Entscheidungsstichwort (Thema)

Wichtiger Grund. Alkohol im Dienst

 

Leitsatz (amtlich)

Wenn ein Arbeitnehmer im alkoholisierten Zustand eine für andere gefährliche Tätigkeit aufnimmt oder fortsetzt, um Probleme bei einem Fernbleiben von der Arbeit oder beim Abtritt vom Dienst zu vermeiden, begeht er eine vorsätzliche Pflichtverletzung, die in ihrer kündigungsrechtlichen Bedeutung unabhängig davon ist, ob er alkoholkrank ist oder nicht (gegen BAG, Urteil vom 09.04.1987 – 2 AZR 210/86 – AP Nr. 18 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit n.F. Nr. 18 zu B II 2 d. Gr.; einschränkend bereits Urteil vom 30.09.1993 – 2 AZR 188/93 – EzA § 626 n.F. BGB Nr. 152 B I 3 a. E. d.Gr.).

 

Normenkette

BGB § 626 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Urteil vom 12.03.1997; Aktenzeichen 21 Ca 47428/96)

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 12. März 1997 – 21 Ca 47428/96 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der am 10. April 1955 geborene Kläger war seit dem 01. Oktober 1978 beim Beklagten bzw. dessen Rechtsvorgänger beschäftigt, u. z. als Transportfahrer. Auf das Arbeitsverhältnis fand der BMT-G-O Anwendung.

Nach zwei Abmahnungen vom 31. Oktober 1994 und 30. Oktober 1996 (Ablichtung Bl. 12 und 13 d.A.) kündigte der Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 06. Dezember 1996 fristlos.

Die hiergegen gerichtete Klage hat das Arbeitsgericht Berlin ebenso abgewiesen wie das Begehren des Klägers nach Weiterbeschäftigung und Verzugslohn für die Folgezeit. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe am 28. November 1996 schwerwiegend gegen seine vertraglichen Pflichten verstoßen, indem er mit einer Blutalkoholkonzentration (BAK) von 3,9 Promille seinen Dienst als Führer eines Fahrzeugs auf dem Krankenhausgelände verrichtet habe, wodurch Mitarbeiter, Patienten und Besucher gefährdet worden seien. Auf eine krankhafte Alkoholabhängigkeit habe sich der Kläger nicht berufen. Der Kläger habe auch nicht geltend gemacht, sich in einem seine Schuldfähigkeit ausschließenden Zustand befunden zu haben, zumal es einen schwerwiegenden Pflichtenverstoß dargestellt hätte, sich in einen solchen Zustand zu versetzen. Der Kläger sei auch einschlägig abgemahnt worden. Dem Beklagten sei deshalb die Einhaltung der Kündigungsfrist nicht zumutbar. Für die Möglichkeit einer Beschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz während der Kündigungsfrist habe der Kläger nichts vorgetragen. Trotz seiner langen Betriebszugehörigkeit könne die Interessenabwägung zu keinem anderen Ergebnis führen, weil der Kläger eine erhebliche Gefährdung anderer Personen verursacht habe. Mängel bei der Personalratsbeteiligung seien nicht feststellbar. Wegen der fristlosen Beendigung des Arbeitsverhältnisses bestünden auch keine Ansprüche auf Weiterbeschäftigung und Verzugslohn.

Gegen dieses ihm am 15. Mai 1997 zugestellte Urteil richtet sich die am 09. Juni 1997 eingelegte und begründete Berufung des Klägers. Er hält eine einzige Blutprobe zum Nachweis einer Alkoholisierung für unzureichend, da nicht auszuschließen sei, daß es zu einer Verwechslung gekommen sei. Bei einer BAK von 3,9 Promille sei in der Regel davon auszugehen, daß eine Alkoholvergiftung vorliege und der Betreffende keinesfalls mehr in der Lage sei, an seinem Arbeitsplatz zu erscheinen und sich zu einer Blutentnahme zu begeben. Er habe am Vortag in der Zeit von 16.00 bis ca. 22.30 Uhr vier Dosen Bier zu 0,5 Liter sowie ca. 0,2 Liter Weinbrand getrunken und am Morgen auch auf dem Weg zur Arbeit keinen Alkohol mehr zu sich genommen. Er leide unter einer Alkoholerkrankung und befinde sich deswegen in ärztlicher Behandlung. Eine hinreichende Abmahnung bestreite er weiterhin.

Der Kläger beantragt,

unter Änderung des angefochtenen Urteils

  1. festzustellen, daß das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die fristlose Kündigung des Beklagten vom 06. Dezember 1996 nicht aufgelöst worden sei,
  2. den Beklagten zu verurteilen, ihn bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung des Rechtsstreits weiterhin als Transportarbeiter mit einer regelmäßigen Arbeitszeit von 40 Stunden pro Woche und einem regelmäßigen Entgelt in Höhe von 3.581,00 DM brutto pro Monat zu beschäftigen,
  3. den Beklagten zu verurteilen, an ihn 10.743,00 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil und verweist darauf, daß der Kläger eine Alkoholkrankheit vor Ausspruch der Kündigung gegenüber seinen Mitarbeitern und dem Personalrat ausdrücklich verneint habe.

Das Gericht hat die Zeugen M., K., K. und Dr. S. gemäß den Beweisbeschlüssen vom 22. August und 31. Oktober 1997 (Bl. 70 und 73 d.A.) vernommen und von einer Protokollierung ihrer Aussagen gem. § 161 Abs. 1 Nr. 1 ZPO abgesehen.

 

Entscheidungsgründe

1. Die fristgemäß eingelegte und begründete Berufung des Klägers ist auch hinsichtlich der Leistungsanträge zulässig, obwohl es insoweit an jeglichen Ausführungen gefehlt hat, wei...

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