Leitsatz (amtlich)

Vereinbarung der Anwendung einer tarifvertraglichen Vergütungsregelung aufgrund von Willenserklärungen und tatsächlichen Umständen

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Urteil vom 21.09.1994; Aktenzeichen 57 Ca 14776/94)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 22.01.1997; Aktenzeichen 5 AZR 499/95)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das am 21. September 1994 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Berlin – 57 Ca 14776/94 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Im vorliegenden Rechtsstreit begehrt die Klägerin die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung der Differenz zwischen der ihr tatsächlich gezahlten Vergütung und der tariflichen Vergütung für die Zeit vom 1. Oktober 1993 bis zum 31. Juli 1994 sowie die Differenz zwischen dem ihr im Jahre 1993 tatsächlich gezahlten Weihnachtsgeld und dem nach den Tarifvertrag zu zahlenden Weihnachtsgeld.

Die Klägerin ist Mitglied der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen. Die Beklagte ist nicht tarifgebunden.

Die Parteien unterzeichneten an 1. März 1991 einen schriftlichen Anstellungsvertrag, in dem es unter anderem heißt:

§ 4 Entgelt K 2 / nach den 7. Berufsjahr

  1. Das monatliche Bruttogehalt, zahlbar am 01. des folgenden Monats, beträgt 1.580,– DM.

  2. Die Sonderzuwendung (Weihnachtsgeld), zahlbar am 01.12. eines jeden Jahres, beträgt 50 % des derzeitigen monatlichen Bruttogehaltes.

Später erhielt die Klägerin ein Schreiben der Beklagten vom 1. September 1991, in dem es heißt:

Ergänzung zum Anstellungsvertrag

Entsprechend der tariflichen Regelung HBV wird ab 01.09.1991 die monatliche Bruttovergütung

wie folgt festgelegt:

1.800,– DM

Gehaltsgruppe: K 2 / nach dem 7. Berufsjahr.

In einem im übrigen gleichlautenden Schreiben vom 31. Dezember 1991 wurde der Klägerin mitgeteilt, daß ab 1. Januar 1992 die monatliche Brutto Vergütung auf 1.900– DM festgelegt werde.

Vom 1. April 1992 an erhielt die Klägerin eine Vergütung in Höhe von 2.050,– DM und vom 1. Juli 1994 an eine solche in Höhe von 2.097,– DM.

Der Tarifvertrag über Gehälter, Löhne und Ausbildungsvergütungen für den Einzelhandel in den östlichen Verwaltungsbezirken des Landes Berlin, abgeschlossen von dem Einzelhandelsverband Berlin e.V., seit 1992: Gesamtverband des Einzelhandels Land Berlin e.V., einerseits und der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen – Landesbezirk Berlin – andererseits, sah in den an 21. Februar 1991, am 28. April 1992, am 23. April 1993 und am 31. Mai 1994 vereinbarten Fassungen für Angestellte der Gehaltsgruppe K 2 nach dem 7. Berufsjahr jeweils folgende Vergütung vor:

ab 1.02.1991:

1.580,– DM,

ab 1.09.1991:

1.800,– DM,

ab 1.01.1992:

1.900,– DM,

ab 1.04.1992:

2.050,– DM,

ab 1.10.1992:

2.125,– DM,

ab 1.12.1992:

2.230,– DM,

ab 1.05.1993:

2.431,– DM,

ab 1.05.1994:

2.531,– DM und

ab 1.10.1994:

2.631,– DM.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Parteien hätten die Vergütung dem Tarifrecht unterstellt. Die Beklagte hat demgegenüber den Standpunkt vertreten, der Tarifvertrag finde auf das Arbeitsverhältnis keine Anwendung. – Wegen der Einzelheiten des Sachvortrages der Parteien in der ersten Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 4.253,50 DM brutto nebst 4 % Zinsen auf den sich aus 2.857,50 DM brutto ergebenden Nettobetrag seit dem 1. Juni 1994 und auf den sich aus 1.396,– DM brutto ergebenden Nettobetrag seit dem 22. August 1994 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Durch am 21. September 1994 verkündetes Urteil hat das Arbeitsgericht nach dem Klageantrag erkannt und dies damit begründet, daß sich aus der Regelung in § 4 des Arbeitsvertrages unmißverständlich der Wille der Parteien ermitteln lasse, der Klägerin solle das jeweilige Tarifgehalt zustehen. – Wegen der weiteren Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.

Das Urteil ist der Beklagten am 24. Oktober 1994 zugestellt worden. Die Berufung der Beklagten ist am 23. November 1994 beim Landesarbeitsgericht eingegangen und mit einem – nach Fristverlängerung bis zum 13. Januar 1995 – am 12. Januar 1995 eingegangenen Schriftsatz vom selben Tage wie folgt begründet worden:

Eine wirksame Tarifbindung sei zwischen den Parteien nicht vereinbart worden. Die Bezugnahme auf die Gehaltsgruppe K 2 im Arbeitsvertrag habe lediglich zur Orientierung bei der Vereinbarung des Eingangsgehaltes gedient. Diese Orientierung sei darauf zurückzuführen gewesen, daß die Rechtsvorgängerin tarifgebunden gewesen sei. Gegen die arbeitsvertragliche Vereinbarung des Tarifgehalts spreche außerdem, daß Formulierungen wie „Tarifgehalt” oder „Eingruppierung” fehlten. Diese Bezeichnungen hätten nahegelegen, wenn eine Gehaltsvereinbarung dem Tarifvertrag hätte unterstellt werden sollen. Auch die beiden Mitteilungsschreiben vom 1. September 1991 und 31. Dezember 1991 gäben für eine Auslegung, daß das Gehalt dem Tarifvertrag entnommen werden solle, nichts her. Läge tatsächlich eine Tar...

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