Entscheidungsstichwort (Thema)
Kollektiver Widerspruch gegen Betriebsübergang
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Widerspruch eines Arbeitnehmers gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf einen Betriebserwerber bedarf keiner Begründung und keines sachlichen Grunds.
2. Die Ausübung des Widerspruchsrechts, § 613a Abs. 6 BGB, ist nicht schon deshalb rechtsmissbräuchlich, weil eine Mehrheit der von einem Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmer übereinstimmend hiervon Gebrauch macht. Für die Annahme einer rechtsmissbräuchlichen Ausübung des Widerspruchsrechts i.S.v. § 613a Abs. 6 BGB ist die sich auf den Betriebsübergang berufende Partei darlegungs- und beweispflichtig.
Normenkette
BGB §§ 626, 613a, 242
Verfahrensgang
ArbG Cottbus (Urteil vom 19.12.2002; Aktenzeichen 6 Ca 1643/02) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Cottbus – 6 Ca 1643/02 – vom 19.12.2002 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer von der Beklagten ausgesprochenen Kündigung des mit der Klägerin bestehenden Arbeitsverhältnisses, nachdem diese einem Betriebsübergang widersprochen hatte.
Die Klägerin ist bei der Beklagten, einem Unternehmen des Zeitungs- und Verlagswesens mit regelmäßig ca. 330 Mitarbeitern, seit dem 01.09.1974 mit 35 Wochenstunden bei einem durchschnittlichen Bruttomonatsgehalt in Höhe von EUR 2.450,52 im Bereich DTP/ISDN/Bildbearbeitung der Abteilung Anzeigenverkauf/Kundenservice beschäftigt. Gemäß § 3 des Firmentarifvertrages vom 12.09.2000 sind betriebsbedingte Beendigungskündigungen während dessen Laufzeit ausgeschlossen. Ausweislich eines notariellen Vertrages vom 23.04.2002 errichtete die Beklagte gemeinsam mit der Firma Digitex Digitale Text- und Bildverarbeitung GmbH eine Gesellschaft unter der Firma „MSC Medien Service Cxxxxxx GmbH” (von nun an MSC), auf deren Stammkapital von EUR 50.000,00 die Beklagte eine Einlage von EUR 5.100,00 tätigte. Unter dem 23.04.2002 schloss die Beklagte mit der MSC einen Satzvertrag, eine Vereinbarung über die Übernahme des Teilbetriebs DTP der Beklagten. Unter dem 17.06.2002 schloss die Beklagte mit der MSC einen Mietvertrag über technische Geräte, Möbelausstattung und Software-Lizenzen.
Mit Schreiben vom 08.04.2002 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass der Bereich DTP/ISDN/Bildbearbeitung am 1. Juni 2002 im Wege des Teilbetriebsübergangs in die neue Firma MSC übergehen werde. Nach weiteren Gesprächen übergab der Leiter des Bereichs DTP/ISDN am 30.04.2002 gleichlautende Widersprüche von 19 der insgesamt 21 Mitarbeiter dieses Bereichs an die Beklagte. Mit Schreiben vom 31.05.2002 wurde die Klägerin von der Erbringung ihrer Arbeitsleistung freigestellt. Die Beklagte hörte den bei ihr bestehenden Betriebsrat mit Schreiben vom 03.06.2002 zu einer beabsichtigten fristgemäßen betriebsbedingten Kündigung der Klägerin an und auf dessen Bitte vom 10.06.2002 um ergänzende Informationen erneut am 14.06.2002 zu der beabsichtigten außerordentlichen betriebsbedingten Kündigung mit sozialer Auslauffrist. Mit Schreiben vom 25.06.2002 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin außerordentlich betriebsbedingt mit sozialer Auslauffrist, gegen die die Klägerin am 04.07.2002 Kündigungsschutzklage einreichte.
Hinsichtlich einer weiteren Darstellung des unstreitigen Tatbestandes, dem weiteren Vorbringen der Parteien und ihrer Antragstellung in erster Instanz wird unter Hinweis auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils (Blatt 211 bis 217 d. A.) abgesehen. Die Beklagte traf mit dem bei ihr bestehenden Betriebsrat am 05.07.2002 eine Betriebsvereinbarung zum Ausgleich bzw. zur Milderung von wirtschaftlichen Nachteilen, die den Mitarbeitern infolge der Schließung des Betriebsteils DTP des Verlages entstehen.
Mit Urteil vom 19.12.2002 hat das Arbeitsgericht Cottbus – 6 Ca 1643/02 – der Klage stattgegeben und festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 25.06.2002 nicht aufgelöst worden ist. Im Wesentlichen hat es ausgeführt, dass durch den Firmentarifvertrag betriebsbedingte Beendigungskündigungen ausgeschlossen seien und keine Tatsachen vorliegen würden, aufgrund derer es der Beklagten nicht zugemutet werden konnte, am Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der Geltung des Firmentarifvertrages festzuhalten. Einem möglichen Teilbetriebsübergang habe der Widerspruch der Klägerin entgegengestanden.
Gegen das der Beklagten am 23.12.2002 zugestellte Urteil hat sie am 03.01.2003 Berufung eingelegt und diese am 24.03.2003 – nach rechtzeitiger Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zu diesem Termin – begründet.
Sie hat ausgeführt, dass der Bereich „DTP/ISDN” eine wirtschaftliche Teileinheit der Beklagten gewesen sei, dem die Klägerin angehört habe und der am 01.06.2002 auf die Firma MSC übergegangen sei. Der Widerspruch der Klägerin gegen diesen Betriebsübergang sei ...