Revision zugelassen
Entscheidungsstichwort (Thema)
Ruhensregelung. Darlegungslast. vertraglicher Anspruch besonders benachteiligter Gruppen auf angemessene Berücksichtigung bei Weiterverwendung. Schadenersatz
Leitsatz (amtlich)
1. Für die gesetzliche Folge des (aktiven) Fortbestandes von Arbeitsverhältnissen gemäß Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Ziff. 1 Abs. 2 Satz 1 der Anlage I zum Einigungsvertrag ist nicht zwingende Voraussetzung eine (verbale) Überführungsentscheidung des zuständigen Hoheitsträgers in bezug auf die betreffende (Teil-)Einrichtung, sondern die Regelung knüpft an die Tatbestandsvoraussetzung der tatsächlichen Fortführung dieser Einrichtung durch einen Hoheitsträger („Soweit Einrichtungen … überführt werden”).
2. Im Falle einer solchen tatsächlichen Fortführung ist selbst eine voraufgegangene (verbale) Auflösungsentscheidung in bezug auf die betreffende (Teil-)Einrichtung unschädlich. Diese bürdet allerdings den auf Feststellung eines fortbestehenden Arbeitsverhältnisses klagenden Arbeitnehmern die Darlegungslast für tatsächliche Anhaltspunkte auf, welche auf eine reale Überführung der Einrichtung schließen lassen.
3. Hierfür reicht es nicht aus, auf den Fortbestand von Aufgaben der vormaligen (Teil-)Einrichtung und deren Erledigung durch den neuen Hoheitsträger zu verweisen, weil nicht die weiterbestehenden Aufgaben, sondern die Überführung der (Teil-)Einrichtung als einer organisatorisch abgrenzbaren Funktionseinheit den Fortbestand von Arbeitsverhältnissen der dort beschäftigten Arbeitnehmer auslösen.
4. Fortbestehende Aufgabenerledigung kann jedoch, zumal wenn dies in denselben Räumen und mit einem Teil der bisherigen Mitarbeiter geschieht, Indizwirkung für die tatsächliche Überführung der (Teil-)Einrichtung entfalten mit der Folge, daß der verklagte Hoheitsträger unter Schilderung der konkreten Abwicklungsschritte die tatsächliche Umsetzung der Auflösungsentscheidung darlegen und beweisen muß.
5. Hat im Falle einer stattgefundenen Abwicklung der neue Hoheitsträger wegen fortbestehender Aufgaben der vormaligen (Teil-)Einrichtung einer Mehrzahl der dort zuvor Beschäftigten aus dem Wartestand weiter verwendet, so handelt es sich insoweit um die Besetzung von Stellen im öffentlichen Dienst. Hierbei haben die vom Arbeitsplatzverlust besonders betroffenen Gruppen unter den Warteständlern der vormaligen (Teil-)Einrichtung, namentlich Schwerbehinderte, ältere Arbeitnehmer und Alleinerziehende, einen vertraglichen Anspruch auf angemessene Berücksichtigung. Die vom Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 24. April 1991 – 1 BvR 1341/90 – insoweit vorgenommene verfassungskonforme Auslegung der Ruhensregelung des Einigungsvertrages konkretisiert aufgrund ihrer Bindungswirkung (§ 31 Abs. 1 BVerfGG) das Auswahlermessen bei der Weiterverwendung.
6. Stützt daher eine Arbeitnehmerin ihre Klage auf Feststellung des Fortbestandes ihres Arbeitsverhältnisses trotz Abwicklung auf ihren Status als Alleinerziehende, so hat die beklagte Verwaltung die Kriterien offenzulegen, nach denen sie bei der Weiterverwendung von Beschäftigten mit der Qualifikation der Klägerin ausgewählt hat und zugleich die angemessene Berücksichtigung von Mitgliedern der Betroffenengruppe der Klägerin darzutun.
7. Die schuldhafte Verletzung des vertraglichen Anspruches auf angemessene Berücksichtigung berechtigt die klagende Arbeitnehmerin zum Schadenersatz, der im Wege der Naturalrestitution zum Fortbestand ihres Arbeitsverhältnisses infolge (zu unterstellender) Weiterverwendung im Ruhenszeitraum führt (Ziff. 1 Abs. 2 Satz 5 der Ruhensregelung).
Normenkette
BVerfGG § 31 Abs. 1
Fundstellen