Entscheidungsstichwort (Thema)
Einzelvertragliche Vereinbarung des Tarifgehalts
Normenkette
BGB §§ 133, 157
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 18. Mai 1995 – 7 Sa 137/94 – wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin Anspruch auf das Tarifgehalt und das tarifliche Weihnachtsgeld hat.
Die Klägerin, Mitglied der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen, ist bei der Beklagten, die nicht tarifgebunden ist, seit dem 1. März 1991 als Fachverkäuferin beschäftigt. Zuvor war sie bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten tätig, die tarifgebunden war.
Im Arbeitsvertrag vom 1. März 1991 heißt es u.a.:
„§ 4 Entgelt K 2/nach dem 7. Berufsjahr
1. Das monatliche Bruttogehalt, zahlbar am 01. des folgenden Monats, beträgt
DM 1.580,–.
…
3. Die Sonderzuwendung (Weihnachtsgeld), zahlbar am 01.12. eines jeden Jahres, beträgt 50 % des derzeitigen monatlichen Bruttogehaltes.
…”
Der Tarifvertrag über Gehälter, Löhne und Ausbildungsvergütungen für den Einzelhandel in den östlichen Verwaltungsbezirken des Landes Berlin, abgeschlossen von dem Einzelhandelsverband Berlin e.V. (seit 1992: Gesamtverband des Einzelhandels Land Berlin e.V.) und der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen – Landesbezirk Berlin –, sah in den am 21. Februar 1991, am 28. April 1992, am 23. April 1993 und am 31. Mai 1994 vereinbarten Fassungen für Angestellte der Gehaltsgruppe K 2 nach dem 7. Berufsjahr jeweils folgende Vergütung vor:
ab 1.02.1991 |
1.580,– DM |
ab 1.09.1991 |
1.800,– DM |
ab 1.01.1992 |
1.900,– DM |
ab 1.04.1992 |
2.050,– DM |
ab 1.10.1992 |
2.125,– DM |
ab 1.12.1992 |
2.230,– DM |
ab 1.05.1993 |
2.431,– DM |
ab 1.05.1994 |
2.531,– DM |
ab 1.10.1994 |
2.631,– DM. |
Die Beklagte zahlte zunächst ein Monatsgehalt von 1.580,00 DM. Sie erhöhte es zum 1. September 1991 auf 1.800,00 DM und zum 1. Januar 1992 auf 1.900,00 DM. Das Schreiben vom 1. September 1991 hat folgenden Wortlaut:
„Ergänzung zum Anstellungsvertrag
Entsprechend der tariflichen Regelung HBV wird ab 01.09.1991 die monatliche Bruttovergütung wie folgt festgelegt:
DM 1.800,00
Gehaltsgruppe: K 2/nach dem 7. Berufsjahr.”
Mit einem im übrigen gleichlautenden Schreiben vom 31. Dezember 1991 wurde der Klägerin die Gehaltserhöhung zum 1. Januar 1992 mitgeteilt. Vom 1. April 1992 erhielt die Klägerin ein Monatsgehalt von 2.050,00 DM und vom 1. Juli 1994 an ein Monatsgehalt von 2.097,00 DM.
Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin für die Monate Oktober 1993 bis Juli 1994 Zahlung der Differenz zwischen dem tariflichen Monatsgehalt der Tarifgruppe K 2 nach dem 7. Berufsjahr und der ihr tatsächlich gezahlten Vergütung sowie die Differenz zwischen dem bei Zugrundelegung des tariflichen Monatsgehalts zu zahlenden Weihnachtsgeld und dem ihr tatsächlich gezahlten Weihnachtsgeld, beides in rechnerisch unstreitiger Höhe. Sie hat die Auffassung vertreten, in § 4 des Arbeitsvertrags seien ausdrücklich das Tarifentgelt, das tarifvertragliche Urlaubsgeld sowie die tarifvertraglichen Sonderzuwendungen vereinbart worden.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 4.253,50 DM brutto nebst 4 % Zinsen auf den sich aus 2.857,50 DM brutto ergebenden Nettobetrag seit dem 1. Juni 1994 und auf den sich aus 1.396,00 DM brutto ergebenden Nettobetrag seit dem 22. August 1994 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen: Aus § 4 des Arbeitsvertrags ergebe sich kein Anspruch auf das jeweilige Tarifgehalt. Die Bezugnahme auf die Gehaltsgruppe K 2 habe lediglich zur Orientierung bei der Vereinbarung des Eingangsgehalts gedient. Gegen die arbeitsvertragliche Vereinbarung des Tarifgehalts spreche außerdem, daß Formulierungen wie „Tarifgehalt” oder „Eingruppierung” fehlten. Auch ihre Schreiben vom 1. September und 31. Dezember 1991 sprächen nicht für den Standpunkt der Klägerin. Läge tatsächlich Tarifbindung vor, wären Mitteilungsschreiben in dieser Form gerade nicht notwendig gewesen. Diese Schreiben hätten vielmehr konstitutiven Charakter.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten blieb erfolglos. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Die Auslegung des Arbeitsvertrages durch die Vorinstanzen ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
I. Die Vorinstanzen haben § 4 des Arbeitsvertrags vom 1. März 1991 dahin ausgelegt, daß die Parteien einzelvertraglich den einschlägigen Gehaltstarifvertrag in der jeweiligen Fassung in Bezug genommen hätten. Sie haben ferner angenommen, daß der Wille der Beklagten zur Bindung an den jeweiligen Tarifvertrag durch die Übereinstimmung des im schriftlichen Arbeitsvertrag genannten Eingangsgehalts mit dem zu dieser Zeit maßgebenden Tarifgehalt und durch die drei Erhöhungen zum 1. September 1991, 1. Januar 1992 und 1. April 1992 entsprechend den zu diesen Zeitpunkten erfolgten Tariflohnerhöhungen bestätigt worden sei. Die Klägerin habe nach § 4 Abs. 3 des Arbeitsvertrages auch Anspruch auf eine Zuwendung (Weihnachtsgeld) in Höhe von 50 % des jeweiligen monatlichen Bruttogehalts. So habe auch die Beklagte diese Klausel verstanden. Denn sie habe später 50 % des dann tatsächlich gezahlten höheren Gehalts als Sonderzuwendung geleistet.
