Verfahrensgang
ArbG Neuruppin (Urteil vom 23.01.1996; Aktenzeichen 4 Ca 2793/95) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts … vom 23.01.1996 – Az.: 4 Ca 2793/95 – abgeändert.
Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien weder durch die Anfechtung der Beklagten vom 20.09.1995 noch durch die Kündigung der Beklagten vom 28.09.1995 aufgelöst worden ist.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 23.266,65 DM brutto abzüglich 8.629,40 DM netto nebst 4 % Zinsen auf den sich hieraus errechnenden Nettobetrag seit dem 01.01.1996 zu zahlen.
Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die. Kosten des Rechtsstreits erster Instanz trägt die Beklagte.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger zu 1/11, die Beklagte zu 10/11.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der am … 1950 geborene Kläger war im Jahr 1971 als T. im Chemiefaserwerk … beschäftigt. Am 08.06.1971 verfaßte er eine handschriftliche Erklärung, in der er sich verpflichtete, auf freiwilliger Basis mit dem Ministerium für Staatssicherheit (MfS) zusammenzuarbeiten. Er wählte den Decknamen K. und wurde vom MfS als inoffizieller Mitarbeiter für Sicherheit (IMS) geführt. Am 18.06.1971 fand ein Treffen und Gespräch des Klägers mit seinem Führungsoffizier statt, über das der Führungsoffizier einen Treffbericht erstellte. Wegen des Inhalts des Berichts im einzelnen wird auf diesen (Bl. 25 d.A.) verwiesen. In den Unterlagen des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (BStU) befindet sich ein weiterer Bericht des Führungsoffiziers über ein Treffen mit dem Kläger am 31.07.1971. Nachdem der Kläger sein damaliges Arbeitsverhältnis im Jahre 1971 beendet hatte, gab es keine weiteren Kontakte des Klägers mit dem MfS. In dem Abschlußbericht des MfS vom 18.01.1972 wurde ausgeführt, daß „exakte abrechenbare Ergebnisse” nicht zu verzeichnen waren. Der IM-Vorgang wurde archiviert.
Seit dem 01.02.1995 war der Kläger bei der Beklagten auf dem T. in W. als Z. beschäftigt. Sein monatliches Bruttoarbeitsentgelt betrug … DM. Vor der Einstellung beantwortete der Kläger am. 06.01.1995 in einer Anlage zum Personalbogen folgende Frage mit nein:
„5. Waren Sie in der früheren DDR Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit oder beim Amt für Nationale Sicherheit?”
In einem Bogen zur Berechnung der Beschäftigungszeiten, den der Kläger ebenfalls am 06.01.1995, unterzeichnete, kreuzte der Kläger unter der Ziff. 6, die folgenden Wortlaut hatte:
„Folgende Fragen, die Einfluß auf die Anrechnung von Beschäftigungszeiten haben, bitte ich mit ja oder nein zu beantworten
a) Haben Sie Tätigkeiten für das Ministerium für Staatssicherheit/Amt für Nationale Sicherheit (einschließlich der Verpflichtung zu informeller/inoffizieller Mitarbeit) wahrgenommen?”
das Kästchen mit nein an.
Am 07.07.1995 ging das Rechercheergebnis des BStU über den Kläger bei der Beklagten ein.
Mit Schreiben vom 22.08.1995, das dem Kläger am 24.08.1995 zuging, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger außerordentlich zum 30.08.1995. Mit Schreiben vom 28.09.1995, das dem Kläger am 28.09.1995 zuging, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis nach Zustimmung des Personalrats hilfsweise ordentlich zum 30.10.1995. Als Gründe für beide Kündigungen nannte die Beklagte die inoffizielle Mitarbeit des Klägers für das MfS und falsche Angaben im Personalbogen.
Mit Schreiben vom 20.09.1995, das dem Kläger am 21.09.1995 zuging, erklärte die Beklagte die Anfechtung des am 01.02.1995 abgeschlossenen Arbeitsvertrages wegen arglistiger Täuschung aufgrund falscher Angaben des Klägers im Personalfragebogen.
Ab dem 01.09.1995 erhielt der Kläger wöchentlich DM und ab 01.01.1996 wöchentlich … DM Arbeitslosengeld.
Mit seiner am 29.08.1995 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat sich der Kläger gegen die außerordentliche Kündigung und mit Schriftsatz vom 05.10.1995, der am 05.10.1995 beim Arbeitsgericht eingegangen ist, gegen die ordentliche Kündigung gewandt.
Der Kläger hat vorgetragen, die Kündigungen seien nicht berechtigt. Die Zusammenarbeit mit dem MfS sei seinem Erinnerungsvermögen entfallen gewesen, so daß er nicht wissentlich falsche Angaben gemacht habe.
Es werde bestritten, daß der Personalrat vor Ausspruch der Kündigung vom 28.09.1995 ordnungsgemäß angehört worden sei.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis weder durch die außerordentliche Kündigung vom 22.08.1995 noch durch die ordentliche Kündigung vom 28.09.1995 aufgelöst worden ist.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, die falschen Angaben des Klägers im Personalfragebogen rechtfertigten die Kündigungen. Der Kläger sei auch wegen seiner ehemaligen Mitarbeit beim MfS für eine Tätigkeit im öffentlichen Dienst nicht geeignet.
Das Arbeitsgericht hat der Klage hinsichtlich der außerordentlichen Kündigung stattgegeben und sie im übrigen abgewiesen.
Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgefüh...