Entscheidungsstichwort (Thema)
Geltung des BAT-O bzw. BAT („Rückkehrerfall”). Bedeutung der in einem Mustervertrag enthaltenen Bezugnahme auf den BAT
Leitsatz (amtlich)
1. Haben die Arbeitsvertragsparteien in einem Mustervertrag auf den BAT verwiesen, so erwirbt der Arbeitnehmer in der Regel einen vertraglichen Anspruch auf die aus dem BAT folgenden Leistungen, selbst wenn das Arbeitsverhältnis ohne die Verweisung nur dem BAT-O unterfallen würde. Derartige Verweisungsklauseln haben konstitutive, nicht nur deklaratorische Bedeutung (gegen die Rechtsprechung des BAG zur sogenannten „korrigierenden Rückgruppierung”).
2. Der BAT gilt in den neuen Bundesländern räumlich neben dem BAT-O, persönlich jedoch nur für diejenigen Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnisse in den alten Bundesländern begründet worden sind.
3. Wird hiernach ein Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes, dessen Arbeitsverhältnis in West-Berlin begründet wurde und dem BAT unterfällt, auf Dauer zur Arbeitsleistung in den Ostteil Berlins versetzt, so bleibt für ihn die Geltung des BAT erhalten.
4. Wird einem Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes, dessen Arbeitsverhältnis im Ostteil Berlins begründet worden ist und dem BAT-O unterfällt, auf Dauer ein Arbeitsplatz im Westteil Berlins zugewiesen, und äußert der Arbeitgeber dabei keine Absicht, den Arbeitnehmer zu einem späteren Zeitpunkt wieder in den Osten umzusetzen, so geht der räumliche Bezug des Arbeitsverhältnisses zum Beitrittsgebiet verloren; das Arbeitsverhältnis unterfällt dann (auf Dauer) dem BAT, selbst wenn der Arbeitnehmer später doch wieder in den Osten umgesetzt wird.
Normenkette
BAT § 1; BAT-O § 1; BGB §§ 133, 157
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Urteil vom 21.04.1997; Aktenzeichen 93 Ca 41154/96) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 21. April 1997 – 93 Ca 41154/96 –teilweise geändert:
Es wird festgestellt, daß auf das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Wirkung ab Mai 1996 der BAT (West) weiterhin anzuwenden ist.
II. Von den Kosten der ersten Instanz werden bei einem Kostenstreitwert von 37.867,65 DM der Beklagten 36/37, der Klägerin 1/37 auferlegt.
Die Kosten der Berufungsinstanz werden bei einem Kostenstreitwert von 36.844,20 DM in vollem Umfang der Beklagten auferlegt.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob auf ihr Arbeitsverhältnis östliches oder westliches Tarifrecht (BAT/BAT-O) anzuwenden ist (Ost-West-Ost-Fall).
Die 1939 geborene (früher bei der Akademie der Wissenschaften der DDR beschäftigte, keiner Gewerkschaft angehörende) Klägerin trat mit Wirkung ab 1. März 1991 als technische Angestellte in die Dienste der Beklagten im Bereich der … und …, und zwar für eine Tätigkeit in einem Umweltlabor, welches in … bei … untergebracht war. Diesen Standort gab die Beklagte zu einem nicht mitgeteilten Zeitpunkt nach Vertragsschluß auf und verlagerte das Labor auf ihr Stammgelände in … in Westberlin; nach Behauptung der Klägerin wurde ihr der neue Arbeitsplatz in … bereits zwei Wochen nach Vertragsbeginn zugewiesen, nach Behauptung der Beklagten jedenfalls mit Wirkung ab 1. Juli 1991. Unter dem 12. Februar 1992 schlossen die Parteien einen schriftlichen Arbeitsvertrag (Kopie Bl. 19 f. d.A.). in dem dennoch als vorläufiger Einsatzort … genannt war und dessen § 2 lautete:
„Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem BAT-O und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen sowie nach den für Angestellte des Bundes im Gebiet nach Art. 3 des Einigungsvertrages jeweils geltenden sonstigen Regelungen.”
Unter dem 24. Februar 1993 teilte die Beklagte der Klägerin mit (Kopie Bl. 21 d.A.), ihr ständiger Arbeitsplatz befinde sich seit dem 1. Januar 1992 auf dem Stammgelände in Berlin …. Am selben Tag unterzeichneten die Parteien einen neuen schriftlichen Vertrag (Kopie Bl. 22 f. d.A.), dessen § 2 lautet:
„Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Arbeitgeber geltenden Fassung. Außerdem finden die für den Arbeitgeber jeweils geltenden sonstigen Tarifverträge Anwendung.”
In § 7 ist weiter vereinbart:
„Der am 12.02.1992 geschlossene Arbeitsvertrag in der Fassung vom 24.02.1992 endet einvernehmlich mit Ablauf des 31.12.1991.”
Mit Wirkung ab 1. Mai 1996 verlagerte die Beklagte das Umweltlabor mit seinen fünf Mitarbeitern nach … in Ostberlin. Im Juli 1996 teilte sie der Klägerin mit, die Vergütung nach BAT (inzwischen: Vergütungsgruppe III der Anlage 1a) werde ab der Umsetzung nur noch unter Vorbehalt gezahlt. Durch Schreiben vom 10. September 1996 (Kopie Bl. 64 d.A) forderte die Beklagte von der Klägerin Rückzahlung der Differenz zwischen West- und Ostvergütung und teilte weiter – gegen den Widerspruch des Personalrats – mit:
„Auf Ihr Arbeitsverhältnis findet nunmehr der BAT-O Anwendung. Ab 1. Oktober 1996 erhalten Sie daher Vergütung nach BAT-O.”
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer am ...