Entscheidungsstichwort (Thema)
Anordnung. Betriebsvereinbarung. Einführung. Mitbestimmung. Regelungsabrede. Kurzarbeit. Mitbestimmung des Betriebsrates
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Arbeitgeber kann Kurzarbeit mit entsprechender Lohnminderung nur aufgrund gesetzlicher, kollektivvertraglicher oder einzelvertraglicher Grundlage einführen. Andernfalls bedarf es zur Arbeitszeitverkürzung einer Änderungskündigung. Das Direktionsrecht des Arbeitgebers reicht als Rechtsgrundlage für die Einführung von Kurzarbeit nicht aus.
2. Im Fall des § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG und der Einführung von Kurzarbeit ist für die Ausübung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats keine Form vorgeschreiben. Es kommt allein darauf an, dass die Mitbestimmung des Betriebsrats verwirklicht, d.h. die Angelegenheit nicht ohne vorheriges Einverständnis des Betriebsrats geregelt wird. Hierzu bedarf es keiner förmlichen Betriebsvereinbarung nach § 77 Abs. 2 BetrVG. Vielmehr genügt eine formlose Regelungsabrede.
3. Eine Änderung der einzelnen Arbeitsverträge hinsichtlich der Arbeitszeit und der Lohnzahlungspflicht für die Dauer der Kurzarbeitsperiode ohne Rücksicht auf den Willen der Arbeitnehmer kann jedoch nur durch eine förmliche Betriebsvereinbarung nach § 77 Abs. 2 BetrVG herbeigeführt werden. Nur sie wirkt gem. § 77 Abs. 4 BetrVG unmittelbar und zwingend auf die Arbeitsverhältnisse der betroffenen Arbeitnehmer ein. Demgegenüber erschöpft sich die Wirkung einer formlosen Regelungsabrede zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber in der Aufhebung der betriebsverfassungsrechtlichen Beschränkung der Rechte des Arbeitgebers, begründet aber keine Rechte im Verhältnis zu den Arbeitnehmern.
Normenkette
BGB § 615; BetrVG § 77 Abs. 4, § 87 Abs. 1 Nr. 3; SGB III § 173
Verfahrensgang
ArbG Kaiserslautern (Urteil vom 09.02.2010; Aktenzeichen 4 Ca 443/09) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern – Auswärtige Kammern Pirmasens – vom 9. Februar 2010 Az.: 4 Ca 443/09, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte an den Kläger in der Zeit von Februar 2009 bis August 2009 den regelmäßigen Lohn zu zahlen oder ob sie für den Kläger mit der Folge der Entgeltreduzierung wirksam Kurzarbeit angeordnet hat.
Die Beklagte stellt Stanzmesser her. Sie beschäftigt in ihrem Betrieb 34 Arbeitnehmer; es besteht ein Betriebsrat. Der am 15.05.1946 geborene Kläger ist seit 08.03.1971 bei der Beklagten als Arbeiter zu einem Stundenlohn von zuletzt EUR 14,40 brutto beschäftigt. Seine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit beträgt 37,5 Stunden. Auf das Arbeitsverhältnis finden die Bestimmungen des Manteltarifvertrages für das Metallhandwerk Pirmasens vom 01.02.1999 (MTV) kraft Nachwirkung Anwendung.
Der MTV hat soweit vorliegend von Interesse folgenden Wortlaut:
„§ 4 Kurzarbeit
Wenn die betrieblichen Verhältnisse es erfordern, um Entlassungen zu vermeiden, kann die Geschäftsleitung im Einvernehmen mit der gesetzlichen Betriebsvertretung Kurzarbeit ohne Kündigung des Arbeitsverhältnisses ansagen. Die Ankündigungsfrist beträgt eine Woche.
Für die Ankündigung der Kurzarbeit genügt ein Aushang im Betrieb oder in den betreffenden Abteilungen.
Wird nach der gemäß Ziffer 1 vereinbarten Kurzarbeit länger als einen Monat wieder voll gearbeitet, so muss bei erneuter Kurzarbeit die Ankündigungsfrist erneut eingehalten werden.
Die Einführung von Kurzarbeit ist nur möglich, wenn die Gewährung von Kurzarbeitergeld nach dem Arbeitsförderungsgesetz sichergestellt ist.”
Mit Schreiben vom 21.11.2007 teilte der Betriebsrat der Geschäftsleitung folgendes mit:
„Sehr geehrte Herren,
der Betriebsrat stimmt der Kurzarbeit zu, allerdings unter dem Vorbehalt, dass zuerst der bestehende Urlaub sowie die aufgelaufenen Überstunden abgebaut werden.
Bitte beachten Sie auch, dass in der Zeit der Kurzarbeit keine Leiharbeiter eingesetzt werden sollen.
Mit freundlichen Grüßen”
Am 27.11.2007 erfolgte im Betrieb folgender Aushang, der sowohl von der Geschäftsleitung als auch vom Betriebsrat unterzeichnet ist:
„Aushang wegen Kurzarbeit
„Sehr geehrte Mitarbeiter,
wegen rückläufiger Auftragslage ist es erforderlich, in der Abteilung
Schmiede und Vollbau
Kurzarbeit ab Dezember 2007 einzuführen.
Dies haben Gespräche mit unseren Kunden und unserem Außendienst ergeben.
Wir bitten um Kenntnisnahme.”
Die Beklagte hat für die hier streitgegenständlichen Monate von Februar 2009 bis August 2009 Kurzarbeitergeld (Kug) abgerechnet und gezahlt. Mit seiner Klage macht der Kläger die Differenzbeträge zu seinem Bruttolohnanspruch geltend:
Monat |
Kurzarbeit lt.Abrechnung |
Kugnetto |
Stundenlohn |
Forderungbrutto |
Feb. 2009 |
150,00 Std. |
EUR 991,22 |
EUR 14,40 |
EUR 2.160,00 |
März 2009 |
158,25 Std. |
EUR 1.019,00 |
EUR 14,40 |
EUR 2.278,80 |
April 2009 |
153,75 Std. |
EUR 990,56 |
EUR 14,40 |
EUR 2.214,00 |
Mai 2009 |
141,75 Std. |
EUR 934,52 |
EUR 14,40 |
EUR 2.041,20 |
Juni 2009 |
150,00 Std. |
EUR 962,12 |
EUR 14,40 |
EUR 2.160,00 |
Juli 2009 |
171,00 Std. |
EUR 1.096,52 |
EUR 14,40 |
EUR 2.462,40 |
Aug. ... |