Verfahrensgang
ArbG Senftenberg (Beschluss vom 11.05.1992) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluß des Arbeitsgerichts S. vom 11.05.1992 abgeändert. Der Gegenstandswert wird auf 100.000,00 DM festgesetzt. Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht gebühren- und auslagenfrei.
Gründe
1. Die Beteiligten haben um die Wirksamkeit des Spruches einer Einigungsstelle gestritten, mit dem ein Sozialplan erstellt wurde, dessen Volumen letztendlich 7,382 Millionen DM betragen hat. Der Antragsteller hat diesen Spruch angefochten, weil die Einigungsstelle ihr Ermessen nicht ausgeübt haben soll. Er strebte einen Sozialplan mit einem Volumen von 17,468 Millionen DM an. In dem Anfechtungsverfahren haben die Anwälte der Beteiligten jeweils mit einem Schriftsatz zur Sach- und Rechtslage Stellung genommen. Das Verfahren wurde vor der ersten mündlichen Verhandlung eingestellt, nachdem der Antragsteller seinen Antrag zurückgenommen hatte.
Das Arbeitsgericht hat den Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit auf 18.000,00 DM festgesetzt. Gegen diesen, dem Prozeßbevollmächtigten des Antragstellers am 25.05.1992 zugestellten, Beschluß richtet sich die am 09.06.1992 eingegangene Beschwerde. Der Beschwerdeführer ist der Ansicht, der Gegenstandswert folge aus dem Volumen des angefochtenen Sozialplanes.
2. Die Beschwerde ist nach § 10 Abs. 3 BRAGO zulässig. In der Sache hat sie zum Teil Erfolg. Der Gegenstandswert beträgt im vorliegenden Verfahren 100.000,00 DM. Der Beschluß des Arbeitsgerichts war daher abzuändern und die Beschwerde im übrigen zurückzuweisen.
Die Festsetzung des Gegenstandswertes im arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren richtet sich nach § 8 Abs. 2 Satz 2 BRAGO. Wegen der Kostenfreiheit des Beschlußverfahrens nach § 12 Abs. 5 ArbGG sind keine Wertvorschriften für die Gerichtsgebühren vorgesehen – § 8 Abs. 1 Satz 3 BRAGO. § 8 Abs. 2 Satz 1 BRAGO kann auch nicht sinngemäß angewandt werden, da die Vorschriften der Kostenordnung wegen der besonderen Inhalte des arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahrens nicht herangezogen werden dürfen (LAG Hamburg vom 04.08.1992, BB 92, 1857; LAG Schleswig-Holstein vom 15.12.1988, LAGE Nr. 10 zu § 8 BRAGO; LAG Berlin vom 30.10.1975, DB 76, 1388).
Bei der Anfechtung eines Sozialplanes handelt es sich um eine vermögensrechtliche Streitigkeit (LAG Berlin vom 30.10.1975, DB 76, 1388; LAG Hamm vom 13.10.1988, LAGE Nr. 8 zu § 8 BRAGO). Zwar wird es sich in der Regel bei Beschlußverfahren um nicht vermögensrechtliche Streitigkeiten handeln, soweit keine bezifferten Anträge gestellt werden (vgl. LAG Schleswig-Holstein vom 15.12.1988, LAGE Nr. 10 zu § 8 BRAGO). Bei der Anfechtung eines Sozialplanes geht es den Beteiligten jedoch im Kern um die Wahrung wirtschaftlicher Interessen. Sie stehen erkennbar im Vordergrund. Dies rechtfertigt die Zuordnung dieses Verfahrens zu den vermögensrechtlichen Streitigkeiten (vgl. BGH NJW 1985, 809; BGHZ 35, 304 ff.). Auch wenn der vermögenslose Betriebsrat bei der Anfechtung eines Sozialplanes keine eigenen wirtschaftlichen Interessen verfolgt, macht er doch als „institutionalisierter Vertreter” der Belegschaft deren wirtschaftliche Interessen geltend. Die Bündelung dieser Interessen durch die Betriebsverfassung kann nicht verdecken, daß es sich nach wie vor um die Wahrung wirtschaftlicher Interessen handelt, die damit für die Zuordnung des Verfahrens über die Anfechtung eines Sozialplanes bestimmend bleiben.
Der Gegenstandswert ist – so § 8 Abs. 2 Satz 2 BRAGO – nach billigem Ermessen zu bestimmen. Dabei ist der Streitwert im arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren in ein Bewertungssystem einzubinden, welches falladäquate Abstufungen zuläßt und zugleich tragenden Grundsätzen des Arbeitsgerichtsprozesses Rechnung trägt (LAG Hamm vom 19.03.1987, LAGE Nr. 70 zu § 12 ArbGG 1979 Streitwert; LAG Hamm vom 13.10.1988, LAGE Nr. 8 zu § 8 BRAGO).
Man hat daher den Streitwert für die Anfechtung eines Sozialplanes in Höhe der Differenz zwischen dem „Angebot” des Arbeitgebers und der Forderung des Betriebsrates festgesetzt (LAG Hamm vom 13.10.1988, LAGE Nr. 8 zu § 8 BRAGO) oder die Differenz zwischen dem Volumen des vom Arbeitgeber aufgelegten Sozialplanes und dem des durch Spruch der Einigungsstelle erstellten Sozialplanes zur Grundlage der Festsetzung des Gegenstandswertes gemacht (LAG Berlin vom 30.10.1975, DB 76, 1388). So wird übergangen, daß die erfolgreiche Anfechtung eines Sozialplanes nicht zur verbindlichen Festlegung eines neuen Sozialplanvolumens durch das Gericht führt. Wie beim Streit um die Zuständigkeit der Einigungsstelle zur Entscheidung über einen Sozialplan ist mit der positiven Entscheidung des Gerichts sowohl nach einer Anfechtung durch den Arbeitgeber als auch bei der Anfechtung durch den Betriebsrat im Regelfall nicht der Streit um die endgültige Dotierung des Sozialplanes erledigt. Die gerichtliche Entscheidung im Anfechtungsverfahren enthält keine irgendwie verbindliche Festlegung über den Gesamtrahmen...