II. Diese Auslegung hält der revisionsgerichtlichen Überprüfung stand.
1. Die Auslegung nichttypischer Willenserklärungen ist nach ständiger Rechtsprechung in der Revisionsinstanz nur daraufhin überprüfbar, ob sie gegen gesetzliche Auslegungsregeln, anerkannte Auslegungsgrundsätze, Denkgesetze, Erfahrungssätze oder Verfahrensvorschriften verstößt oder wesentliche Umstände unberücksichtigt läßt, und ob sie rechtlich möglich ist (BAGE 55, 53 = AP Nr. 131 zu §§ 22, 23 BAT; BGH Urteil vom 31. Januar 1995 – XI ZR 56/94 – ZIP 1995, 658).
Im Streitfall geht es um die Auslegung nichttypischer Erklärungen. Zwar liegt dem Arbeitsvertrag vom 1. März 1991 ein Formular zugrunde. Jedoch geht es hier entscheidend um die Bedeutung der maschinenschriftlichen Einfügung „K 2/nach dem 7. Berufsjahr” in dem vorformulierten Vertragstext.
2. Danach ist die Auslegung von § 4 des Arbeitsvertrages durch die Vorinstanzen nicht zu beanstanden. Das Landesarbeitsgericht hat alle wesentlichen Umstände berücksichtigt und weder gegen allgemein anerkannte Auslegungsregeln noch gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen.
a) Die Auslegung der Vorinstanzen ist nicht nur möglich, sondern naheliegend. § 4 des Arbeitsvertrags ist so zu verstehen, daß sich die Beklagte zur Zahlung des jeweiligen tariflichen Gehalts der Tarifgruppe „K 2/nach dem 7. Berufsjahr” verpflichtete. Es fehlt jeder Anhaltspunkt dafür, daß diese Worte nur zur Orientierung bei der Vereinbarung des Eingangsgehalts dienten, wie die Beklagte auch in der Revisionsinstanz geltend macht. Sie finden sich vielmehr in der Überschriftszeile des § 4 und enthalten keine Einschränkungen auf einen bestimmten Zeitraum. Auch optisch wird damit die Bezugnahme auf „K 2/nach dem 7. Berufsjahr” besonders hervorgehoben.
b) Das Landesarbeitsgericht hat weiter zu Recht angenommen, daß diese Auslegung des Vertrags durch die zeitgleich mit den Tariflohnerhöhungen von der Beklagten gewährten Gehaltserhöhungen ab 1. September 1991, 1. Januar 1992 und 1. April 1992 bestätigt wird. Auch insoweit hat das Landesarbeitsgericht revisible Rechtsfehler nicht begangen. Es hat zutreffend darauf hingewiesen, daß der Hinweis „Gehaltsgruppe: K 2/nach dem 7. Berufsjahr”, der sich sowohl in dem Schreiben vom 1. September 1991 als auch in dem Schreiben vom 31. Dezember 1991 findet, überflüssig wäre, wenn es sich um eine konstitutive Mitteilung handeln würde. Zudem hat die Beklagte das Gehalt zum 1. April 1992 ohne eine besondere zusätzliche Erklärung erhöht. Das deutet daraufhin, daß sie selbst von einer entsprechende Rechtspflicht aufgrund Arbeitsvertrages ausging.
c) Schließlich ist dem Landesarbeitsgericht darin zu folgen, daß sich die Sonderzuwendung (Weihnachtsgeld) auf 50 % des jeweiligen monatlichen Bruttogehalts beläuft. Hätte die Beklagte nur 50 % des anfänglich 1.580,00 DM betragenden Monatsgehalts, also 790,00 DM zusagen wollen, dann hätte sie diesen Betrag und nicht einen bestimmten Prozentsatz des Gehalts in § 4 Nr. 3 des Arbeitsvertrags aufnehmen dürfen.
Unterschriften
Griebeling, Schliemann, Reinecke, Werner, Ackert
Fundstellen