Entscheidungsstichwort (Thema)
Tätigkeit fürs MfS. Kündigung und Anfechtung
Leitsatz (amtlich)
1. Richtet der Arbeitgeber seine Anfechtungserklärung gegen die Vereinbarung einer befristeten Beschäftigung des Arbeitnehmers, so wird davon die gemäß § 625 BGB unwiderlegbar vermutete Vereinbarung einer unbefristeten Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht erfaßt.
2. Die Frage nach einer Tätigkeit fürs MfS braucht dann nicht mehr wahrheitsgemäß beantwortet zu werden, wenn diese Tätigkeit mehr als 20 Jahre zurückliegt und von untergeordneter Bedeutung war und der Arbeitnehmer jetzt als einfacher Sachbearbeiter bei einem Kreiswehrersatzamt beschäftigt werden soll, weil die MfS-Tätigkeit für die Einstellungsentscheidung nach Art. 33 Abs. 2 GG keine Bedeutung mehr haben kann.
Normenkette
BGB §§ 123, 626
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Urteil vom 09.05.1996; Aktenzeichen 92 Ca 990/96) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 09. Mai 1996 – 92 Ca 990/96 – wird auf ihre Kosten mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß festgestellt wird, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 20. Dezember 1995 nicht aufgelöst worden ist, sondern fortbesteht
Tatbestand
Das Arbeitsgericht Berlin hat festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 20. Dezember 1995 noch durch deren Anfechtungserklärung vom 21. Februar 1996 aufgelöst worden sei. Zugleich hat es die Beklagte verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluß des vorliegenden Rechtsstreites zu den bisherigen Bedingungen als Bürokraft weiterzubeschäftigen.
Zur Begründung hat das Arbeitsgericht im wesentlichen ausgeführt, die einigungsvertragliche Sonderkündigungsbestimmung sei nicht anwendbar, weil der Kläger zwar als Mitglied der Nationalen Volksarmee Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst der ehemaligen DDR gewesen sei, die Beklagte ihn jedoch nicht weiterverwendet habe, sondern die Parteien mit Wirkung vom 1. Januar 1991 ein bis zum Ende dieses Jahres befristetes Arbeitsverhältnis begründet hätten. Die Voraussetzungen des § 626 Abs. 1 BGB seien nicht erfüllt. Die Beklagte habe nicht begründet, weshalb die Tätigkeit des Klägers als Berufssoldat im Wachregiment „F. D.”, die zur Zeit der Kündigung bereits 27 Jahre zurückgelegen habe, einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung habe darstellen sollen. Auf falsche Angaben des Klägers im Personalfragebogen könne sich die Beklagte ebenfalls nicht berufen, weil der Kläger einen lückenlosen Beschäftigungsnachweis für die Zeit von 1956 bis 1991 erbracht und die Zeit von 1960 bis 1968 als Berufssoldat beim Wachregiment Berlin-… angegeben habe. Deshalb könne dem Kläger auch keine zur Anfechtung berechtigende arglistige Täuschung zur Last gelegt werden. Da ein konkreter, sich gegen den Weiterbeschäftigungsanspruch richtender Sachvortrag der Beklagten fehle, überwiege das Interesse des Klägers an einer tatsächlichen Weiterbeschäftigung während des vorliegenden Rechtsstreites.
Gegen dieses ihr am 12. Juni 1996 zugestellte Urteil richtet sich die am 9. Juli 1996 eingelegte und am 6. August 1996 begründete Berufung der Beklagten. Sie verweist darauf, im Vertrag vom 19. Dezember 1991 (Abl. Bl. 10 d.A.) in § 2 Abs. 3 die Regelung in Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 der Anlage I zum Einigungsvertrag zum Bestandteil dieses Vertrages gemacht zu haben, was von der Vertragsfreiheit gedeckt gewesen sei. Die Voraussetzungen dieses Sonderkündigungstatbestandes seien erfüllt, weil der Kläger ca. acht Jahre hauptamtlich für das MfS tätig gewesen sei und zuletzt im K. amt Berlin mit erheblicher Außenwirkung beschäftigt worden sei. Indem der Kläger bei Ausfüllung des Personalfragebogens die Frage nach einer Tätigkeit für das MfS bewußt verneint habe, wie von ihm bei seiner persönlichen Anhörung am 7. Dezember 1995 eingeräumt worden sei, habe er eine grobe Unehrlichkeit in einem für die Vertragsbeziehung wichtigen Bereich begangen, weshalb ihr seine Weiterbeschäftigung auch nach § 626 Abs. 1 BGB unzumutbar sei. Dies habe das Arbeitsgericht übersehen, weshalb auch seine Ausführungen zur Anfechtung unzutreffend seien. Die zweiwöchige Frist zum Kündigungsausspruch sei gewahrt gewesen, weil diese erst mit der Anhörung des Klägers in Lauf gesetzt worden sei.
Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die
Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, daß festgestellt werde, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 20. Dezember 1995 nicht aufgelöst worden sei, sondern fortbestehe.
Er verteidigt das angefochtene Urteil und tritt den Angriffen der Berufung mit Rechtsausführungen entgegen.
Entscheidungsgründe
1. Die Berufung ist insgesamt zulässig. Daß die Beklagte entgegen § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO zum Weiterbeschäftigungsanspruch des Klägers keine Ausführungen gemacht hat, war unschädlich, weil es sich...