Entscheidungsstichwort (Thema)
Umfang der Information des Betriebsrates bei Kündigung in den ersten sechs Monaten des Arbeitsverhältnisses
Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Anhörung des Betriebsrates gemäß § 102 Abs. 1 BetrVG zur Kündigung eines Arbeitsverhältnisses, das noch nicht sechs Monate bestanden hat, muß der Arbeitgeber dem Betriebsrat Tatsachen mitteilen, die Angabe reiner Wertungen ist nicht ausreichend.
2. An den Umfang der mitzuteilenden Tatsachen können keine höheren Anforderungen gestellt werden, als zur Begründung der Kündigung selbst tatsächlich vorgebracht werden müssen. Der individuelle Kündigungsschutz kann nicht in das betriebsverfassungsrechtliche Anhörungsverfahren vorverlegt und damit erweitert werden.
Normenkette
BetrVG § 102 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Urteil vom 19.04.1988; Aktenzeichen 25 Ca 47/88) |
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 19. April 1988 – 25 Ca 47/88 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
II. Der Streitwert beträgt unverändert DM 1.743,–.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin war bei der Beklagten für die Zeit vom 10.02.1988 bis zum 08.07.1988 befristet als Produktionshelferin eingestellt worden. In dem Arbeitsvertrag war u.a. vereinbart worden, daß während der Dauer des Vertrages beiderseits eine Kündigung mit einer Frist von sechs Tagen möglich sei. Der Monatsverdienst betrug 1.743,– DM brutto. Wegen der weiteren Einzelheiten der Vereinbarung wird auf den Inhalt des Arbeitsvertrages (Bl. 4 d. A.) Bezug genommen.
Ab dem 22.02.1988 war die Klägerin arbeitsunfähig erkrankt, die entsprechenden Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen wurden der Beklagten von der Klägerin übersandt (Bl. 51 d. A.). Mit Schreiben vom 01.03.1988 kündigte die Beklagte ohne vorherige Anhörung des Betriebsrates das Arbeitsverhältnis der Klägerin fristlos (Bl. 5 d. A.). Diese außerordentliche Kündigung wurde von der Beklagten nicht aufrechterhalten, sie ist nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits.
Mit Schreiben vom 26.02.1988 teilte die Beklagte dem bei ihr bestehenden Betriebsrat mit, daß sie beabsichtige, das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin außerordentlich während der Probezeit zu kündigen und daß diese Kündigung rein vorsorglich auch als ordentliche Kündigung zum nächst zulässigen Termin gelten solle. Zur Begründung hat die Beklagte in dem Anhörungsschreiben ausgeführt:
„Frau … weist während ihrer kurzen Firmenzugehörigkeit einen hohen Anteil an Fehlzeiten auf: 22.02.–26.02.88.
Für evtl. Rückfragen steht Ihnen der Unterzeichner zur Verfügung; sollten keine weiteren Fragen bestehen, so gehen wir davon aus, daß der Betriebsrat ordnungsgemäß gehört wurde.”
Wegen des weiteren Inhalts des Anhörungsschreibens wird auf die Fotokopie Blatt 11 der Akten Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 07.03.1988, das der Klägerin am 09.03.1988 zugegangen ist, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristgemäß zum 17.03.1988. Auf den Inhalt des Kündigungsschreibens wird verwiesen (Bl. 6 d.A.).
Mit einem weiteren Schreiben vom 03.05.1988 hat die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Klägerin erneut fristgemäß zum 17.05.1988 gekündigt. Gegen diese Kündigung hat die Klägerin keine Klage erhoben.
In dem vorliegenden Rechtsstreit hat die Klägerin die Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung in dem Schreiben vom 07.03.1988 begehrt. Sie hat die Auffassung vertreten, daß der Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigung nicht ordnungsgemäß angehört worden sei, ihm seien keine eindeutigen und ausreichenden Informationen erteilt worden.
Die Klägerin hat beantragt,
festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die ihr am 09.03.1988 zugegangene ordentliche Kündigung zum 17.03.1988 beendet worden sei, sondern fortbestehe.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, daß die Anhörung des Betriebsrates ausreichend sei.
Durch Urteil vom 19.04.1988 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Hinsichtlich der Begründung wird auf den Inhalt des angefochtenen Urteils (Bl. 15–20 d.A.) verwiesen.
Gegen dieses ihr am 29.04.1988 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 17.05.1988 Berufung eingelegt, die sie zugleich begründet hat. Die Klägerin vertritt die Auffassung, daß die schriftliche Erklärung der Beklagten in dem Anhörungsbogen keinesfalls so verstanden werden könne, daß die Beklagte sich auf krankheitsbedingte Fehlzeiten berufen hätte. Das alleinige Berufen auf Fehlzeiten sei keine ausreichende Information des Betriebsrates. Für die Anhörung und den Umfang der Informationspflicht des Arbeitgebers komme es nicht darauf an, welche rechtlichen Anforderungen an die Wirksamkeit einer Kündigung zu stellen seien, vielmehr seien die Aufgaben des Betriebsrates zu berücksichtigen. Der Betriebsrat könne sein Anhörungsrecht nur sachgemäß ausüben, wenn der Arbeitgeber die maßgebenden Tatsachen, die zu seinem Kündigungsentschluß geführt hätten, so mitteilte, daß dieser sich ohne zusätzliche eigene Nachforschungen ein Bild über ...