Entscheidungsstichwort (Thema)

§ 183 Abs. 3 BGB in Verbindung mit § 111 Satz 2 und 3 BGB sind auf die Kündigung eines Betriebsratsmitgliedes nicht anwendbar. Kündigung eines Betriebsratsmitglieds. Private Telefonate in erheblichem Umfang

 

Normenkette

BGB § 626; KSchG § 15; BGB §§ 183, 111 Sätze 2-3

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Urteil vom 30.07.2002; Aktenzeichen 34 Ca 15404/02)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 04.03.2004; Aktenzeichen 2 AZR 147/03)

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das am 30.07.2002 verkündete Urteil – 34 Ca 15404/02 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung der Beklagten vom 31. Mai 2002.

Der Kläger war bei der Beklagten seit dem 1. Januar 1991 als Organisator mit einem jährlichen Bruttoverdienst von 80.500,– Euro beschäftigt. Der Kläger ist Mitglied des bei der Beklagten gebildeten Betriebsrates.

Anlässlich ihrer Absicht, den Arbeitnehmer W. zu kündigen, prüfte die Beklagte die von dessen Dienstapparat geführten privaten Telefongespräche und fand daher eine erhebliche Anzahl von Telefonverbindungen nach Mauritius, die nicht dienstlich veranlasst gewesen sein konnten. Sie hörte sodann am 21. Mai 2002 den bei ihr gebildeten Betriebsrat zu diesen gegenüber Herrn W. erhobenen Vorwürfen an. Daraufhin teilte der Kläger den beiden Mitarbeiterinnen der Personalabteilung der Beklagten mit, dass nicht Herr W. sondern er diese Telefonate geführt habe und er auch von seinem Dienstapparat weitere Gespräche nach Mauritius geführt habe. Nach diesem Gespräch stellte die Beklagte fest, dass auch noch von drei weiteren Telefonapparaten in anderen Büros (zwei Besprechungszimmer und Prüferzimmer) sowie über ihr Faxgerät Verbindungen nach Mauritius aufgenommen worden waren. Insgesamt hatten die vom Kläger zwischen dem 25. März und 14. Mai 2002 vom Kläger nach Mauritius getätigten Telefongespräche eine Zeitdauer von 18 Stunden und 11 Sekunden und verursachten Telefonkosten in Höhe von insgesamt 1.355,76 Euro einschließlich Mehrwertsteuer. Für die Einzelheiten der Gespräche wird auf die Auflistung auf Bl. 72 bis 74 d. A. Bezug genommen.

Im Verlauf eines Gesprächs der Beklagten mit dem Kläger am 29. Mai 2002 bat dieser um die Kontonummer der Beklagten, auf welche er später auch den genannten Betrag überwies.

Die Beklagte, die dem Kläger nicht abnehmen mochte, dass er von vornherein die Kosten habe begleichen wollen und dass er von sich aus auf sie zugekommen wäre, wäre nicht der Vorwurf gegen Herrn W. erhoben, hörte mit Schreiben vom 28. Mai 2002 den Betriebsrat zu der beabsichtigten außerordentlichen und fristlosen Kündigung des Klägers an. Für die Einzelheiten des Anhörungsschreibens wird auf Bl. 67 bis 69 d.A. Bezug genommen. Der Betriebsrat stimmte der beabsichtigten Kündigung mit Schreiben vom 30. Mai 2002 zu, das dem Kläger weder vom Betriebsrat noch von der Beklagten zur Kenntnis übersandt wurde. Der Betriebsrat nahm von der Mitteilung seiner Zustimmung an den Kläger Abstand, weil dieser vor der entscheidenden Betriebsratssitzung angekündigt habe, er werde Selbstmord begehen, falls der Betriebsrat der Kündigungsabsicht zustimme.

Mit Schreiben vom 31. Mai 2002, dem Kläger am selben Tag zugegangen, sprach die Beklagte ihm die außerordentliche und fristlose Kündigung aus. Der Kläger ließ durch ein Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 4. Juni 2002, der Beklagten am 10. Juni 2002 zugegangen, unter Beifügung einer unterschriebenen Abschrift der Klageschrift mit gleichem Datum die Kündigung mangels Beifügung des Betriebsratszustimmungsschreiben zurückweisen.

Mit seiner am 4. Juni 2002 bei Gericht eingegangenen und der Beklagten am 12. Juni 2002 zugestellten Klage hat sich der Kläger gegen die Kündigung vom 31. Mai 2002 gewandt und behauptet, er habe in dem Gespräch, in dem er erstmals sein von ihm bedauertes Fehlverhalten gegenüber der Beklagten erwähnt habe, auch zugleich gesagt, dass nicht nur von seinem und Herrn W. Apparat Gespräche von ihm geführt worden seien, sondern dass die Beklagte auch noch die anderen Telefone des Hauses auf solche Verbindungen überprüfen solle. In rechtlicher Hinsicht hat der Kläger die Ansicht vertreten, die Kündigung sei gemäß §§ 182 Abs. 3, 111 Satz 2 und 3 BGB unwirksam, da die Beklagte ihm die Zustimmungserklärung des Betriebsrates nicht übersandt und er dies unverzüglich gerügt habe.

Demgegenüber hat die Beklagte die Vorschriften der §§ 182 Abs. 3, 111 Satz 2 und 3 BGB nicht auf die Situation des § 103 BetrVG für anwendbar gehalten. Zum Kündigungsgrund hat sie vorgetragen, der Kläger habe ihr gegenüber nur davon gesprochen, dass er außer von dem Apparat des Herrn W. – später Herr M. – auch von seinem Apparat Gespräche geführt habe. Von der Benutzung mehrerer weiterer Apparate habe er keine Mitteilung gemacht. Durch sein Verhalten sei das Vertrauen in seine Redlichkeit zerstört worden. Er habe nicht vorgehabt, diese privaten Telefongespräche mit den beträchtli...

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