oder seiner Vertreter oder Repräsentanten einerseits oder von Arbeitskollegen andererseits, die nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den bzw. die Betroffenen bedeuten, einen erheblichen Verstoß des Arbeitnehmers gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten darstellen, so sind bei der Ausgestaltung der vertraglichen Rücksichtnahmepflichten des Arbeitnehmers die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen, insbesondere die Grundrechte nach Art. 5 GG zu beachten. Das Grundrecht der Meinungsfreiheit wird jedoch nicht schrankenlos gewährt, sondern insbesondere durch das Recht der persönlichen Ehre beschränkt und muss in ein ausgeglichenes Verhältnis mit diesem gebracht werden. Kündigungsrechtlich ausschlaggebend ist nicht etwa die strafrechtliche Beurteilung. Eine einmalige Ehrverletzung wiegt kündigungsrechtlich umso mehr, je unverhältnismäßiger und überlegter sie ausgeführt wurde.
Normenkette
BGB § 626; BetrVG § 103
Verfahrensgang
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Teil-Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 13. Februar 2004 – 28 Ca 32904/03 – abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
II. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen fristlosen Kündigung.
Der am … 1964 geborene, verheiratete und einem Kind unterhaltsverpflichtete Kläger ist seit 1. Februar 1986, ab 1994 als Betriebsorganisator gegen ein Arbeitsentgelt von zuletzt 3.750,– EUR brutto monatlich bei der Beklagten tätig. Er ist Gründungsmitglied der aus Anlass der Personalratswahl bei der L. B. Girozentrale im Dezember 2000 ins Leben gerufenen konzernübergreifenden Arbeitnehmerinitiative „F.W.”, die inzwischen auch konzernfremde Mitglieder hat und unter dem Domännamen www.f. w. – online.de eine Internetpräsenz unterhält, wobei die Rechte an der Nutzung der Domän vom Kläger gehalten werden. In der Internetpräsenz „F.W.” befinden sich u.a. die Rubriken „Schwarzes Brett” als Diskussionsforum und „Newsletter”, eine elektronisch verteilte Zeitung („W.”), über spezielle Zugangsdaten ausschließlich für Konzernmitarbeiter zugänglich.
Der Kläger ist seit dem Jahre 2000 ordentliches Betriebsratsmitglied. Er wurde im Mai 2002 über die Liste „F.W.” wiederum in den Betriebsrat gewählt und ist seit 24. September 2003 dessen Vorsitzender. Seine engagierte Mitarbeit war von der Beklagten anerkannt; bis August 2003 verlief das Arbeitsverhältnis beanstandungsfrei.
Vor dem Hintergrund schwerwiegender wirtschaftlicher Probleme hat die Beklagte konzernweit mit den Mitarbeitervertretungen eine Sanierungsvereinbarung vom 30. April 2002 abgeschlossen, innerhalb derer der zur Erreichung der erforderlichen Personalreduzierung notwendige Personalabbau von 500 Arbeitsplätzen im Jahre 2003 soweit wie möglich auf freiwilliger Basis einvernehmlich und sozialverträglich gestaltet werden sollte. Zur Vorbereitung eines einvernehmlichen Ausscheidens von Mitarbeitern führte die Beklagte so genannte Trennungsgespräche. Im März 2003 und dann erneut im Juli und August 2003 hat sie Personalmitarbeiter und Führungskräfte in der Führung von Trennungsgesprächen geschult. Als Mitglied des Betriebsrats, nahm der Kläger auch an einem Seminar über das Führen von Trennungsgesprächen im März 2003 teil. Der Betriebsrat gab in einem Bericht an die Arbeitnehmer vom 18. August 2003 eine Stellungnahme zum Betreff „Trennungsgespräche” ab, nachdem am 14. August 2003 der Leiter Personal der Beklagten in einem Mitarbeiterbrief darauf hingewiesen hatte, dass in den nächsten Wochen gezielt mit einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus dem im Frühjahr benannten Überhang Gespräche hinsichtlich ihres Ausscheidens aus dem Konzern bzw. in Einzelfällen zu Versetzungen geführt werden sollten, um die für die Sanierung notwendige Personalreduktion erreichen zu können. Ebenfalls am 18. August 2003 stellte der Kläger unter dem Internetauftritt „F.W.” eine innerhalb von 26 Sekunden unmittelbar b...