Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterrichtungspflicht. Betriebsübergang. Rechtsfolge nicht ordnungsgemäßer Unterrichtung. Sozialauswahl
Leitsatz (amtlich)
Unterrichtungspflicht, Betriebsübergang, Rechtsfolge nicht ordnungsgemäßer Unterrichtung, Sozialauswahl
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 1, 3; BGB § 613a Abs. 5, § 242
Verfahrensgang
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 14. Oktober 2003 – 1 Ca 13170/03 – abgeändert:
1a) Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers durch die Kündigung vom 9. Mai 2003 nicht aufgelöst worden ist.
b) Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens weiterzubeschäftigen.
2) Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
II. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob eine dem Kläger gegenüber ausgesprochene betriebsbedingte Kündigung, die nach seinem Widerspruch gegen einen Betriebsübergang erfolgte, wirksam ist.
Der am … 1962 geborene verheiratete Kläger, der einem Kind gegenüber unterhaltspflichtig ist, ist gelernter Radio-/Fernsehtechniker und als solcher seit dem 1. Oktober 1990 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin auf Grundlage des Arbeitsvertrages vom 1. Oktober 1990 (Bl. 92-104 d.A.) mit einer monatlichen Bruttovergütung von zuletzt 2.705,– EUR beschäftigt.
Vom 1. Juli 1991 bis Dezember 2001 war in der Camcorderwerkstatt mit folgenden Aufgaben tätig:
eigenverantwortliche und selbständige Reparatur von Camcordern (Videorecordern) aller Fabrikate Kundenbetreuung und Beratung Kalkulation von Reparaturkosten;
in der Zeit vom 1. Januar 2002 bis 31. März 2003 wurde er als Servicetechniker im Außendienst mit der Reparatur und Wartung von Fernseh- und Videogeräten, der Durchführung von Einstellungen sowie der individuellen Beratung der Kunden vor Ort eingesetzt sowie ab 1. April 2003 wieder in der Camcorderwerkstatt.
Mit Wirkung vom 1. Mai 2003 übertrug die Beklagte den Beschäftigungsbetrieb des Reparaturservice an die Firma S. Service Center Berlin GmbH, deren geschäftsführender Gesellschafter der frühere Bereichsleiter und Geschäftsführer des Servicebereiches bei der Beklagten ist. Hierüber hatte die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 8. April 2003, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird (Bl. 21 und 22 d.A.) unterrichtet. Mit Schreiben vom 5. Mai 2003 (Bl. 23 d.A.) widersprach der Kläger dem Betriebsübergang.
Daraufhin hörte die Beklagte den für ihren Berliner Betrieb gebildeten Betriebsrat mit Schreiben vom 5. Mai 2003 (Bl. 24 d.A.) zur beabsichtigten ordentlichen Kündigung des Klägers an. Dieser stimmte am 7. Mai 2003 der Kündigung zu.
Mit Schreiben vom 9. Mai 2003 erklärte die Beklagte daraufhin die fristgemäße Kündigung des mit dem Kläger bestehenden Arbeitsverhältnisses aus betriebsbedingten Gründen zum 31. Oktober 2003 (Bl. 4 d.A.).
Mit bei Gericht am 16. Mai 2003 eingegangener und der Beklagten am 28. Mai 2003 zugestellter Klageschrift hat sich der Kläger gegen diese Kündigung gewandt und seine Weiterbeschäftigung begehrt.
Er hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei bereits deshalb unwirksam, weil die Beklagte den Berliner Betriebsrat und nicht den für den Reparaturservicebetrieb in Großbeeren gebildeten Betriebsrat zur Kündigung angehört habe.
Die Unwirksamkeit der Kündigung folge zudem daraus, dass die Beklagte keine ordnungsgemäße Sozialauswahl durchgeführt habe.
Der Kläger hat insofern behauptet, aufgrund seiner Verkaufs- und Beratungstätigkeit, die er im Außendienst verrichtet habe, sei er mit den bei der Beklagten tätigen Kunden-/Verkaufsberatern vergleichbar und zwar insbesondere mit dem früher ebenfalls im Servicecenter tätigen und sozial weniger schutzbedürftigen Mitarbeiter D..
Ferner hat der Kläger gemeint, selbst wenn die Voraussetzungen für eine betriebsbedingte Kündigung vorlägen, könne sich die Beklagte auf diesen Kündigungsgrund nicht berufen, da sie sich pflichtwidrig verhalten habe, indem sie ihn nicht ordnungsgemäß über den Betriebsübergang informiert habe. Er habe demzufolge keine gesicherte Grundlage für seine Widerspruchsentscheidung gehabt und die Beklagte verhalte sich deshalb unredlich, wenn sie nun ihre Kündigung auf eine fehlende Beschäftigungsmöglichkeit nach diesem Widerspruch stütze.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens des Klägers in der ersten Instanz wird auf die Klageschrift vom 15. Mai sowie seinen Schriftsatz vom 3. September 2003 nebst Anlagen Bezug genommen.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die ordentliche Kündigung vom 09.05.2003 beendet worden ist,
hilfsweise für den Fall der Klagestattgabe,
die Beklagte zu verurteilen, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu den bisherigen Bedingungen als Radio- und Fernsehtechniker im Umfang von 40 Woc...