Entscheidungsstichwort (Thema)

Mobbing. Auflösungsschaden. Prozesskündigung. Teilkostenentscheidung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Für einen Schadenersatzanspruch wegen sog. Mobbings muss erkennbar sein, dass Maßnahmen des Arbeitgebers aus Anlass einer Betriebsänderung gegen die Person des Arbeitnehmers gerichtet waren und nicht bloß den Inhalt oder den Bestand dessen Arbeitsverhältnisses betrafen. Dafür genügt die Wahrnehmung vermeintlicher Rechte nicht, wenn aus dabei gemachten Fehlern nicht zu schließen ist, dass der Arbeitnehmer damit gezielt zermürbt werden sollte.

2. Der Arbeitnehmer ist nicht zur außerordentlichen Kündigung seines Arbeitsverhältnisses gemäß § 626 Abs. 1 BGB berechtigt, wenn der Arbeitgeber vor Eintritt der Rechtskraft des der Kündigungsschutzklage stattgebenden Berufungsurteils noch nicht zu einer vertragsgemäßen Beschäftigung zurückkehrt, sondern lediglich eine Zwischenbeschäftigung zur Minderung seines sog. Verzugslohnrisikos gemäß § 615 Satz 2 BGB anbietet.

 

Normenkette

BGB § 626 Abs. 1, § 628 Abs. 2, § 823 Abs. 1, § 847 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Teilurteil vom 09.07.2002; Aktenzeichen 91 Ca 33465/01)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird die Kostenentscheidung im Teilurteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 9. Juli 2002 – 91 Ca 33465/01 – aufgehoben und dem Schlussurteil vorbehalten.

2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

3. Die Klägerin hat die Kosten der Berufung zu tragen.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin stand seit dem 1. Januar 1992 als Leiterin der Röntgenabteilung der vom Beklagten zu 1 betriebenen K.-B.-N.klinik (KBN) in dessen Diensten. Die Kündigungsfrist war im Dienstvertrag (Ablichtung Bl. 27-34 d.A.) mit sechs Monaten zum Schluss eines Kalendervierteljahrs vereinbart. Ab dem 7. November 2000 wurde der Klägerin eine Genehmigung zur Privatliquidation erteilt.

Im Anschluss an die Fusion der KBN mit dem H.-Krankenhaus zum Krankenhausbetrieb R. ab 1. Januar 1997 wurden Planbetten der Klägerin verlagert und die in ihrer Abteilung beschäftigten Medizinisch-Technischen Röntgenassistentinnen in die Röntgenabteilung des H.-Krankenhauses versetzt. Auf ihre Klage stellte das LAG Berlin durch Urteil vom 7. Juli 2000 – 8 Sa 832/00 – fest, dass der Beklagte zu 1 nicht zu einer Beschränkung der Untersuchungen in ihrer Abteilung auf zwei Tage in der Woche berechtigt war.

Die zum 30. Juni 2000 beschlossene Schließung der Abteilung der Klägerin wurde auf den 31. Dezember 2000 verschoben. Die zum selben Termin ausgesprochene Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses wurde von der Frauenvertreterin wegen nicht hinreichender Beteiligung beanstandet.

Durch Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 2. Oktober 2000 – 93 Ca 18814/00 – wurde der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses der Klägerin festgestellt und der Beklagte zu 1 zu ihrer Weiterbeschäftigung verurteilt. Zu einer Weiterbeschäftigung kam es jedoch nicht, wogegen die Klägerin mehrere Dienstaufsichtsbeschwerden einlegte. Ihr Antrag auf Zwangsvollstreckung des Beschäftigungsanspruchs wurde am 4. April 2001 zurückgewiesen. Auch der Versuch, eine einstweilige Verfügung auf Beschäftigung zu erwirken, blieb erfolglos.

Die von der Beklagten zu 2 als Rechtsnachfolger des Beklagten zu 1 eingelegte Berufung im Kündigungsschutzprozess wies das LAG Berlin durch Urteil vom 29. Juni 2001 – 19 Sa 2827/00 – zurück. Die gegen die Nichtzulassungsbeschwerde der Revision eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde wurde vom Bundesarbeitsgericht im November 2001 zurückgewiesen. Über die zugleich beim Bundesverfassungsgericht eingelegte Verfassungsbeschwerde liegt noch keine Entscheidung vor.

Gleichwohl zahlte die Beklagte zu 2 das rückständige Gehalt der Klägerin unter Vorbehalt aus und forderte sie mit Schreiben vom 15. Oktober 2001 (Ablichtung Bl. 171-174 d.A.) zur Arbeitsaufnahme am 18. Oktober 2001 als Funktionsärztin für röntgenologische Untersuchungen im Bereich der Notfallversorgung des H.-Krankenhauses auf. Für den Fall, dass die Klägerin nicht zur Arbeit erscheinen sollte, kündigte die Beklagte zu 2 die Einstellung weiterer Gehaltszahlungen an. Daraufhin kündigte die Klägerin ihr Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 30. Oktober 2001 fristlos zum folgenden Tag, an dem dieses bei der Beklagten zu 2 einging, die noch am selben Tag schriftlich ihr Einverständnis mit einer sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses erklärte.

Die Klägerin ist der Ansicht, der Beklagte zu 1 habe sie durch sein Vorgehen zermürben und zur Eigenkündigung ihres Arbeitsverhältnisses veranlassen wollen. Infolge ihrer Nichtbeschäftigung sei ihr in den Monaten Januar bis Oktober 2001 die Möglichkeit der Privatliquidation entgangen, wobei sie zur Bezifferung ihres Schadens Auskunft über die Einnahmen des Chefarztes der Röntgenabteilung im H.-Krankenhaus verlangt.

Das Arbeitsgericht Berlin hat die Klage durch Teilurteil abgewiesen und der Klägerin „die Kosten des Rechtsstreits” auferlegt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, ein Anspruch der Klägeri...

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