Entscheidungsstichwort (Thema)
Ernsthaftigkeit einer Bewerbung (Freifrau von G.)
Leitsatz (redaktionell)
An der Ernsthaftigkeit einer Bewerbung um eine Arbeitsstelle fehlt es, wenn von dem Bewerber / der Bewerberin in der Vergangenheit in einer Vielzahl von Rechtsstreitigkeiten Arbeitgeber auf Zahlung von Schadensersatz wegen geschlechtsbezogener Diskriminierung aufgrund nicht geschlechtsneutraler Stellenausschreibung in Anspruch genommen worden sind.
Normenkette
BGB § 611a
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Urteil vom 21.01.2004; Aktenzeichen 35 Ca 5288/03) |
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 21. Januar 2004 – 35 Ca 5288/03 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
II. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um einen Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Schadensersatz wegen geschlechtsbezogener Benachteiligung im Zusammenhang mit einer erfolglosen Bewerbung der Klägerin bei der Beklagten als Sekretärin.
Die Klägerin ist männlichen Geschlechts. Sie ist transsexuell. Sie ist berechtigt, einen weiblichen Namen zu tragen. Im Verhandlungstermin vom 14.07.2004 erschien die Klägerin ihrer äußeren Erscheinung nach als Mann.
Auf die Anzeige der Beklagten in der Berliner Morgenpost bewarb sich die Klägerin mit Schreiben vom 03.02.2003 als Sekretärin. Mit Schreiben der Beklagten vom 19.02.2003 erhielt sie eine Ablehnung. Deswegen hat die Klägerin mit ihrer beim Arbeitsgericht am 25.02.2003 eingegangenen Klage die Beklagte auf Zahlung von Schadensersatz wegen geschlechtsbezogener Benachteiligung in Anspruch genommen.
Die Klägerin – vormals auch „der Kläger” – hat in einer Vielzahl mit dem vorliegenden Rechtsstreit vergleichbarer Fälle Arbeitgeber wegen geschlechtsbezogener Benachteiligung auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Bei den Gerichten für Arbeitssachen Berlin waren deswegen in der Vergangenheit eine Vielzahl von Prozessen anhängig. Ob über diese Prozesse hinaus die Klägerin – quasi wie ein Abmahnverein – potentielle Arbeitgeber, die keine geschlechtsneutralen Anzeigen geschaltet hatten, auf Schadensersatz in Anspruch nahm, entzieht sich der Kenntnis des Gerichts. Insoweit ist eine Vermutung nahe liegend. Denn auch im vorliegenden Rechtsstreit wandte sich die Klägerin mit Schreiben vom 24.03.2003 an die Beklagte und bot an, bei Zahlung eines Betrages im Wege des Vergleichs die Klage zurückzunehmen.
Aufgrund Diskriminierung wegen des Geschlechts waren bei den Gerichten für Arbeitssachen Berlin – soweit bekannt – folgende Rechtsstreitigkeiten der Klägerin (des Klägers) rechtshängig:
Aktenzeichen |
Forderung der Klägerin |
Ergebnis des Rechtsstreits |
16 Ca 10311/01 |
15.000,00 DM |
Vergleich: 500,00 DM |
2 Ca 12046/01 |
12.000,00 DM |
Klagerücknahme |
4 Ca 12048/01 |
15.000,00 DM |
Vergleich: 300,00 DM |
36 Ca 15877/01 |
12.000,00 DM |
Vergleich: 500,00 DM |
30 Ca 12285/01 |
12.000,00 DM |
Vergleich: 250,00 DM |
30 Ca 12286/01 |
12.000,00 DM |
Vergleich: 250,00 DM |
72 Ca 14937/01 |
12.000,00 DM |
Vergleich: 300,00 DM |
85 Ca 12311/01 |
15.000,00 DM |
Klagerücknahme |
49 Ca 16084/01 |
12.000,00 DM |
Vergleich: 1000,00 DM |
49 Ca 21101/00 |
angemessenes Schmerzensgeld |
Vergleich: 500,00 DM |
78 Ca 16082/01 |
12.000,00 DM |
Klagerücknahme |
56 Ca 16787/01 |
12.000,00 DM |
Klagerücknahme |
54 Ca 18699/01 |
12.000,00 DM |
2. VU ./. Klägerin |
37 Ca 14936/01 |
12.000,00 DM |
VU ./. Klägerin |
38 Ca 20313/01 |
12.000,00 DM |
Ruhen des Verfahrens |
39 Ca 13439/01 |
15.000,00 DM |
2. VU ./. Klägerin |
39 Ca 13442/01 |
15.000,00 DM |
2. VU ./. Klägerin |
78 Ca 16081/01 |
12.000,00 DM |
2. VU ./. Klägerin |
26 Ca 17996/01 |
12.000,00 DM |
Ruhen des Verfahrens |
1 Ca 18701/01 |
12.000,00 DM |
Urteil ./. Klägerin |
3 Sa 18/02 |
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1. Instanz Urteil./. Klägerin |
(54 Ca 18698/01) |
12.000,00 DM |
2. Instanz VU./. Klägerin |
19 Sa 2327/01 |
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1. Instanz Urteil./. Klägerin |
(81 Ca 11135/01) |
9.000,00 DM |
2. Instanz Beschluss nach |
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§ 519 b ZPO ./. Klägerin |
18 Sa 2125/01 |
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1. Instanz Urteil./. Klägerin |
(78 Ca 16080/01) |
12.000,00 DM |
2. Instanz Urteil./. Klägerin |
7 Sa 2214/01 |
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1. Instanz Urteil ./. Klägerin |
(2 Ca 12047/01) |
6.000,00 DM |
2 Instanz VU ./. Klägerin |
36 Ca 4445/03 |
1 – 3 Monatsverdienste |
Vergleich: 500,00 EUR |
noch offene Verfahren: |
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10 Ca 4773/04 |
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Wegen des Vortrags der Parteien in erster Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 118 f. d.A.) verwiesen.
Unter Aufrechterhaltung eines Versäumnisurteils vom 10. September 2003 hat das Arbeitsgericht die Klage mit Urteil vom 21. Januar 2004 abgewiesen. Wegen der Begründung wird auf den Inhalt der arbeitsgerichtlichen Entscheidung (Bl. 117 – 122 d.A.) Bezug genommen.
Gegen das ihr am 12. Februar 2004 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat die Klägerin am 19. Februar 2004 Berufung eingelegt und diese mit einem beim Landesarbeitsgericht am 07. April 2004 eingegangenen Schriftsatz begründet.
Die Klägerin vertritt die Auffassung, die geschlechtsspezifische Anzeige der Beklagten, die Frauen bevorzuge, sei für Frauen sexuell diskriminierend. Wenn spezifisch eine Frau gesucht werde, könne daraus geschlossen werden, dass eine Frau mit weibliche...