Revision zugelassen
Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückforderung eines überzahlten Ortszuschlages und Einwand der Entreicherung bei geringfügigen Beträgen in der Privatwirtschaft
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Darlegungs- und Beweislast, wenn sich ein Arbeitnehmer auf Entreicherung bei überzahltem Arbeitsentgelt beruft, § 818 Abs. 3 BGB.
2. Auch eine nur geringfügige Überzahlung führt im Bereich der Privatwirtschaft prima facie nicht zum Wegfall der Bereicherung.
Normenkette
BGB § 812 Abs. 1, § 818 Abs. 3
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Urteil vom 20.01.1993; Aktenzeichen 48 Ca 25.122/92) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 20.1.1993 – 48 Ca 25.122/92 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
II. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin steht seit dem 01. Oktober 1983 als Krankenschwester in den Diensten der Beklagten. Auf ihr Arbeitsverhältnis finden kraft Vereinbarung die „Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland” Anwendung. 1987 oder 1988 wurde die Ehe der Klägerin geschieden, was die Klägerin der Personalabteilung der Beklagten mitteilte. Gleichwohl erhielt sie von der Beklagten in der Folgezeit einen höheren Ortszuschlag als denjenigen, der ihr nach § 19 AVR zustand. Nachdem die Beklagte einen entsprechenden EDV-Eingabefehler im Mai 1991 bemerkt hatte, teilte sie mit Schreiben vom 14. Mai 1991 der Klägerin mit, daß sie für den Zeitraum von Juni 1990 bis Mai 1991 insgesamt 917,72 DM brutto zuviel erhalten habe und daß dieser Betrag in drei Raten von den Nettogehaltszahlungen für die Monate Juni bis August 1991 in Abzug gebracht werde, was auch geschah. Mit Schreiben vom 23. Mai 1991 erhob die Klägerin gegen die „geforderte Rückforderung” des an sie zuviel ausbezahlten Ortszuschlages Einspruch. Gleichzeitig machte sie geltend, daß eine Bereicherung nicht vorliege und das Geld bereits ausgegeben sei.
Nachdem sich die Beklagte entschlossen hatte, wegen der maßgeblichen Ausschlußfrist des § 45 AVR Überzahlungen aus der Zeit vor Juni 1990 gegenüber der Klägerin nicht mehr geltend zu machen, nahm sie eine Neuberechnung der Überzahlung auf der Basis der Nettovergütung der Klägerin vor, die im Monat Juni 1991 4.347,– DM brutto erhalten hatte, was ca. 2.990,– DM netto entsprach. Insgesamt ergab sich für die Monate Juni 1990 bis Mai 1991 ein überzahlter Betrag in Höhe von 526,78 DM netto.
Mit der beim Arbeitsgericht Berlin am 18. September 1992 eingegangenen Klage hat die Klägerin zuletzt die Zahlung dieses Betrages von der Beklagten verlangt. Sie hat sich zunächst auf die sechsmonatige Ausschlußfrist des § 45 Abs. 2 AVR sowie ferner auf den Wegfall der Bereicherung berufen. Sie hat behauptet, die Überzahlung jeweils im Zuge ihres normalen Lebensunterhalts verbraucht zu haben und gemeint, auch ohne eine ausdrückliche Regelung wie im öffentlichen Dienst üblich, sei von einem Wegfall der Bereicherung auszugehen, wenn die Überzahlung 10 % der monatlichen Bezüge nicht übersteige.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 526,78 DM netto zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat sich auf den Standpunkt gestellt, daß der Klägerin ein Rückforderungsanspruch schon deshalb nicht zustehe, weil sie die zwölfmonatige Ausschlußfrist des § 45 Abs. 1 AVR nicht beachtet habe. Auf den Wegfall der Bereicherung könne sich die Klägerin schon deshalb nicht berufen, so hat sie ausgeführt, weil die Klägerin, was unstreitig ist, über Sparvermögen, eine vermietete Eigentumswohnung und über einen Prämiensparvertrag verfüge.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in der ersten Instanz wird auf den Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen, §§ 313 Abs. 2, 543 Abs. 2 Satz 2 ZPO.
Durch am 20. Januar 1993 verkündetes Urteil hat die Kammer 48 des Arbeitsgerichts Berlin die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 214,45 DM zu zahlen, im übrigen die Klage abgewiesen, den Wert des Streitgegenstandes auf 526,78 DM festgesetzt und das Rechtsmittel der Berufung für beide Parteien zugelassen. Wegen der Begründung im einzelnen wird auf den Inhalt des erstinstanzlichen Urteils verwiesen.
Gegen das ihrem Prozeßbevollmächtigten am 01. März 1993 zugestellte Urteil richtet sich die beim Landesarbeitsgericht Berlin am 25. März 1993 eingegangene Berufung der Klägerin, die sie mit weiterem beim Rechtsmittelgericht am 21. April 1993 eingegangenen Schriftsatz begründet hat.
Sie steht auch in der Rechtsmittelinstanz auf dem Standpunkt, daß ihr Einwand des Wegfalls der Bereicherung begründet sei. Sie habe die seinerzeitigen Gehaltsüberzahlungen in Höhe von etwa 45,– DM monatlich für ihren laufenden Lebensunterhalt eingesetzt und keine sonstigen Aufwendungen erspart. Wenn sie zum Zeitpunkt der Überzahlung 45,– DM monatlich mehr nicht bekommen hätte, hätte sie ihren Lebensstandard reduziert. Bei einer geringfügigen ...