Entscheidungsstichwort (Thema)
Unwirksamkeit einer Allgemeinverbindlichkeitserklärung
Leitsatz (amtlich)
1. Fehlt eine gemeinsamen Einrichtung im Sinne des § 4 Abs. 2 TVG für ihre Tätigkeit die nach den Bestimmungen des Rechtsberatungsgesetzes erforderliche Erlaubnis, so erscheint es nicht im öffentlichen Interesse für geboten, den dem zugrunde liegenden Tarifvertrag für allgemeinverbindlich zu erklären (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 TVG). In diesem Fall überschreitet die zuständige Behörde mit der Folge ihren Ermessensspielraum, dass die AVE unwirksam ist.
2. Die nach dem TV-Prüf gebildete Prüf- und Beratungsstelle bedarf für die ihr nach den Bestimmungen der §§ 1 ff. TV-Prüf obliegenden Tätigkeit nach Art. 1 § 1 Abs. 1 RBerG und nach § 1 Abs. 1 der 5. Verordnung zur Ausführung des Rechtsberatungsgesetzes der Erlaubnis.
Zu den Voraussetzungen der Erlaubnisfreiheit nach Art. 1 § 7 Satz 3 RBerG.
Normenkette
TVG § 4 Abs. 2, § 5 Abs. 1, 4; RBerG Art. 1 §§ 1, 7; 5. Verordnung zur Ausführung des Rechtsberatungsgesetzes § 1 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Urteil vom 27.03.2002; Aktenzeichen 35 Ca 13700/01) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 27. März 2002 – 35 Ca 13700/01 und 22604/01 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
II. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, Beiträge an die Klägerin, einer gemeinsamen Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Gebäudereinigerhandwerks Berlin, aufgrund des für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrags vom 15. Februar 2000 über das Prüf- und Beratungsstellenverfahren im Berliner Gebäudereiniger-Handwerk (im folgenden abgekürzt: TV-Prüf) zu leisten. Es geht um die der Höhe nach unstreitigen Beiträge für das 4. Quartal des Jahres 2000 nach Maßgabe des § 4 TV-Prüf. Mit ihrer Widerklage verfolgt die Beklagte das Ziel einer entsprechenden Feststellung des Nichtbestehens ihrer Beitragspflicht.
Die Aufgaben der in der Rechtsform einer GmbH errichteten Klägerin haben die Tarifvertragsparteien, die zu gleichen Anteilen deren Gesellschafter sind, in § 3 TV-Prüf wie folgt umschrieben:
§ 3 Aufgaben der Prüf- und Beratungsstelle
Die Prüf- und Beratungsstele ist eine dem Interesse des Gebäudereinigerhandwerks dienende Einrichtung der Tarifvertragsparteien dieses Gewerbezweiges. Sie hat insbesondere die Aufgabe, durch Beratung und Prüfung sowie durch gerichtliche Geltendmachung auf die Gewährung tariflicher Ansprüche und Einhaltung tariflicher Vorschriften über Einkommen und Arbeitsbedingungen hinzuwirken und hierdurch den Schutz der Arbeitnehmer zu verbessern.
In ihrem ersten von ihr herausgegebenen Tarifbrief 1/2001 schilderte die Klägerin ihre Tätigkeit wie folgt:
In der Sprechstunde der PBSt kommen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die über Anzeigen auf unsere Tätigkeit aufmerksam geworden sind. Sie stellen als erstes einen schriftlichen Prüfantrag und geben diesen zusammen mit den Nachweisen, die eine tarifwidrige Entlohnung nachweisen sollen, ab. Die PBSt unterzieht die Unterlagen zunächst einer ersten Schlüssigkeitsprüfung. Liegen Anhaltspunkte für ein Vorenthalten tariflicher Ansprüche vor, schreibt sie den Arbeitgeber und den Arbeitnehmer an und bittet beide Arbeitsvertragsparteien um Stellungnahme. Gelingt dem Arbeitnehmer der Nachweis des Tarifverstoßes, wird ihm der dadurch entstandene Nachteil für den Zeitraum von drei Monaten durch die PBSt ausgeglichen. Die entsprechenden Ansprüche gehen in diesem Falle auf die PBSt über.
Dies findet seine Grundlage in § 7 TV-Prüf, der folgenden Wortlaut hat:
§ 7 Leistungen an Arbeitnehmer, Übergang von Forderungen
(1) Weist ein Arbeitnehmer der Prüf- und Beratungsstelle nach, dass ihm sein Arbeitgeber nicht die nach Maßgabe des Rahmentarifvertrags für die gewerblichen Arbeitnehmer im Gebäudereinigerhandwerk Berlin und/oder des Lohntarifvertrags für die gewerblichen Arbeitnehmer im Gebäudereinigerhandwerk Berlin zustehenden Leistungen erbracht hat, so zahlt ihm die Prüf- und Beratungsstelle auf Antrag nach Maßgabe der nachfolgenden Absätze den Betrag aus, den der Arbeitgeber ihm vorenthalten hat, jedoch ohne die vom Arbeitnehmer zu tragenden Beiträge zur Sozialversicherung.
(2) Der Arbeitnehmer muss einem Antrag den Arbeitsvertrag und die Lohnabrechnungen im Original oder in Fotokopie beifügen. Ferner hat er anzugeben, an welchen Arbeitsstellen und zu welchen Zeiten er Abrechnungszeitraum tätig war. Lassen die Angaben des Arbeitnehmers nicht erkennen, ob seine Forderung berechtigt ist, kann die Prüf- und Beratungsstelle die Zahlung ablehnen. Gleiches gilt, wenn die vom Arbeitnehmer vorgelegten Unterlagen nicht den Namen die Firma und/oder die aktuelle Anschrift des Arbeitgebers erkennen lassen; in diesem Fall kann die Prüf- und Beratungsstelle auf Kosten des Arbeitnehmers weitere Ermittlungen anstellen. Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, der Prüf- und Beratungsstelle während ei...