Entscheidungsstichwort (Thema)

Urkundsvorlage. Analogie

 

Leitsatz (amtlich)

1. Gemäß § 142 Abs. 1 Satz 1 ZPO kann die Anordnung der Vorlage einer Urkunde, die sich im Besitz einer Partei oder eines Dritten befindet, nur bei entsprechend substantiiertem Vortrag zum Inhalt dieser Urkunde getroffen werden.

2. Kündigt der Arbeitnehmer sein Arbeitsverhältnis zum 1. April, so muss er sich nicht analog § 162 Abs. 1 BGB so behandeln lassen, als habe sein Arbeitsverhältnis bereits zum 31. März geendet, wenn er zu diesem Tag die Kündigungsfrist nicht hätte wahren können.

 

Normenkette

BGB § 162 Abs. 1, § 622 Abs. 4; GG Art. 20 Abs. 3; ZPO § 142 Abs. 1 S. 1, §§ 424, 428

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Urteil vom 30.07.2002; Aktenzeichen 34 Ca 13297/02)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 30. Juli 2002 – 34 Ca 13292/02 – im Kostenausspruch und insoweit geändert, wie die Klage über einen Betrag von 1.931,79 EUR brutto nebst Zinsen hinaus abgewiesen worden ist, und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 902,83 EUR brutto (neunhundertzwei 83/100) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 24. Mai 2002 zu zahlen.

2. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin zu 68,15 % und die Beklagte zu 31,85 % zu tragen.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin stand seit dem 14. Oktober 1991 als Altenpflegerin in den Diensten der Beklagten. Auf ihr Arbeitsverhältnis fand der Bundes-Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Arbeiterwohlfahrt vom 1. November 1977 (BMT-AW II) kraft Bezugnahme Anwendung. Mit Schreiben vom 29. Januar 2002 kündigte die Klägerin ihr Arbeitsverhältnis zum 1. April 2002. Sie begehrt deshalb Schadenersatz wegen Minderverdienstes in einem Folgearbeitsverhältnis sowie Schmerzensgeld wegen Mobbings durch die Personalleiterin der Beklagten. Außerdem wendet sie sich gegen eine Verrechnung ihres Anspruchs auf einen Krankengeldzuschuss mit einer Rückforderung ihrer Sonderzuwendung für das Jahr 2001 durch die Beklagte.

Das Arbeitsgericht Berlin hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe keine konkreten, einer Beweisführung zugänglichen Tatsachen hinsichtlich ihrer Behandlung durch die Personalleiterin der Beklagten behauptet, weshalb ihr weder ein Schmerzensgeld noch Ersatz eines Einkommensverlustes zustehe. Ein Anspruch auf Zahlung der Sonderzuwendung für das Jahr 2001 sei nicht gegeben, weil dieser gemäß § 46 Abs. 1 Nr. 3 BMT-AW II voraussetze, dass der Arbeitnehmer nicht bis zum 31. März des folgenden Kalenderjahres aus seinem Verschulden oder auf eigenen Wunsch ausgeschieden sei. Die Klägerin, die keinen nachvollziehbaren triftigen Kündigungsgrund i.S.d. § 626 BGB für sich reklamieren könne, müsse sich so behandeln lassen, als wirkte ihre Kündigung zum 31. März 2002 und nicht zum in § 39 Abs. 2 BMT-AW II nicht vorgesehenen Kündigungsdatum des Ersten eines Monats. Dies folge schon aus dem Rechtsgedanken des § 162 BGB.

Gegen dieses ihr am 26. August 2002 zugestellte Urteil richtet sich die am folgenden Tag eingelegte und am 9. Oktober 2002 begründete Berufung der Klägerin. Sie behauptet, sich mit der Vertrauensfrau der Schwerbehinderten im Betrieb der Beklagten in Verbindung gesetzt zu haben, die über Zeitpunkt, Umfang und Intensität des Mobbings Protokoll geführt habe, und beantragt, der Beklagten aufzugeben, diese Protokolle vorzulegen. Da die Kündigung aus gesundheitlichen Gründen zwingend erforderlich gewesen sei und ärztlichem Rat entsprochen habe, könne sie auch Auszahlung der in Abzug gebrachten Sonderzuwendung verlangen.

Die Klägerin beantragt,

unter Änderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an sie 2.834,62 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie tritt den Angriffen der Berufung im einzelnen entgegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

1. Die Berufung ist nur teilweise begründet.

1.1 Die Klägerin hat keinen vertraglichen oder deliktischen Schadenersatzanspruch auf Ausgleich eines Verdienstausfalls und Zahlung eines Schmerzensgeldes gemäß §§ 823 Abs. 1, 847 Abs. 1 BGB. Ihr Vorbringen hinsichtlich eines sog. Mobbings durch die Personalleiterin der Beklagten ist auch in der Berufungsinstanz zu unsubstantiiert geblieben, um Gegenstand einer Beweisaufnahme zu sein. Eine solche wäre vielmehr auf eine Ausforschung der als Zeugin benannten Vertrauensfrau der Schwerbehinderten hinausgelaufen. Deshalb kam auch nicht in Betracht, der Beklagten oder der Vertrauensfrau eine Vorlage deren Protokolle gemäß §§ 142 Abs. 1 Satz 1, 424, 428 ZPO aufzugeben (vgl. Zekoll/Bold NJW 2002, 3129, 3130).

1.2 Die Klägerin hat Anspruch au...

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