Entscheidungsstichwort (Thema)

Anrechnung von Dienstzeiten

 

Leitsatz (amtlich)

Nach dem tariflichen Ausschlußtatbestand der Ziff. 1 a der Übergangsvorschrift zu § 16 TV-Ang O, ist eine Berücksichtigung früherer Postzeiten noch nicht allein deshalb ausgeschlossen, weil der Angestellte damals lediglich eine Verpflichtungserklärung zur Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Staatssicherheit abgegeben hat, ohne das es zu einer solchen gekommen ist.

 

Normenkette

Übergangsvorschrift § 16 und Ziff. 1 a; TV-Ang Ost der Deutschen Bundespost § 16

 

Verfahrensgang

ArbG Potsdam (Urteil vom 14.09.1995; Aktenzeichen 1 Ca 2761/94)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 28.05.1998; Aktenzeichen 6 AZR 618/96)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen dasUrteil des Arbeitsgerichtsvom 14.09.1995 – 1 Ca 2761/94 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Dauer der Dienstzeit des Klägers.

Der am … 1955 geborene Kläger war seit dem 1.9.1972 bei der Deutschen Post der ehemaligen DDR beschäftigt und im Fernmeldeamt C. eingesetzt. Seit 1987 war er mit dem Aufbau und der Wartung der Chiffrieranlage des Post- und Fernmeldeamtes S. betraut. Deren Chiffriertechnik sowie die Sicherheit der örtlichen Gegebenheiten wurden halbjährlich von Mitarbeitern des MfS/AfNS überprüft. Zum 3.10.1990 wurde der Kläger von der Beklagten übernommen. Auf sein Arbeitsverhältnis finden nunmehr die Tarifverträge für die Angestellten der Deutschen Bundespost Anwendung. § 16 TV Ang-O enthält folgende Regelung:

„(1) Postdienstzeit ist die bei der Deutschen Bundespost/Deutschen Post zurückgelegte Zeit, auch wenn sie unterbrochen ist;

Übergangsvorschriften:

1. für die Zeiten vor dem 1. Januar 1991

Von der Berücksichtigung als Postzeit sind ausgeschlossen

a) Zeiten jeglicher Tätigkeit für das Ministerium für Staatssicherheit/Amt für National Sicherheit (einschließlich der Verpflichtung zu informeller/inoffizieller Mitarbeit).

…”

In seinem Antrag vom 13.10.1992 auf Anerkennung von Vordienstzeiten erklärte der Kläger, niemals für das MfS/AfNS tätig gewesen zu sein. Unter dem 8.3.1994 teilte der Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR der Beklagten mit, daß der Kläger auf Karteikarten des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) unter dem Decknamen „B.” als „IMS” geführt worden sei. Die Beklagte setzte daraufhin nach seiner Anhörung den Beginn seiner Dienstzeit gemäß Schreiben vom 4.5.1994 auf den 3.10.1990 fest. Mit der vorliegenden, am 14.11.1994 bei dem Arbeitsgericht eingegangenen Klage begehrte er die Anerkennung seiner Postzeit ab dem 1.9.1972.

Der Kläger hat behauptet, daß er im Zusammenhang mit seiner Arbeit an der Chiffrieranlage Beführungspunkte mit dem MfS gehabt habe, aber niemals für das MfS tätig gewesen sei. Ebensowenig habe er eine Verpflichtungserklärung abgegeben. Seine Registrierung sei ohne sein Wissen erfolgt. Von ihr habe er erstmals während seiner Anhörung am 13.4.1994 erfahren.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, daß dem Kläger eine Postdienstzeit/Dienstzeit ab dem 1.9.1972 anzuerkennen sei.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat behauptet, daß der Kläger mit dem MfS zusammengearbeitet habe, wenngleich die Zusammenarbeit nicht so intensiv gewesen sei, daß sein Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung hätte beendet werden müssen. Für die Anerkennung der Vordienstzeiten komme es aber auf die Intensität der Zusammenarbeit nicht an, weil Zeiten jeglicher Tätigkeit für das MfS nicht zu berücksichtigen seien. Für eine derartige Tätigkeit spreche aber bereits, daß er von dem MfS unter einem Decknamen geführt worden sei. Ein Deckname werde erst nach der Abgabe einer Verpflichtungserklärung zur Zusammenarbeit vergeben bzw. von dem inoffiziellen Mitarbeiter im Zusammenhang mit der Verpflichtung selbst gewählt.

Das Arbeitsgericht … hat durch Urteil vom 14.9.1995 – 1 Ca 2761/94 – der Klage entsprochen. Zur Begründung hat es ausgeführt, daß die Ausschlußtatbestände für die Anrechnung nicht erfüllt seien. Das Vorhandensein einer Karteikarte mit der Registrierung als IMS unter einem Decknamen reiche allein nicht als Nachweis für eine Tätigkeit für das MfS aus.

Gegen das ihr am 1.12.1995 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 19.12.1995 Berufung eingelegt und sie nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist mit Beschluß vom 12.1.1996 zum 19.2.1996 am 19.2.1996 begründet.

Die Beklagte ist der Auffassung, daß das Arbeitsgericht den Beweiswert der in den Unterlagen des MfS vorgefundenen Karteikarte des Klägers unzutreffend gewürdigt habe. Die Existenz der Karteikarte über die Führung als IMS und die Eintragung in die Vorgangskartei bewiesen eindeutig das Vorhandensein einer Verpflichtung zur Zusammenarbeit mit dem MfS. Der Kläger habe sich auch im September 1987 gegenüber dem Mitarbeiter des MfS verpflichtet und den Decknamen „B.” gewählt. Ausweislich der Eintragung auf der Karteikarte hatte der Kläger Kontakt zu dem Führungsoffizier und sich mit diesem in dem Zei...

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