Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufrechnung und Vollstreckungsgegenklage bei Prozeßvergleich
Leitsatz (amtlich)
1. Im Rahmen einer Vollstreckungsgegenklage gegen einen Prozeßvergleich können auch Einwendungen geltend gemacht werden, die sich auf zeitlich vor dem Vergleichsabschluß liegende Tatbestände beziehen.
2. Zur Aufrechnung mit Forderungen zivilrechtlicher Art.
3. Zur Darlegungs- und Beweislast der Darlehenshingabe und Anscheinsbeweis.
4. Eine Abfindung nach §§ 9, 10 KSchG unterliegt der Pfändung.
Normenkette
ZPO §§ 445, 767 Abs. 1-2; BGB §§ 387, 389, 607, 609; GVG § 13; ArbGG § 2 Abs. 2 Nr. 4a; KSchG §§ 9-10
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Urteil vom 09.02.1993; Aktenzeichen 43 Ca 404/93) |
LAG Berlin (Entscheidung vom 20.02.1992; Aktenzeichen 4 Sa 73/91) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 9.2.1993 – 43 Ca 404/93 – wie folgt abgeändert:
Die Zwangsvollstreckung aus dem am 20.2.1992 vor dem Landesarbeitsgericht Berlin abgeschlossenen Prozeßvergleich – 4 Sa 73/91 – wird in Höhe eines Betrages von DM 18.000,– für unzulässig erklärt.
II. Von den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens haben der Kläger 2/11 und der Beklagte 9/11 zu tragen; die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
Tatbestand
Der Kläger war Inhaber des „Wirthauses zum …”, in dem der Beklagte seit 01. März 1989 gegen eine Bruttovergütung von 3.000,– DM zuletzt als Chefkoch tätig war. Am 26. Januar 1989 hatten die Parteien einen Darlehensvertrag unterzeichnet, in dem es heißt:
„Der Darlehensnehmer erhält ein Darlehen in Höhe von
440,00,– DM zinslos
(i.W.: Vierhundertvierzigtausend,– DM) Die Zahlung erfolgt am 26. Januar 1989, die Rückzahlung erfolgt spätestens am 26. Januar 1994.
Wird das zwischen dem Gasthaus … und Herrn … bestehende Arbeitsverhältnis von Herrn … beendet bzw. bestehen triftige Gründe, dieses Arbeitsverhältnis von Seiten des Arbeitgebers zu kündigen, wird der Darlehensbetrag sofort zur Zahlung fällig und mit 12 % p.a. bis zur vollständigen Bezahlung belastet.”
Der Beklagte erhielt jedoch die Darlehenssumme vom Kläger nicht. Der Vertrag ist vielmehr geschlossen worden, weil er, der Beklagte, das Wirtshaus zum … als Gaststättenfachmann (Koch) zu guten Erträgen bringen und es – durch entsprechende Abführung an den Arbeitgeber – allmählich (ganz oder teilweise) erwerben sollte.
Am 01. Februar 1989 unterzeichneten die Parteien handschriftlich einen weiteren schriftlichen Darlehensvertrag, der wie folgt lautet:
Herr … wohnhaft in 1000 Berlin … erhält von mir ein Darlehn in Höhe von 30 000,– DM in Worten: Dreißigtausend, zur Abdeckung seiner Schulden.
Herr … übernimmt in meiner Firma ab 01.02.1989 die Stellung eines Chef-Kochs und verpfändet mir von seinem Netto-Arbeitslohn 1000,– DM monatlich als Tilgung 30 Monate lang.
Nachdem der Kläger das Arbeitsverhältnis des Beklagten am 06. Oktober 1990 fristlos gekündigt und der Beklagte dagegen vor dem Arbeitsgericht Berlin erfolgreich Klage erhoben hatte, schlossen die Parteien vor dem Landesarbeitsgericht Berlin am 20. Februar 1992 einen Prozeßvergleich – 4 Sa 73/91 –, in dem es unter anderem heißt:
- Die Parteien sind sich darüber einig, daß das Arbeitsverhältnis des Klägers durch fristgerechte betriebsbedingte Kündigung zum 30. November 1990 beendet worden ist und daß bis dahin ordnungsgemäß abgerechnet wurde.
Der Beklagte zahlt an den Kläger
18.000,– DM brutto = netto (achtzehntausend)
als Abfindung im Sinne der §§ 9, 10 KSchG.
Der Beklagte zahlt an den Kläger weitere
3.904,– DM brutto
(dreitausendneunhundertundvier)
als Urlaubsabgeltung einschließlich tariflichem Urlaubsgeld.
- Damit ist der vorliegende Rechtsstreit erledigt, einschließlich des noch anhängigen Teils des Rechtsstreits in erster Instanz.
Da der Kläger zur Erfüllung der titulierten Ansprüche aus dem Prozeßvergleich nicht bereit war und ist, hat der Beklagte gegen ihn die Zwangsvollstreckung betrieben.
Mit der beim Arbeitsgericht Berlin am 08. Januar 1993 eingegangenen Klage hat sich der Kläger gegen die vom Beklagten betriebene Zwangsvollstreckung aus dem Prozeßvergleich gewandt und die Auffassung vertreten, daß diese unzulässig sei. Er hat behauptet, er habe in Erfüllung des Darlehensvertrages vom 01. Februar 1989 an den Beklagten 30,000,– DM gezahlt, von denen 12.000,– DM durch den Beklagten ausgeglichen worden seien. Die letzte der weiteren 18 Raten sei am 01. August 1991 fällig gewesen. Insoweit hat der Kläger gegenüber dem titulierten Zahlungsanspruch in Höhe von 18.000,– DM aus dem Prozeßvergleich die Aufrechnung erklärt. Im übrigen hat sich der Kläger darauf berufen, daß das Arbeitsamt von ihm die Rückerstattung von Leistungen an den Beklagten verlangt und er deshalb 2.715,56 DM netto an das Arbeitsamt gezahlt habe. Damit sei der Anspruch des Beklagten aus dem Prozeßvergleich vom 20. Februar 1992 in Höhe von 3.904,– DM brutto ausgeglichen.
Der Kläger hat beantragt,
die Zwangsvollstreckung aus dem am 20. Februar 1992 vor dem Landesarbeitsgericht Berlin – 4 Sa 73/92 (43 Ca 327...