Entscheidungsstichwort (Thema)
Anordnung. Betriebsvereinbarung. Einführung. Kurzarbeit. Mitbestimmung. Regelungsabrede. Mitbestimmung des Betriebsrates
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Arbeitgeber kann Kurzarbeit mit entsprechender Lohnminderung nur aufgrund gesetzlicher, kollektivvertraglicher oder einzelvertraglicher Grundlage einführen. Andernfalls bedarf es zur Arbeitszeitverkürzung einer Änderungskündigung. Das Direktionsrecht des Arbeitgebers reicht als Rechtsgrundlage für die Einführung von Kurzarbeit nicht aus.
2. Wird mit einer Tarifbestimmung aber nur die Möglichkeit der Kurzarbeit eröffnet, muss die Festsetzung im Einzelfall ebenso wie etwa die Festsetzung von Beginn und Ende der Arbeitszeit und auch die Einführung der Art der Kurzarbeit, nämlich die Verkürzung der täglichen Arbeitszeit oder der Wegfall der Arbeit an einzelnen Tagen, unter Einhaltung des Mitbestimmungsrechts festgelegt werden.
3. Eine wirksame Betriebsvereinbarung liegt nur vor, wenn beide Parteien auf demselben Schriftstück unterschrieben haben.
4. Die Anzeige nach § 173 Abs. 1 SGB III, als Voraussetzung für den Anspruch auf Kurzarbeitergeld und die Gewährung von Kurzarbeitergeld durch die Bundesagentur für Arbeit betreffen nur den sozialrechtlichen Anspruch auf Kurzarbeitergeld. Davon ist es arbeitsrechtlich unabhängig, ob die Kurzarbeit für den Arbeitnehmer verbindlich eingeführt wurde.
Normenkette
BGB § 615; BetrVG § 77 Abs. 4, § 87 Abs. 1 Nr. 3; SGB III § 173
Verfahrensgang
ArbG Kaiserslautern (Urteil vom 09.02.2010; Aktenzeichen 4 Ca 650/08) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern – Auswärtige Kammern Pirmasens – vom 9. Februar 2010 Az.: 4 Ca 650/08, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte an den Kläger in der Zeit von Juli 2008 bis Januar 2009 den regelmäßigen Lohn zu zahlen oder ob sie für den Kläger mit der Folge der Entgeltreduzierung wirksam Kurzarbeit angeordnet hat.
Die Beklagte stellt Stanzmesser her. Sie beschäftigt in ihrem Betrieb 34 Arbeitnehmer; es besteht ein Betriebsrat. Der am 15.05.1946 geborene Kläger ist seit 08.03.1971 bei der Beklagten als Arbeiter zu einem Stundenlohn von zuletzt EUR 14,40 brutto beschäftigt. Seine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit beträgt 37,5 Stunden. Auf das Arbeitsverhältnis finden die Bestimmungen des Manteltarifvertrages für das Metallhandwerk Pirmasens vom 01.02.1999 (MTV) kraft Nachwirkung Anwendung.
Der MTV hat soweit vorliegend von Interesse folgenden Wortlaut:
„§ 4 Kurzarbeit
Wenn die betrieblichen Verhältnisse es erfordern, um Entlassungen zu vermeiden, kann die Geschäftsleitung im Einvernehmen mit der gesetzlichen Betriebsvertretung Kurzarbeit ohne Kündigung des Arbeitsverhältnisses ansagen. Die Ankündigungsfrist beträgt eine Woche.
Für die Ankündigung der Kurzarbeit genügt ein Aushang im Betrieb oder in den betreffenden Abteilungen.
Wird nach der gemäß Ziffer 1 vereinbarten Kurzarbeit länger als einen Monat wieder voll gearbeitet, so muss bei erneuter Kurzarbeit die Ankündigungsfrist erneut eingehalten werden.
Die Einführung von Kurzarbeit ist nur möglich, wenn die Gewährung von Kurzarbeitergeld nach dem Arbeitsförderungsgesetz sichergestellt ist.”
Mit Schreiben vom 21.11.2007 (Bl. 26 d.A.) teilte der Betriebsrat der Geschäftsleitung folgendes mit:
„Sehr geehrte Herren,
der Betriebsrat stimmt der Kurzarbeit zu, allerdings unter dem Vorbehalt, dass zuerst der bestehende Urlaub sowie die aufgelaufenen Überstunden abgebaut werden.
Bitte beachten Sie auch, dass in der Zeit der Kurzarbeit keine Leiharbeiter eingesetzt werden sollen.
Mit freundlichen Grüßen”
Am 27.11.2007 erfolgte im Betrieb folgender Aushang, der sowohl von der Geschäftsleitung als auch vom Betriebsrat unterzeichnet ist:
„Aushang wegen Kurzarbeit
„Sehr geehrte Mitarbeiter,
wegen rückläufiger Auftragslage ist es erforderlich, in der Abteilung
Schmiede und Vollbau
Kurzarbeit ab Dezember 2007 einzuführen.
Dies haben Gespräche mit unseren Kunden und unserem Außendienst ergeben.
Wir bitten um Kenntnisnahme.”
Der Kläger arbeitete vom 01. bis zum 14.07.2008 voll. Er war dann bis zum 25.07.2008 arbeitsunfähig erkrankt und im Anschluss vom 26.07. bis zum 09.08.2008 in Erholungsurlaub. Die Beklagte hat für die hier streitgegenständlichen Monate von Juli 2008 bis Januar 2009 (mit Ausnahme August 2008) Kurzarbeitergeld (Kug) abgerechnet und gezahlt. Mit seiner Klage macht der Kläger die Differenzbeträge zu seinem Bruttolohnanspruch geltend:
Monat |
Kurzarbeit lt. Abrechnung |
Kug netto |
Stundenlohn |
Forderung brutto |
Juli 2008 |
57,25 Std. |
EUR 311,16 |
EUR 14,40 |
EUR 824,40 |
Sept. 2008 |
81,00 Std. |
EUR 488,12 |
EUR 14,40 |
EUR 1.166,40 |
Okt. 2008 |
145,50 Std. |
EUR 916,40 |
EUR 14,40 |
EUR 2.095,20 |
Nov. 2008 |
117,00 Std. |
EUR 763,70 |
EUR 14,40 |
EUR 1.684,80 |
Dez. 2008 |
112,50 Std. |
EUR 690,36 |
EUR 14,40 |
EUR 1.620,00 |
Jan. 2009 |
154,50 Std. |
EUR 1.005,14 |
EUR 14,40 |
EUR 2.224,80 |
Er ist der Ansicht, die Beklagte habe Kurzarbeit nicht wirksam eingeführt. Der ...