Entscheidungsstichwort (Thema)
100%ige Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall
Leitsatz (amtlich)
1) Aus § 12 MTV kann kein über § 4 Abs. 1 S. 1 EFZG hinausgehender Anspruch hergeleitet werden.
2) Auch ein Anspruch auf Gleichbehandlung mit den Angestellten im Zusammenhang mit § 13 Nr. 2 MTV-Ang. besteht nicht, da diese Bestimmung keine eigenständige, vom Gesetz unabhängige Regelung über eine 100%ige Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall enthalten hat.
Normenkette
EFZG § 4 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Urteil vom 21.05.1997; Aktenzeichen 40 Ca 48550/96) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das am 21. Mai 1997 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Berlin – 40 Ca 48550/96 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
II. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall zusteht, der der Höhe nach über die seit dem 01. Oktober 1996 geltende gesetzliche Neuregelung des § 4 Abs. 1 Satz 1 EFZG hinausgeht.
Der Kläger war bei der Beklagten als Betriebselektriker beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fand kraft beiderseitiger Tarifbindung der Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer in der Papier, Pappe und Kunststoffe verarbeitenden Industrie vom 27. Mai 1991 (MTV-Gew) Anwendung, der von dem Hauptverband der Papier, Pappe und Kunststoffe verarbeitenden Industrie e.V. – sozialpolitischer Hauptausschuß – und der Industriegewerkschaft Medien. Druck und Papier, Publizistik und Kunst – Hauptvorstand – abgeschlossen wurde. Dieser Tarifvertrag galt für das Gebiet der alten Bundesländer. § 12 des MTV-Gew hat, soweit hier von Interesse, u.a. folgenden Wortlaut:
- „Die Lohnfortzahlung im Falle von Erkrankungen und Unfällen, bei Kuren und Heilverfahren sowie bei solchen Schonungszeiten, die mit Arbeitsunfähigkeit verbunden sind, richtet sich nach dem Gesetz über die Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfalle (LFZG) in seiner jeweiligen Fassung.
- Gemäß § 2 Abs. 3 LFZG gelten abweichend von der gesetzlichen Regelung für die Berechnung des fortzuzahlenden Arbeitsentgelts einheitlich für den ganzen Betrieb die Bestimmungen des § 15 Abschn. III Ziffern 1 und 2 dieses Manteltarifvertrages sinngemäß …”
Für die im Betrieb der Beklagten beschäftigten Angestellten galt der am 22. Juli 1991 zwischen dem Verband der Papier, Pappe und Kunststoffe verarbeitenden Unternehmen in Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern e.V. und der Industriegewerkschaft Medien, Landesbezirk Berlin-Brandenburg abgeschlossene Manteltarifvertrag (MTV-Ang). Der räumliche Geltungsbereich dieses Tarifvertrages erstreckte sich lediglich auf das Gebiet Berlin (West). § 13 des MTV-Ang hat folgenden Wortlaut:
- „Bei Erkrankung ist der Geschäftsleitung unverzüglich Mitteilung zu machen. Der erkrankte Angestellte soll innerhalb von drei Tagen die ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegen. Entsprechendes gilt bei Beantragung oder Bewilligung einer Kur oder eines Heilverfahrens durch einen Sozialversicherungsträger oder ein Versorgungsamt.
- Bei Arbeitsunfähigkeit infolge unverschuldeter Krankheit sowie während eines vom Sozialversicherungsträger bewilligten Kur- oder Heilverfahrens einschließlich einer anschließenden Schonungszeit ist dem Angestellten das vereinbarte Gehalt bis zur Dauer von sechs Wochen, jedoch nicht über die Beendigung des Anstellungsverhältnisses hinaus, zu zahlen.”
In der Zeit vom 14. November bis zum 22. November 1996 war der Kläger arbeitsunfähig krankgeschrieben. Die Beklagte leistete dem Kläger für diesen Zeitraum eine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, die der Höhe nach nur 80 % des mit dem Kläger vereinbarten Arbeitsentgeltes ausmachte. Die Beklagte wandte dabei die Regelung des § 4 Abs. 1 Satz 1 EZFG in der Fassung des arbeitsrechtlichen Gesetzes zur Förderung von Wachstum und Beschäftigung (arbeitsrechtliches Beschäftigungsförderungsgesetz) vom 25. Oktober 1996 (BGBl. I, S. 1476) an, das am 01. Oktober 1996 in Kraft getreten war.
Mit der am 12. Dezember 1996 bei dem Arbeitsgericht Berlin eingegangenen und der Beklagten am 27. Dezember 1996 zugestellten Klage hat der Kläger den Differenzbetrag zwischen der ihm gezahlten Entgeltfortzahlung und der ihm nach seiner Auffassung zustehenden 100%igen Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall in rechnerisch unstreitiger Höhe von 355,71 DM brutto gegenüber der Beklagten geltend gemacht, nachdem diese eine diesbezügliche Zahlungspflicht mit den Schreiben vom 23; November 1996 (Bl. 5 d. A.) und vom 04. Dezember 1996 (Bl. 7 d. A.) abgelehnt hatte.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, daß ihm trotz der Änderung des Entgeltfortzahlungsgesetzes gemäß § 12 Nr. 1 des MTV-Gew ein 100%iger Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall zustehe, da es sich bei der Regelung des § 12 Nr. 1 MTV-Gew um eine solche handele, die über die gesetzliche Regelung hinausgehe. Selbst wenn dies jedoch nicht der Fall wäre, sei der Anspr...