Entscheidungsstichwort (Thema)

Fristlose Beendigung eines Ausbildungsvertrags wegen schwerwiegender ausländerfeindlicher, rassistischer und nationalistischer Äußerungen und Handlungen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das Stanzen eines Blechschildes mit der Inschrift: „ARBEIT MACHT FREI – TÜRKEI SCHÖNES LAND”, und das Anbringen dieses Schildes an der Werkbank eines türkischen Auszubildenden rechtfertigt, nachdem in Gegenwart des entlassenen Auszubildenden von einer Gruppe Auszubildender im Betrieb Lieder mit überaus massiven und unvertretbaren rassistischen Tendenzen, wie u.a. ein sog. Auschwitzlied, das von dem Konzentrationslager Auschwitz, den dorthin verbrachten Juden und dem Bereitmachen der Öfen handelt, gesungen worden ist, ohne weiteres die außerordentliche Kündigung des Ausbildungsvertrages.

2. Einer vorherigen Abmahnung vor Ausspruch der außerordentlichen Kündigung bedarf es unter diesen Umständen nicht.

 

Normenkette

ArbGG § 111; BGB § 626; BBiG § 15

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Urteil vom 01.07.1997; Aktenzeichen 95 Ca 11717/97)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 1. Juli 1997 – 95 Ca 11717/97 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer mit Schreiben der Beklagten vom 12. März 1997 ausgesprochenen außerordentlichen Kündigung des Ausbildungsverhältnisses des Klägers.

Der am 12. März 1979 geborene Kläger, der einen Realschulabschluß hat, stand seit dem 01. September 1996 zu der Beklagten in einem Ausbildungsverhältnis zum Industriemechaniker. Er erhielt zuletzt eine Ausbildungsvergütung von 1.057,– DM brutto.

Die Beklagte führt die Ausbildung zentral in einem betrieblichen Ausbildungszentrum durch. Der Kläger gehörte einer aus elf Auszubildenden bestehenden Ausbildungsgruppe an. Ende Dezember 1996/Anfang Januar 1997 sangen einige deutsche Auszubildende dieser Gruppe, u.a. der Auszubildende S. in Gegenwart des Klägers in der Werkstatthalle kurz vor Feierabend nationalsozialistische Lieder. Der Titel des einen Liedes lautete: „Auschwitz wir kommen”. Der Text des Liedes handelt von dem Konzentrationslager Auschwitz, die dorthin verbrachten Juden und enthält die Zeile: „die Öfen schon einmal bereitmachen”. Ferner wurde ein Lied „Panzer müssen rollen” gesungen. In dem Text dieses Liedes heißt es u.a. „… daß die Juden getrieben werden müssen”. Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Kläger selbst mitgesungen hat.

Am 25. Februar 1997 fertigte der Kläger zusammen mit dem Auszubildenden S. ein ca. 25 × 5 cm großes Blechschild an. Auf diesem Blechschild hatte der Kläger die Inschrift „ARBEIT MACHT FREI TUERKEI SCHOENES LAND” (Bl. 39 d. A.) eingestanzt. Der Auszubildende S. schrieb mit einem schwarzen Markierstift an den Rand des Schildes die Worte „Döner”. Der Kläger und Herr S. befestigten das Schild mit zwei Schrauben an der Werkbank des türkischen Auszubildenden A. D. Nachdem Herr D. das Schild entdeckt hatte, fragte er, wer das Schild angebracht habe. Schließlich wandte er sich an den Ausbildungsleiter K. Dieser rief am 26. Februar 1997 die zuständige Personalsachbearbeiterin, Frau S., an und teilte ihr den Vorfall mit. Mit Schreiben vom 26. Februar 1997 unterrichtete der Ausbilder K. Frau S. ebenfalls von dem Geschehen. Darauf wurden am 27. Februar 1997 Gespräche zur Aufklarung des Sachverhaltes mit dem Kläger und dem Auszubildenden M. geführt. Am 28. Februar 1997 wurde der Auszubildende H. befragt. In diesen Gesprächen erfuhr die Personalabteilung der Beklagten u.a. von Herrn D. daß nationalsozialistische Lieder gesungen worden waren. Der Kläger und der Auszubildende S. räumten während der mit ihnen geführten Gespräche ein, das Blechschild gefertigt und an der Werkbank angebracht zu haben.

Nach dem Personalgespräch entschuldigte sich der Kläger mehrfach bei dem Auszubildenden D. der die Entschuldigung annahm.

Nachdem der Personalrat am 12. März 1997 einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung zugestimmt hatte, kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 12. März 1997 (Bl. 3 bis 6 d. A.), das der Kläger am selben Tag erhielt, das Ausbildungsverhältnis außerordentlich fristlos.

Der Kläger, der auch ausländische Freunde hat, erhielt ein Schreiben, das von den Mitgliedern seiner Ausbildungsgruppe unterzeichnet worden war und in dem diese u.a. erklärten, sie möchten, daß er in ihre Gruppe zurückkehre (Bl. 51 d. A.).

Der angerufene Ausschuß zur Beilegung von Streitigkeiten zwischen Ausbildenden und Auszubildenden der Industrie- und Handelskammer zu Berlin faßte am 17. April 1997 den Spruch, daß die außerordentliche Kündigung vom 12. März 1997 das Ausbildungsverhältnis nicht beendet habe (Bl. 10 bis 12 d. A.). Die Beklagte erkannte den Spruch nicht an.

In dem vorliegenden Rechtsstreit hat sich der Kläger gegen die Kündigung gewandt, die er für unwirksam gehalten hat. Er hat bestritten, die Nazilieder mitgesungen zu haben, und behauptet, er habe nur bei den singenden Kollegen gestanden, da sich dies zwangsweise aufgrund der räumlichen...

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