Entscheidungsstichwort (Thema)

Alleinentscheidungskompetenz des Kammervorsitzenden beim LAG bei Säumnis des Berufungsbeklagten. Bedeutung der Nichtbeachtung der Berufungserwiderungsfrist des § 66 Abs. 1 Satz 2 ArbGG. Fristlose Kündigung einer Malergesellin wegen grober Beleidigung und rechtswidriger Drohung gegenüber einem leitenden Mitarbeiter des Arbeitgebers

 

Leitsatz (amtlich)

1. Es spricht vieles dafür, daß im Falle des § 55 Abs. 1 Nr. 4 ArbGG (Säumnis einer Partei) dem Kammervorsitzenden auch im Berufungsverfahren nicht nur ein Alleinentscheidungsrecht, sondern auch eine entsprechende unverzichtbare Pflicht zusteht, ohne Beteiligung der ehrenamtlichen Richter zu entscheiden.

2. Die Rechtsfolgen bei Nichtbeachtung der Berufungsbeantwortungsfrist, § 66 Abs. 1 Satz 2 ArbGG, richten sich allein nach § 67 Abs. 2 ArbGG.

3. Grobe Beleidigungen und rechtswidrige Drohungen des Arbeitnehmers gegenüber einem leitenden Angestellten als Kündigungsgrund im Sinn von § 626 Abs. 1 BGB.

 

Normenkette

BGB § 626 Abs. 1; ArbGG § 55 Abs. 1 Nr. 4, § 64 Abs. 7, § 66 Abs. 1 S. 2; ZPO §§ 301, 333, 341, 542 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Urteil vom 23.06.1997; Aktenzeichen 9 Sa 52/97)

ArbG Berlin (Urteil vom 17.12.1996; Aktenzeichen 52 Ca 15156/96)

 

Tenor

I. Die Entscheidung aus dem Versäumnisurteil vom 23. Juni 1997 – 9 Sa 52/97 – wird aufrechterhalten.

II. Die weiteren Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

 

Tatbestand

Die 1963 geborene Klägerin trat im November 1995 als Malergesellin gegen einen Stundenlohn von 24,– DM bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden, und zwar montags bis freitags von 6.00 Uhr bis 15.00 Uhr, in die Dienste der Beklagten, die einen Betrieb des Malergewerbes betreibt und zu 100 % Malerarbeiten ausführt.

In den Monaten Februar und März 1996 war die Klägerin in Berlin auf der Baustelle H.straße eingesetzt. Für Februar 1996 zog die Beklagte der Klägerin wegen unentschuldigten Fehlens den Lohn für drei Arbeitstage ab. Für März 1996 erteilte sie der Klägerin eine Abrechnung, die lediglich 174 Arbeitsstunden auswies.

Mit Schreiben vom 3. April 1996 kündigte die Beklagte den Arbeitsvertrag der Klägerin fristgerecht zum 15. Mai 1996.

In der Zeit vom 15. bis 19. April und vom 1. bis 15. Mai 1996 war die Klägerin arbeitsunfähig krankgeschrieben.

Mit Schreiben vom 17. April 1996 kündigte die Beklagte den Arbeitsvertrag der Klägerin fristlos. Im Kündigungsschreiben heißt es unter anderem:

„…

Am 16.04.1996 haben Sie schwerwiegend gegen Ihre Pflichten als Arbeitnehmerin verstoßen, und zwar haben Sie unserem leitenden Angestellten gegenüber folgende Äußerungen getätigt:

  1. massive körperliche Androhungen,
  2. Androhung von Brandstiftung
  3. div. Kraftausdrücke

Diese v. g. Drohungen machen es für uns unzumutbar, das Arbeitsverhältnis bis zum 15. Mai 1996 fortzuführen.

Im übrigen behalten wir uns Stellung eines Strafantrages vor.

Außerdem sind Sie am 15., 16. und 17.04.1996 der Arbeit unentschuldigt ferngeblieben.

…”

Mit der beim Arbeitsgericht Berlin am 4. Mai 1996 eingegangenen und der Beklagten am 14. Mai 1996 zugestellten Klage hat sich die Klägerin gegen die von der Beklagten ausgesprochene außerordentliche fristlose Kündigung gewandt und die Auffassung vertreten, daß diese rechtsunwirksam sei. Sie hat die im Kündigungsschreiben enthaltenen Vorwürfe bestritten und in Abrede gestellt, daß am 16. April 1996 das fragliche Telefongespräch stattgefunden habe. Schon deshalb, so hat die Klägerin ausgeführt, habe sie die behaupteten Beleidigungen und Bedrohungen nicht ausgesprochen. Sie sei vielmehr am 16. April 1996 den ganzen Tag über in ihrer Wohnung gewesen und habe auch nicht telefoniert.

Sie habe nicht am 21. und 22. Februar 1996, sondern lediglich am 15. oder 16. Februar 1996 gefehlt, so daß die Beklagte nicht berechtigt gewesen sei, bei der Lohnabrechnung für Februar 1996 zwei Arbeitstage abzuziehen. Folglich stünde ihr noch eine Arbeitsvergütung in Höhe von 384,– DM brutto für Arbeiten auf der Baustelle H.straße zu.

In der Lohnabrechnung für März 1996 seien neun Überstunden, die die Beklagte ausdrücklich angeordnet habe, nicht mit dem entsprechenden Zuschlag von 25 % vergütet worden. Deshalb, so hat die Klägerin gemeint, könne sie von der Beklagten einen Betrag in Höhe von 54,– DM brutto verlangen.

Des weiteren hat die Klägerin für den Monat April 1996 für die Zeit nach dem Ausspruch der fristlosen Kündigung die Vergütung für 72 Arbeitsstunden á 24,– DM in Höhe von 1.728,– DM brutto und für die Zeit vom 1. bis 15. Mai 1996 88 Stunden in Höhe von insgesamt 2.112,– DM brutto verlangt.

Im Kammertermin vor dem Arbeitsgericht Berlin am 24. September 1996 ist für die Beklagte trotz ordnungsgemäßer Ladung niemand erschienen. Die Klägerin hat deshalb unter Klagerücknahme im übrigen beantragt,

im Wege eines Versäumnisurteils festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 17. April 1996 nicht beendet worden ist und die Beklagte zu verurteilen, an sie 4.278,– DM brutto ne...

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