Entscheidungsstichwort (Thema)
Befristung. „Gesamtvertretungsbedarf” im Schulbereich
Leitsatz (amtlich)
Zur Wirksamkeit einer Befristung, die mit einem „Gesamtvertretungsbedarf” im gesamten Schulbereich (alle Schulzweige) des Landes Berlin begründet wurde.
Normenkette
BGB § 620
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Urteil vom 31.10.1996; Aktenzeichen 92 Ca 26821/96) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 31. Oktober 1996 – 92 Ca 26821/96 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
II. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über eine Befristung und über den Umfang der Beschäftigungsverpflichtung des Arbeitgebers.
Die Klägerin, die über eine fachwissenschaftliche Ausbildung zur Lehrerin in zwei Fächern, Mathematik und Geographie, verfügt, wird vom beklagten Land seit 25. November 1994 im Bezirk … beschäftigt, und zwar an der dortigen … Grundschule als Lehrkraft in der Tätigkeit einer Lehrerin an einer Grund- oder Hauptschule. Das Arbeitsverhältnis – mit 26,5 Unterrichtsstunden, d.h. voller Stundenzahl – war zunächst für die Zeit bis 28. Juni 1995 befristet; als Befristungsgrund ist im Vertrag die Vertretung einer beurlaubten Frau … angegeben. Für die Zeit 29. Juni 1995 bis 19. Juni 1996 erhielt die Klägerin einen Anschlußvertrag (Kopie Bl. 89 f. d. A.), in dem als Befristungsgrund die Beurlaubung einer Frau … angegeben ist. Frau … unterrichtet an einem Gymnasium …, über ihre Unterrichtsfächer ist nichts vorgetragen.
Nachdem die Klägerin mit ihrer am 01. Juli 1996 beim Arbeitsgericht Berlin eingereichten Klage sich gegen die Befristung gewandt und ihre tatsächliche Weiterbeschäftigung verlangt hatte, erhielt sie unter dem 02. August 1996 (noch vor Zustellung der Klage) einen weiteren Anschlußvertrag (Kopie Bl. 215 f. d. A.), diesmal jedoch nur im Umfang von 17 Unterrichtsstunden pro Woche. Als Befristungsgrund ist diesmal die Beurlaubung eines Herrn … angegeben; über dessen Schule und Unterrichtsfächer ist wiederum nichts bekannt. Bei Unterzeichnung des Vertrages verwies die Klägerin ausdrücklich auf eine Anlage, die sie wie folgt formulierte:
„Mit der Unterzeichnung des heute mir vorgelegten weiteren Arbeitsvertrages verzichte ich nicht auf meine Rechte, den Bestand eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses, insbesondere aufgrund des letzten befristeten Vertrages vom 16.08.1995 gerichtlich zu überprüfen lassen. Keinesfalls will ich mit der Unterschrift unter den heutigen Arbeitsvertrag ein meiner Meinung nach bereits bestehendes unbefristetes Arbeitsverhältnis auflösen.
Die Klägerin hat behauptet, das Land Berlin übe seit Jahren die Praxis, Neueinstellungen im Lehrerbereich jeweils nur innerhalb befristeter Arbeitsverhältnisse vorzunehmen, die dann sukzessive in unbefristete Dauerstellungen umgewandelt würden (insoweit unstreitig). Sachliche Gründe für diese Befristungen bestünden nicht, jedenfalls nicht in ihrem Falle. In Wahrheit befriedige das beklagte Land mit den befristeten Einstellungen einen gleichbleibenden Dauerbedarf, der dringend abgedeckt werden müsse.
Die Klägerin hat beantragt,
- festzustellen, daß zwischen den Parteien ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zu den Bedingungen des Arbeitsvertrages vom 16.08.1995 besteht;
- hilfsweise für den Fall der Klagestattgabe des Feststellungsantrages,
- den Beklagten zu verurteilen, die Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluß dieses Rechtsstreits weiterzubeschäftigen.
Das beklagte Land hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es hat behauptet, bei der Einstellung der Klägerin habe es diese stellenwirtschaftlich der zu vertretenden Lehrkraft zugeordnet und sich im übrigen am Vertretungsbedarf im Bereich des Landesschulamtes insgesamt orientiert. Einstellungen würden zur Deckung des entstandenen Gesamtvertretungsbedarfs vorgenommen, also ausschließlich zum Ersatz von befristet abwesenden Dauerarbeitskräften, die nach beamten- oder tarifrechtlichen Regelungen beurlaubt sind, ihre regelmäßige Arbeitszeit zeitlich reduzieren, sich im Freistellungsjahr eines Sabbaticals, im Erziehungsurlaub oder im Mutterschutz befinden oder langfristig erkrankt sind. Der Gesamtvertretungsbedarf werde schuljahresbezogen ermittelt, wenn auch die exakten Zahlen jeweils erst nach Beginn des Schuljahres (und nach Abschluß der entsprechenden befristeten Verträge) vorlägen. Angesichts der geringen Schwankungen in den letzten Jahren sei dies aber unerheblich. Im Schuljahr 1995/96 seien rund 1260 Lehrer befristet beschäftigt worden, was rund 1030 Stellenäquivalente ergebe. Bezogen auf die Gesamtzahl von rund 36000 Lehrkräften im Land Berlin, die auf Dauer beschäftigt würden, betrage der Vertretungspersonalbestand 3,5 %, während tatsächlich abwesende Lehrer (Angestellte und Beamte) im Umfang von 2917 Stellenäquivalenten hätten vertreten werden müssen; im einzelnen wird insoweit auf die Ausführungen in der Klageerwiderung vom 12. September 1996, Seite 2 bis 7 (Bl. 12 bis 17 d.A.) verw...