Entscheidungsstichwort (Thema)
Erklärt der Arbeitgeber bei einer Anhörung des Arbeitnehmers zu vermeintlichen Kündigungsgründen, er erwäge den Aussprch einer Änderungskündigung, verstößt eine ohne Änderung der Sachlage erklärte Beendigungskündigung gegen Treu und Glauben. Änderungskündigung. Verdachtskündigung. Widersprüchliches Verhalten. Treuwidrige Kündigung
Normenkette
BGB § 242
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Urteil vom 16.06.2004; Aktenzeichen 42 Ca 25475/03) |
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 16. Juni 2004 – 42 Ca 25475/03 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
II. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten vor allem über die Wirksamkeit einer ordentlichen Verdachtskündigung.
Die Klägerin war bei der Beklagten bzw. ihren Rechtsvorgängern seit dem 1. September 1983 tätig und wurde zuletzt als Sachbearbeiterin Kasse/Zolldienst im Hafen M. beschäftigt. Der Ehemann der Klägerin stand zunächst ebenfalls in einem Arbeitsverhältnis zu der Beklagten und wechselte mit Wirkung zum 1. April 1999 zu einem Konkurrenzunternehmen.
Die Klägerin geriet in den Verdacht, sie habe Geschäftsgeheimnisse an ihren Ehemann verraten, um diesem eine Abwerbung von Kunden zu ermöglichen. Die Beklagte führte deshalb zunächst am 24. April 2003 ein Personalgespräch mit der Klägerin, in dem konkrete Einzelheiten noch nicht zur Sprache kamen; auch wurde der Kläger eine Weiterbeschäftigung im Seehafen R. angeboten. Nach einer weiteren Anhörung der Klägerin am 17. Juni 2003 räumte die Beklagten der Klägerin mit einem Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 18. Juni 2003 eine Frist zur Stellungnahme bis zum 24. Juni 2003 ein. In dem an den Prozessbevollmächtigten der Klägerin gerichteten Schreiben heißt es:
„Des Weiteren teilen wir mit, dass sich unsere Mandantschaft an das mit Datum vom 30. April 2003 Ihrer Mandantin unterbreitete Änderungsvertragsangebot auf Weiterbeschäftigung im Seehafen R. bis zum 24. Juni 2003 gebunden hält. Sofern innerhalb dieser Frist von Seiten Ihrer Mandantschaft eine Annahme des Angebotes nicht erfolgt, wird die Einleitung arbeitsrechtlicher Schritte durch Ausspruch einer verhaltensbedingten Änderungskündigung nach ordnungsgemäßer Beteiligung des Betriebsrats erfolgen.”
Nachdem die Klägerin unter dem 24. April 2003 eine Stellungnahme zu den Vorwürfen abgegeben hatte, übersandte die Beklagte der Klägerin eine eidesstattliche Versicherung eines ihrer Mitarbeiter mit der Bitte um Kenntnisnahme und Stellungnahme bis zum 18. Juli 2003. Sie kündigte das Arbeitsverhältnis der Klägerin nach Anhörung des Betriebsrats mit Schreiben vom 20. August 2003 zum 31. März 2004.
Mit ihrer Klage hat sich die Klägerin gegen die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gewandt und eine tarifliche Zuwendung für das Jahr 2003 gefordert. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Von der weiteren Darstellung des erstinstanzlichen Sachverhalts wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage durch ein am 16. Juni 2004 verkündetes Urteil entsprochen. Der Sachvortrag der Beklagten rechtfertige den gegen die Klägerin erhobenen Verdacht nicht. Auch hätte die Beklagte die Klägerin im Seehafen R. weiterbeschäftigen können. Da die Kündigung unwirksam sei, stehe der Klägerin die begehrte Zuwendung für das Jahr 2003 zu. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.
Gegen dieses ihr am 14. Juli 2004 zugestellte Urteil richtet sich die am 23. Juli 2004 eingelegte Berufung der Beklagten, die sie mit einem am 14. September 2004 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet hat.
Die Beklagte hält die Kündigung unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens weiterhin für rechtswirksam. Es habe der dringende Verdacht bestanden, dass die Klägerin mehrfach ihrem Ehemann geholfen habe bzw. habe helfen wollen, Kunden abzuwerben. Sie könne das Arbeitsverhältnis deshalb nicht mehr fortsetzen, wobei auch eine Weiterbeschäftigung der Klägerin im Seehafen R. nicht in Betracht komme. Wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses stehe der Klägerin auch die geforderte Zuwendung nicht zu.
Die Beklagte beantragt,
die Klage unter Änderung des Urteils des Arbeitsgerichts Berlin vom 16. Juni 2004 – 42 Ca 25475/03 – abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Die gegen sie erhobenen Vorwürfe seien unberechtigt. Auch habe sie nach dem Schreiben der Beklagten vom 18. Juni 2003 angenommen, dass ihr gegenüber allenfalls eine Änderungskündigung ausgesprochen werde.
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf den Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist unbegründet.
Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die Kündigung vom 20. August 2003 nicht aufgelöst worden. Die Beklagte ist daher auch verpflichtet...