Verfahrensgang

ArbG Berlin (Urteil vom 10.02.1992; Aktenzeichen 83 A Ca 16871/91)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 26.08.1993; Aktenzeichen 8 AZR 417/92)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das am 10.02.1992 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Berlin – 83 A Ca 16871/91 – wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die am … 1953 geborene Klägerin wurde am 1. September 1984 von dem Verlag J. W. eingestellt. Am 1. Januar 1991 unterschrieben der Verlag J. W. GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer W. T., und der Betriebsrat, vertreten durch den Vorsitzenden J.-U. L., eine Vereinbarung, in der unter anderem festgelegt wurde, daß Mitarbeiter, deren Arbeitsverhältnis aus Betriebs- und Strukturgründen sowie aufgrund von Rationalisierungsmaßnahmen fristgemäß gekündigt werden müsse, eine einmalige Abfindung, die sich unter anderem aus einem Grundbetrag in Höhe von 3 Monatsgehältern und einem zusätzlichen Betrag von 300,– DM für jedes Jahr ununterbrochener Tätigkeit für den Verlag J. W. zusammensetze, erhalten sollten. Unter dem Datum des 10. Mai 1991 erklärte die T., sie bestätige dem Verlag J. W. einen Betrag von insgesamt 1,04 Mio. DM als Abfindungsvolumen, dem unter anderem zugrundeliege, daß der Verlag die Abfindungskosten selbst finanzieren könne. Daraufhin erhielt die Klägerin ein Schreiben der Beklagten vom 13. Mai 1991, mit dem die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristgemäß zum 30. Juni 1991 kündigte und in dem sie auch erklärte, die Klägerin erhalte aus Anlaß der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine einmalige Abfindung auf der Grundlage des betrieblichen Sozialplanes. Gegen diese Kündigung hat die Klägerin keine Klage erhoben.

Am 2. Juli 1991 stellten die T., der Liquidator der Beklagten und der Betriebsratsvorsitzende übereinstimmend fest, daß die vorgesehene Abfindungshöhe entsprechend der Bestätigung vom 10. Mai 1991 nicht realisiert werden könne, weil der Verlag J. W. den Sozialplan nicht aus eigenen Mitteln finanzieren könne, daß aber für die betriebsbedingt zu kündigenden Arbeitnehmer bei der T. eine Zweckzuwendung entsprechend der zwischen der T. und dem D. Gewerkschaftsbund getroffenen Rahmenvereinbarung beantragt werden solle.

Mit ihrer am 10. Juli 1991 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat die Klägerin die Zahlung der sich aus der Vereinbarung vom 1. Januar 1991 ergebenden Abfindung nebst Rechtshängigkeitszinsen verlangt.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zur Zahlung von 15.600,– DM brutto = netto nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 23. August 1991 zu verurteilen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat im wesentlichen die Auffassung vertreten:

Sie sei Vermögen der ehemaligen Massenorganisation F. der ehemaligen DDR und unterfalle deswegen der Vorschrift des § 20 b des Gesetzes über Parteien und andere politische Vereinigungen (Parteiengesetz) der ehemaligen DDR vom 21. Februar 1990 – im folgenden: PartG-DDR –.

Sie stehe deswegen unter Verwaltung der T. (Sondervermögen) und der unabhängigen Kommission. Da die Genehmigung des am 1. Januar 1991 entworfenen Sozialplanes durch die T. am 10. Mai 1991 mit der Maßgabe erfolgt sei, daß sie, die Beklagte, die Abfindungskosten selbst finanzieren könne, sie aber vermögenslos sei, sei kein Anspruch der Klägerin auf die geltend gemachte Abfindung entstanden. – Ein einzelvertraglicher Anspruch der Klägerin auf der Grundlage des Kündigungsschreibens sei ebenfalls nicht gegeben. Durch das Kündigungsschreiben habe keine eigene, von dem Grundanspruch aus dem Sozialplan losgelöste Anspruchsgrundlage geschaffen werden sollen. Abgesehen davon könne die Klägerin sich auch deswegen nicht auf eine einzelvertragliche Vereinbarung mit ihr, der Beklagten, berufen, weil der am 1. März 1991 mit dem Geschäftsführer T. geschlossene Geschäftsführervertrag von der T. am 26. April 1991 nur mit der Maßgabe genehmigt worden sei, daß alle rechtsgeschäftlichen Verfügungen und Verpflichtungen, die über den Betrag von 10.000,– DM hinausgingen, der Genehmigung der T. bedürften.

Wegen des weiteren Sachvortrages der Parteien in der ersten Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat durch am 10. Februar 1992 verkündetes Urteil der Klage stattgegeben und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt: Bei dem Sozialplan vom 1. Januar 1991 handele es sich nicht um eine Vermögensveränderung im Sinne des § 20 b Abs. 1 PartG-DDR. Denn als Vermögensveränderungen seien nur Vermögensverfügungen, nicht jedoch die Eingehung von Verbindlichkeiten anzusehen. Das Ziel der Vorschrift des § 20 b, insbesondere des Absatzes 2 PartG-DDR, nämlich das unrechtmäßig erworbene Altvermögen nicht der Beklagten zu belassen, rechtfertige es nur, Vermögensverfügungen einer Genehmigungspflicht zu unterwerfen; denn erst durch solche Verfügungen könnte das Altvermögen tatsächlich geschmälert werden. Ob sich daneben ein Abfindungsanspruch auch aus dem Kündigungsschreiben vom 13. Mai 1991 ergebe, könne im ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge