Entscheidungsstichwort (Thema)

Herausgabe von Schmiergeldern im öffentlichen Dienst. Bedeutung des Grundsatzes der Vorrangigkeit einer Verfallanordnung

 

Leitsatz (amtlich)

1.

Der Arbeitgeber hat einen Anspruch auf Herausgabe der Vorteile, die der Arbeitnehmer in unmittelbarem Zusammenhang mit der Ausführung der ihm obliegenden Aufgaben von einem Dritten rechtswidrig erhalten hat.

2.

Dies gilt auch im Arbeitsverhältnis des öffentlichen Dienstes; und zwar unabhängig davon, ob sich der Arbeitgeber dazu auf die Regelung des § 10 BAT stützen kann (Abgrenzung zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Strafsachen).

3.

Der Einwand des Arbeitnehmers, er habe das Schmiergeld wegen spekulativer Aktiengeschäfte verbraucht, ist im Rahmen seiner Herausgabepflicht unbeachtlich.

4.

Ist im Strafverfahren gem. §§ 73 ff. StGB eine Verfallanodnung ergangen, geht diese dem Herausgabeannspruch des Arbeitgebers vor; dieser ist in Bestechungsfällen nicht Verletzter i. S. d. § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB.

Sieht das Strafgericht auf der Grundlage des § 73 c Abs. 1 Satz 2 StGB nach seinem tatrichterlichen Ermessen von einer Verfallanordnung (teilweise) rechtskräftig ab, so bleibt der (darüber hinausgehende) Herausgabeanspruch des Arbeitgebers unberührt. Die Verfallvorschriften der §§ 73 ff. StGB stellen keine abschließende Sonderregelung dar, so dass bei einer gem. § 73 c Abs. 1 Satz 2 StGB unterbliebenen Verfallanordnung Ansprüche Dritter nicht beseitigt werden.

 

Normenkette

BGB a. F. § 672; BGB §§ 242, 667, 681 S. 2, § 687 Abs. 2, § 823 Abs. 2, § 826; StGB § 73 ff., §§ 263, 266, 332; BAT § 10; BBG § 70

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Urteil vom 15.06.2004; Aktenzeichen 93 Ca 29078/03)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 15. Juni 2004 – 93 Ca 29078/03 – abgeändert:

  1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 50.000,– EUR (fünfzigtausend) nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20. August 2003 zu zahlen.
  2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

II. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin verlangt vom Beklagten die Herausgabe von Schmiergeldern; hilfsweise verfolgt sie gegen ihn insoweit einen Schadensersatzanspruch.

Der Beklagte war bei der Rechtsvorgängerin der Klägerin, der T. (T.), in der Zeit vom 1. November 1990 bis zum 31. Juli 1992 als Referent der Verkaufsabteilung des Direktorats Abwicklung beschäftigt. Er wechselte sodann mit Wirkung zum 1. August 1992 zur T. L.ges. mbH (TLG), einer privatrechtlich organisierten Tochtergesellschaft der T., wo er zunächst als Koordinator und anschließend als Referent im Bereich Abwicklung/Liquidation eingesetzt wurde, um sodann im Mai 2001 aus dem Arbeitsverhältnis auszuscheiden.

Im März 1992 vermittelte der Beklagte zusammen mit dem ebenfalls bei der T. als Referent der Verkaufsabteilung des Direktorats Abwicklung beschäftigten Angestellten W. der A. Hausverwaltung GmbH den Erwerb zweier Grundstücke des T.unternehmens L. B. GmbH in Gr. und in Wo. In Absprache mit dem Beklagten stellte dessen Ehefrau der A. Hausverwaltung GmbH zwei Rechnungen hinsichtlich fiktiver Beratungsleistungen über insgesamt 342.000,00 DM. Über die in der Zeit von Januar 1994 bis September 1994 seitens der A. Hausverwaltung GmbH daraufhin auf das Konto der Ehefrau geleisteten, entsprechenden Zahlungen verfügte der Beklagte. Die Beträge wurden von der Ehefrau des Beklagten zur Versteuerung angemeldet, so dass dem Beklagten ein Nettobetrag von 161.675,14 DM verblieb.

Das Amtsgericht T. gelangte in dem gegen den Beklagten gerichteten Strafverfahren in seinem rechtskräftigen Urteil vom 6. Mai 2003, in dem es dem Beklagten wegen des Vergehens der Bestechlichkeit gem. § 332 StGB in der zur Tatzeit geltenden Fassung schuldig sprach und gegen ihn eine Freiheitsstrafe von 6 Monaten zur Bewährung festsetzte, zu der Feststellung, dass im Vermögen des Beklagten nur noch ca. 10.000,00 EUR verblieben waren. Insoweit erklärte es diesen Betrag im Urteil zugunsten der L.kasse Berlin für verfallen; es führte dazu in den Gründen u.a. aus:

Der Verfall eines Geldbetrages war in Höhe von 10.000,00 EUR gemäß § 73 Abs. 1 S. 1, 73 a, 73 c Abs. 1 S. 2 StGB anzuordnen. Der Angeklagte Jürgen Ewert hat aus der Tat eine Geldsumme von insgesamt 342.000,00 DM erlangt. Da das Erlangte als solches nicht mehr vorhanden ist, war der Verfall im Wege des Wertersatzverfalls anzuordnen. Gemäß § 73 c Abs. 1 S. 2 StGB hat das Gericht den Verfall des Wertersatzes auf 10.000,00 EUR beschränkt, da ein darüber hinausgehender Wert des Erlangten zum heutigen Zeitpunkt nach den glaubhaften Angaben des Angeklagten J. E. in dessen Vermögen nicht mehr vorhanden ist.

Unter dem 6. August 2003 machte die Klägerin unter Hinweis auf eine zu ihren Gunsten erfolgte Abtretung etwaiger Ansprüche der TLG die Herausgabe der erlangten Schmiergelder von 161.675,14 DM abzüglich des für verfallenen erklärten Teilbetrags geltend, was rechnerisch eine Summe von 72.663,18 EUR ergibt.

Hinsichtlich eines Teilbetrags von 50....

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