Entscheidungsstichwort (Thema)
Abfindung nach dem Tarifvertrag zur sozialen Absicherung
Leitsatz (amtlich)
1. Die Kündigung eines Arbeitnehmers erfolgt nicht aus einem von ihm zu vertretenden Grund i. S.v. § 2 Abs. 5 des Sozialtarifvertrages, wenn der angebotene Arbeitsplatz ihm aus berechtigten persönlichen Gründen nicht zumutbar ist (hier: wegen Zweischichtbetrieb und ungünstiger öffentlicher Verkehrsanbindung).
2. Ein Ausschluß von der Abfindungsleistung nach § 2 Abs. 6 Sozialtarifvertrag erfolgt nicht in dem Fall, in dem der Arbeitnehmer nur in ein befristetes (ABM-)Arbeitsverhältnis eintritt.
Normenkette
Tarifvertrag zur sozialen Absicherung vom 6.7.1992 § 2 Abs. 1; Tarifvertrag zur sozialen Absicherung vom 6.7.1992 § 2 Abs. 5; Tarifvertrag zur sozialen Absicherung vom 6.7.1992 § 2 Abs. 6; BAT-O § 29 B Abs. 7
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung des beklagten Landkreises gegen das Urteil des ArbG Brandenburg vom 6.4.1993 – 2 (3) Ca 2711/92 – wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten der Berufung trägt der beklagte Landkreis.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin war bei dem beklagten Landkreis bzw. dessen Rechtsvorgänger vom 08.08.1967 bis 31.12.1992 als Krippenerzieherin in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis zu einem Bruttogehalt von zuletzt … DM beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis hatte aufgrund einer sog. „Bedarfskündigung” gem. dem Einigungsvertrag (Anlage I, Kapitel XIX, Sachgebiet A, Abschnitt III Nr. 1 Abs. 4) sein Ende gefunden.
Vor Ausspruch der Kündigung gem. Schreiben vom 30.09.1992 hatte der beklagte Landkreis der Klägerin sowie weiteren Erzieherinnen eine Tätigkeit im Asylbewerberheim in … angeboten. Ob es sich dabei um ein konkretes Angebot gegenüber der Klägerin handelt, ist zwischen den Parteien streitig.
Seit 11.01.1993 ist die Klägerin im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme befristet bei der Beklagten beschäftigt.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ihr stehe die Abfindung nach dem Sozialtarifvertrag zu. Einerseits sei ihr kein konkretes Arbeitsplatzangebot gemacht worden, da im Gespräch vor Ausspruch der Kündigung insgesamt 6 Erzieherinnen lediglich 4 Stellen angeboten worden seien. Anderseits sei ihr die Übernahme der Tätigkeit nicht zumutbar gewesen. Sie hat behauptet, daß sich in dem betreffenden Asylbewerberheim lediglich vereinzelt Kinder aufhalten würden, die von ihr betreut werden könnten. Hinzu kommt – was unstreitig ist –, daß sie dort im Schichtdienst hätte arbeiten müssen und von ihrem ca. 10 km entfernt liegenden Wohnort kein öffentliches Verkehrsmittel zu dem Ort des Asylbewerberheimes existiere.
Die Klägerin hat gemeint, die Tätigkeit im Rahmen der AB-Maßnahme könne einer Abfindung nicht entgegenstehen, da es sich dabei lediglich um ein befristetes Arbeitsverhältnis handele.
Die Klägerin hat beantragt,
den beklagten Landkreis zu verurteilen, an sie 10.000,00 DM nebst 4% Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Ansicht vertreten, ein Anspruch auf Zahlung einer Abfindung sei nicht gegeben, da die Klägerin einen ihr zumutbaren anderen Arbeitsplatz abgelehnt habe. Die Beklagte hat behauptet, daß der Arbeitsplatz der Klägerin konkret angeboten worden sei, da bei zwei der beteiligten sechs Erzieherinnen festgestanden habe, daß sie den angebotenen Arbeitsplatz im Asylbewerberheim nicht antreten würden.
In dem Heim hätten sich auch zu betreuende Kinder befunden, so seien mit Stand Februar 1993 in dem Heim 48 Kinder gewesen. Die Klägerin habe die Erreichbarkeit auch durch Fahrgemeinschaften herstellen können.
Der beklagte Landkreis hat die Ansicht vertreten, daß der Abfindungsanspruch jedenfalls durch Anrechnung gem. § 2 Abs. 6 des Sozialtarifvertrages entfalle, da die Klägerin bei ihm durch die ABM-Beschäftigung eine Tätigkeit i. S. v. § 29 Abschnitt 8 Abs. 7 BAT-O aufgenommen habe.
Das Arbeitsgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Es hat sich im wesentlichen darauf gestützt, der Anspruch der Klägerin ergebe sich aus § 2 Abs. 1 a des Sozialtarifvertrages. Es sei eine Bedarfskündigung i. S. dieser Vorschrift erklärt worden. Dieser Anspruch sei durch die Ablehnung eines anderweitigen Arbeitsplatzes durch die Klägerin nicht entfallen. Die anderweitige Tätigkeit sei der Klägerin jedenfalls in der Aufbauphase des Asylbewerberheimes nicht zumutbar gewesen, zumal in einer Vielzahl von Fällen anderweitige Tätigkeiten hätten durchgeführt werden müssen. Jedenfalls sei der Klägerin die Aufnahme der Tätigkeiten in … aufgrund fehlender Erreichbarkeit nicht zumutbar gewesen, was einen vom Arbeitnehmer nicht zu vertretender Grund bei der Ablehnung des Arbeitsplatzes darstelle.
Die Sozialplanabfindung sei auch nicht zu verringern. Die Klägerin habe zwar bei dem Beklagten eine Tätigkeit im Rahmen einer ABM aufgenommen. Eine solche Beschäftigung stelle jedoch kein die Abfindung verringerndes oder ausschließendes Arbeitsverhältnis gem. dem BAT-O dar, da es befristet ...