Leitsatz (amtlich)
Widerspricht der Arbeitnehmer dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf einen Betriebsübernehmer, § 613 a BGB, kann er sich auf eine fehlerhafte soziale Auswahl, § 1 Abs. 3 KSchG. nur berufen, wenn für den Widerspruch ein sachlicher Grund vorliegt.
Normenkette
BGB § 613a; KSchG § 1 Abs. 2-3
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Urteil vom 04.12.1996; Aktenzeichen 1 Ca 40463/96) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 4. Dezember 1996 – 1 Ca 40463/96 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Tatbestand
Die 1957 geborene Klägerin, die verheiratet ist, und einem Kind Unterhalt zu gewähren hat, trat am 12. Juli 1982 als Verkäuferin in die Dienste der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der Firma M. Lebensmittelfilialbetrieb. Sie war von der Beklagten vor ihrer Versetzung in die Filiale … zwölf Jahre lang im … Markt … tätig gewesen. Die Klägerin erhielt zuletzt bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 37 Stunden ein monatliches Bruttogehalt in Höhe von 3.188,00 DM.
Die Beklagte, ein mittelständisches Unternehmen auf dem Gebiet des Lebensmitteleinzelhandels, veräußerte den Markt … mit Wirkung zum 01. Oktober 1996 an einen Herrn F. der nach den Angaben der Beklagten den Markt mit zwischen 14 und 17 Mitarbeitern betreibt, während es nach den Angaben der Klägerin (Bl. 70 d.A.) nur zehn Arbeitnehmer sein sollen. Nachdem die Beklagte die Klägerin schriftlich über den bevorstehenden Betriebsübergang unterrichtet hatte, widersprach die Klägerin diesem mit eingeschriebenen Brief vom 24. September 1997 (Bl. 14 d.A.).
Mit Schreiben vom 08. Oktober 1996, der Klägerin zugegangen am 09. oder 10. Oktober 1996, kündigte die Beklagte den Arbeitsvertrag der Klägerin zum 30. April 1997 aus betriebsbedingten Gründen. Gleichzeitig wurde die Klägerin unter Fortzahlung ihres Arbeitsentgeltes mit sofortiger Wirkung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist von ihrer Arbeit freigestellt.
Mit der beim Arbeitsgericht Berlin am 15. Oktober 1996 eingegangen und der Beklagten am 25. Oktober 1996 zugestellten Klage hat sich die Klägerin gegen die von der Beklagten ausgesprochene Kündigung gewandt und die Auffassung vertreten, daß diese sozial ungerechtfertigt und deshalb rechtsunwirksam sei. Sie habe in vertretbarer Weise von ihrem Widerspruchsrecht im Falle eines Betriebsüberganges Gebrauch gemacht, da der Geschäftserwerber jedenfalls weniger als 20 Arbeitnehmer beschäftige.
Überdies wäre, so hat die Klägerin ausgeführt, die Beklagte verpflichtet gewesen, eine soziale Auswahl vorzunehmen, was sie jedoch nicht getan habe.
Die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrates vor dem Ausspruch der Kündigung hat die Klägerin mit Nichtwissen bestritten und schließlich ihre Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluß des vorliegenden Verfahrens verlangt.
Die Klägerin hat beantragt,
- festzustellen, daß ihr Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 08. Oktober 1996 nicht aufgelöst worden ist und
- die Beklagte zu verurteilen, sie bis zum rechtskräftigen Abschluß des Rechtsstreites als Verkäuferin zu den bisherigen Bedingungen weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat gemeint, daß die von ihr ausgesprochene Kündigung sozial gerechtfertigt sei, da dringende betriebliche Gründe vorgelegen hätten. Durch die Veräußerung des Marktes … in dem die Klägerin zuletzt tätig gewesen sei, sei der Arbeitsplatz weggefallen, nachdem die Klägerin dem Betriebsübergang widersprochen habe. Die allgemeine und hinreichend bekannte Situation auf dem Arbeitsmarkt sei derzeit sicherlich nicht dazu angetan, ohne besondere Not einen sicheren Arbeitsplatz aufs Spiel zu setzen. Die Kündigung sei deshalb erforderlich geworden, da freie vergleichbare Arbeitsplätze langfristig nicht vorhanden seien. Alle in Frage kommenden Märkte würden bis zum Spätsommer 1997 einer „Privatisierung” unterzogen und auf einen anderen Betreiber übertragen. Aufgrund des Verhaltens der Klägerin durch die Ausübung ihres Widerspruchsrechtes habe für sie keine Veranlassung bestanden, die Klägerin in einer besonders sozial schutzwürdigen Position zu sehen, wenn eine Sozialauswahl durchgeführt worden wäre.
Auch habe sie, so hat die Beklagte ausgeführt, den bei ihr bestehenden Betriebsrat vor dem Ausspruch der streitbefangenen Kündigung ordnungsgemäß angehört, was sich aus dem Anhörungsbogen (Bl. 15 d.A.) vom 30. September 1996 ergebe. Die dem Betriebsrat mitgeteilte Begründung für die Entlassung der Klägerin sei ausreichend. Auch habe der Betriebsrat der beabsichtigten personellen Einzelmaßnahme nicht widersprochen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in der ersten Instanz wird auf den Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen, §§ 313 Abs. 2, 543 Abs. 2 Satz 2 ZPO.
Durch am 04. Dezember 1996 verkündetes Urteil hat die Kammer 1 des Arbeitsgerichts Berlin den Klageanträgen stattgegeben und den Wert des Streitgegenstandes auf 12.710,00 DM festgesetzt. Wegen der...