Entscheidungsstichwort (Thema)

Anrechnung von Postdienstzeiten

 

Leitsatz (amtlich)

Unschädlichkeit einer Tätigkeit für das MfS, die sich lediglich im Rahmen der dienstlichen Obliegenheiten bewegte, für die Anrechnung von (Pos-)Vordienstzeiten im Rahmen von § 16 TV-Ang-O

 

Normenkette

Tarifvertrages für die Angestellten der Deutschen Bundespost im Beitrittsgebiet (TV-Ang-O) § 16

 

Verfahrensgang

ArbG Potsdam (Urteil vom 09.06.1995; Aktenzeichen 5 Ca 2355/94)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen dasUrteil des Arbeitsgerichts … vom 09.06.1995 – 5 Ca 2355/94 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Anrechnung von Beschäftigungszeiten des Klägers.

Der am ….1945 geborene Kläger war seit dem 28.2.1963 bei der D. P. der ehemaligen DDR beschäftigt und im Fernmeldeamt F. eingesetzt. Von September 1983 bis September 1990 war er Leiter der Abteilung Funkwesen bei der Bezirksdirektion F.. In einer Arbeitsbeschreibung wurden seine Aufgaben unter anderem wie folgt angegeben:

„Der Verantwortungsbereich des Leiters der Abteilung erstreckt sich auf Aufgaben und Probleme der Funkversorgung und der Frequenzangelegenheiten im Zuständigkeitsbereich einer BDP in Wahrnehmung von Hoheitsaufgaben auf dem Gebiet des Funkwesens im Auftrag des MPF, auf Meß- und Gerätetechnik und auf unmittelbar unterstellte Mitarbeiter in bezug auf

- die Durchsetzung von Ordnung und Sicherheit in den Funkdiensten und der Rechtsvorschriften auf dem Gebiet des Funkwesens durch Zusammenarbeit mit den Sicherheitskräften und Rechtspflegeorganen im Territorium

…”

Während seiner Tätigkeit als Abteilungsleiter unterhielt der Kläger dienstliche Kontakte zu Mitarbeitern des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) der ehemaligen DDR.

Am 3.10.1990 wurde er von der Rechtsvorgängerin der Beklagten als Angestellter übernommen. Auf sein Arbeitsverhältnis findet der Tarifvertrag für die Angestellten der Deutschen Bundespost im Beitrittsgebiet (TV Ang-O) Anwendung. § 16 TV Ang-O enthält u. a. folgende Regelung:

„(1) Postdienstzeit ist die bei der Deutschen Bundespost/Deutschen Post zurückgelegte Zeit, auch wenn sie unterbrochen ist;

Übergangsvorschriften:

1. für die Zeiten vor dem 1. Januar 1991

Von der Berücksichtigung als Postdienstzeit sind ausgeschlossen

a) Zeiten jeglicher Tätigkeit für das Ministerium für Staatssicherheit/Amt für Nationale Sicherheit (einschließlich der Verpflichtung zu informeller/inoffizieller Mitarbeit).

Von einer Berücksichtigung als Postdienstzeit ausgeschlossen sind auch die Zeiten, die vor einer Tätigkeit im Sinne der Buchstaben a, … zurückgelegt worden sind.

…”

In seinem Antrag auf Anerkennung von Vordienstzeiten als Postdienstzeit/Dienstzeit machte der Kläger keine Angaben zu einer derartigen Tätigkeit für das MfS/AfNS. Die Beklagte berücksichtigte daraufhin seine Beschäftigungszeit seit dem 28.2.1963 als Potdienstzeit. Als sie durch den Einzelbericht des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR (fortan Bundesbeauftragte) vom 30.6.1993 erfuhr, daß der Kläger in den Unterlagen des MfS in der Zeit vom 21.3.1984 bis zum 5.12.1989 unter dem Decknamen „H.” als GMS (Gesellschaftlicher Mitarbeiter für Sicherheit) geführt worden war, setzte sie nach seiner Anhörung mit einem Vermerk vom 19.1.1994 fest, daß die Zeiten vor dem 6.12.1989 von der Berücksichtigung als Postdienstzeit/Dienstzeit ausgeschlossen sind.

Dagegen wandte er sich nach erfolglosem Widerspruch mit der am 22.9.1994 bei dem Arbeitsgericht … eingegangenen Klage.

Der Kläger hat behauptet, daß er ausschließlich dienstliche Kontakte zum MfS gehabt habe. Das könne ihm nicht zum Nachteil gereichen, weil er insoweit für die Post und nicht für das MfS tätig geworden sei. Er habe keine Kenntnis von seiner Registrierung als GMS gehabt. Von ihr habe er erstmals während seiner Anhörung am 5.11.1993 erfahren.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, die Postdienstzeiten des Klägers ab 28.2.1963 anzuerkennen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat behauptet, daß der Kläger in der Zeit vom 21.3.1984 bis zum 5.12.1989 im Sinne des Ausschlußtatbestandes in der Übergangsvorschrift zu § 16 TV Ang-O mit dem MfS zusammengearbeitet und sich hierzu auch verpflichtet habe. Seine Beschäftigungszeit vor dem 6.12.1989 sei daher nicht zu berücksichtigen.

Das Arbeitsgericht … hat durch Urteil vom 9.6.1995 – 5 Ca 2355/94 – der Klage entsprochen. Zur Begründung hat es ausgeführt, daß keine Tatsachen vorlägen, aus denen eine informelle oder inoffizielle Tätigkeit für das MfS/AfNS gefolgert werden könnte. Zwar sei der Kläger bei dem MfS unter einem Decknamen geführt worden. Dem weiteren Bericht des Bundesbeauftragten lasse sich jedoch entnehmen, daß er lediglich aufgrund seiner Aufgabenstellung als Abteilungsleiter mit dem MfS in Kontakt getreten sei.

Gegen das ihr am 25.8.1995 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 25.9.1995 Berufung eingelegt und am 23.10.1995 begründet.

Die Beklagte trägt vor, ...

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