Entscheidungsstichwort (Thema)
Kürzarbeit. Betriebsvereinbarung
Leitsatz (amtlich)
1. Die Betriebsparteien können in einer Betriebsvereinbarung dem Arbeitgeber eine Gestaltungsfreiheit einräumen, die einem mitbestimmungsfreien Zustand nahekommt (BAG vom 17.10.1989, EzA Nr. 54 zu § 76 BetrVG 1972).
2. Eine Betriebsvereinbarung über Kurzarbeit erfüllt – wegen des schwerwiegenden Eingriffs in den Vergütungsbereich – nur dann die Anforderungen an eine wirksame Ausübung des Mitbestimmungsrechts, wenn in ihr wenigstens die tatbestandlichen Vorgaben vorgezeichnet sind, innerhalb derer dem Arbeitgeber dann ein gewisser Freiraum für die Einzelfallregelung zustehen kann
Normenkette
BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 3
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Urteil vom 08.05.1998; Aktenzeichen 71 Ca 43343/97) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 8.5.1998 – 71 Ca 43343/97 – teilweise – hinsichtlich des Zahlungsantrages – geändert und der Tenor zur Klarstellung wie folgt neu gefaßt:
- Die Beklagte wird verurteilt, das Abmahnungsschreiben vom 5.2.1998 samt Anlageschreiben vom 2.2.1998 aus der Personalakte des Klägers zu entfernen und zu vernichten.
- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 7.855,00 DM brutto abzüglich 2.796,83 DM netto zuzüglich 4 % Zinsen auf den sich hieraus ergebenden Nettobetrag ab dem 1.2.1998 zu zahlen.
- Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
II. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger, der seit dem 1. April 1997 bei der Beklagten als technischer Angestellter/Bauleiter beschäftigt ist, begehrt die Differenzzahlung zwischen seiner Vergütung für den Monat Januar 1998 und dem von ihm bezogenen Kurzarbeitergeld; die Parteien streiten darüber, ob für den Kläger für den Monat Januar 1998 wirksam Kurzarbeit angeordnet worden war.
Zwischen dem bei der Beklagten gewählten Betriebsrat und der Beklagten wurde am 19. Dezember 1997 folgendes vereinbart (Bl. 36 d.A.):
„…
Betriebsvereinbarung
Hiermit wird für die Direktion Ost – NL Berlin gem. § 77 Abs. 2 BetrVG für die Dauer der Kurzarbeitsperiode die Verkürzung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit bzw. die Minderung des Monatslohnes vereinbart.
…”
Diese Vereinbarung ist von Vertretern der Niederlassungsleitung und dem Betriebsrat unterzeichnet.
Mit Antragsformular vom 20. Januar 1998 (Bl. 37 ff d.A.) zeigte die Beklagte gegenüber dem Arbeitsamt III in Berlin an, daß die regelmäßige betriebsübliche Arbeitszeit mit Wirkung vom 1. Januar 1998 bis voraussichtlich am 31. März 1998 für den Gesamtbetrieb herabgesetzt werde. In dieser „Anzeige über Arbeitsausfall” hat die Beklagte unter anderem eingetragen, daß die Kurzarbeit durch Betriebsvereinbarung eingeführt worden sei und daß der Arbeitsausfall bis 100 % betragen könne. Im Betrieb würden 623 Arbeitnehmer insgesamt beschäftigt, vom Arbeitsausfall mit einem Entgeltausfall von mehr als 10 % ihres monatlichen Bruttoentgeltes würden insgesamt 350 Arbeitnehmer betroffen. Mit Bescheid vom 26. Februar 1998 (Bl. 76 d.A.) hat das Arbeitsamt Berlin West, bezogen auf eine Anzeige der Beklagten vom 26. Januar 1998 Kurzarbeitergeld für die Zeit vom 1. Januar 1998 bis zum 31. März 1998 bewilligt.
Die Beklagte hat erstinstanzlich ergänzend vorgetragen, dem Betriebsrat und dem Arbeitsamt habe eine Mitarbeiterliste (Bl. 57 ff d.A.) über diejenigen Mitarbeiter vorgelegen, die von der Kurzarbeit betroffen gewesen seien. Dem Arbeitsamt habe jeweils eine Woche im voraus mitgeteilt werden müssen, welcher Arbeitnehmer in welchem Zeitraum welche Kurzarbeit leisten solle. Bei der Entscheidung von Woche zu Woche, von welchen Arbeitnehmern und mit welcher Stundenzahl Kurzarbeit geleistet werden solle, sei der Betriebsrat nicht noch einmal beteiligt worden, vielmehr habe die Beklagte im Rahmen ihres Direktionsrechtes die Umstände einseitig festgelegt. Die betroffenen Angestellten seien von ihren Vorgesetzten, die gewerblichen Arbeitnehmer von den Polieren über die jeweiligen konkreten Kurzarbeitsanordnungen informiert worden.
Der. Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm gegenüber habe für Januar 1998 nicht wirksam Kurzarbeit angeordnet werden können.
Der Kläger hat beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen, an ihn 7.855,00 DM brutto abzüglich gezahlter 2.796,22 DM netto sowie weitere 4,50 DM (brutto = netto) zu zahlen nebst 4 % Zinsen auf den sich ergebenden Nettobetrag ab dem 1. Februar 1998;
- …
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, der Betriebsrat habe der beabsichtigten Kurzarbeit in der Betriebsvereinbarung vom 19. Dezember 1997 zugestimmt, diese Betriebsvereinbarung habe normativ auf das Arbeitsverhältnis des Klägers eingewirkt.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 8. Mai 1998 den Kläger mit seinem diesbezüglichen Antrag abgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, die Kurzarbeit für Januar 1998 sei wirksam aufgrund der Betriebsvereinbarung vom 19. Dezember 1997 eingeführt worden. Die Betriebsparteien hätten dabei sowohl der...