Verfahrensgang
ArbG Frankfurt (Oder) (Urteil vom 10.11.1994; Aktenzeichen 2 Ca 1675/94) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt/Oder vom 10.11.1994 – Az. 2 Ca 1675/94 – abgeändert. Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien weder durch die außerordentliche Kündigung des Beklagten vom 31.05.1994 noch durch die ordentliche Kündigung vom 16.06.1994 aufgelöst worden ist.
Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zwischen ihnen aufgrund einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung durch den Beklagten.
Die am … 1951 geborene Klägerin ist alleinerziehende Mutter von drei unterhaltsberechtigten Kindern, von denen zwei minderjährig sind.
Am … 1975 schrieb die Klägerin eine Verpflichtung zur inoffiziellen Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Staatssicherheit (MfS). Darin wählte sie den Decknamen „D.”.
Vom MfS wurde die Klägerin als inoffizielle Mitarbeiterin mit vertraulichen Beziehungen zu im Vorgang bearbeiteten Personen (IMV) geführt. Es fanden mehrere Treffen zwischen Mitarbeitern des MfS und der Klägerin statt.
1975 erhielt die Klägerin ein Sachgeschenk vom MfS sowie zweimal 50,00 DM.
Nährend ihrer Tätigkeit für das MfS suchte die Klägerin u. a. auftragsgemäß die Frau von W. B. nach dessen Ausbürgerung auf, die sie vom Studium her kannte. Ziel des Auftrages war es, nach einem Treffbericht vom … 1976 diese „für uns zu gewinnen, sie auf unsere Seite zu ziehen und sie nicht dem Gegner zu überlassen”. Die Klägerin berichtete dem MfS nach Besuchen über die Gesprächsinhalte und ihre Einschätzung der Verfassung von Frau B.
Darüber hinaus berichtete die Klägerin u. a. auch über einen Mitstudenten und einen Arzt in der Klinik. Wegen des Inhaltes der von einem Mitarbeiter des MfS formulierten Berichte im einzelnen wird auf diese (Blatt 45 Rückseite – 48 der Akte) verwiesen.
Gemäß Schlußbericht des MfS vom 10.12.1979 wurden die Akten des IMV wegen objektiver Nichteignung für die weitere inoffizielle Zusammenarbeit abgelegt. In diesem Bericht wurde u. a. ausgeführt:
„Nachdem die ursprüngliche Aufgabe des Einsatzes des IMV zur Bearbeitung der Personen … gelöst war, gelang es nicht, mit dem IMV eine weitere kontinuierliche Zusammenarbeit zu entwickeln. Der IMV blieb trotz mehrerer ernsthafter Vorwürfe mehrmals unentschuldigt den Treffs fern, er zog sich immer mehr von der Zusammenarbeit zurück.
Seit März 1979 ist die Verbindung zum IMV abgerissen, da der IM trotz mehrmaliger schriftlicher Aufforderungen nicht mehr zum Treff erschienen ist und sich nicht mehr gemeldet hat.”
Am … 1988 schloß die Klägerin mit dem Kreiskrankenhaus und Poliklinik R. einen Qualifizierungsvertrag für die Weiterbildung zum Facharzt, die auf fünf Jahre befristet war. Anfang Januar 1991 vereinbarten das Krankenhaus und die Klägerin einen Aufhebungsvertrag zum 01.01.1991. Seit dem 03.01.1991 war die Klägerin bei dem Beklagten bzw. dessen Rechtsvorgänger als angestellte Ärztin im jugendärztlichen Dienst des Gesundheitsamtes tätig. Zugrunde lag ein „Übernahmevertrag”, nach dem die Klägerin von dem Kreiskrankenhaus und Poliklinik übernommen wurde und die Zeiten beim Kreiskrankenhaus und Poliklinik R. angerechnet wurden.
Zu dem Aufgabenbereich der Klägerin bei dem Beklagten gehörten u. a. Reihenuntersuchungen in Schulen und Kindergärten sowie die Mütterberatung.
Am … 1992 beantwortete die Klägerin folgende Fragen in einem Personalfragebogen mit „nein”:
„Sind Sie für das frühere MfS/AfNS oder eine der Untergliederungen dieser Ämter oder vergleichbare Institutionen tätig gewesen oder ausgebildet worden?
Haben Sie finanzielle Zuwendungen von einer der genannten Stellen erhalten?
Haben Sie eine Verpflichtungserklärung zur Zusammenarbeit mit einer der genannten Stellen unterschrieben?”
In einer Ehrenerklärung vom 07.03.1994 führte sie u. a. aus:
„Hiermit erkläre ich, daß ich weder im Auftrag noch als Mitarbeiter des ehemaligen Ministerium für Staatssicherheit tätig gewesen bin, insbesondere keine Mitbürger denunziert oder Beihilfe bei der Verfolgung anderer geleistet habe.”
Der Leiter des Personalamtes des Beklagten erhielt den Einzelbericht zum Schreiben des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR (BStU) vom 11.05.1994.
Am … 1994 fand eine Anhörung der Klägerin statt.
Mit Schreiben vom 31.05.1994, das der Klägerin am 01.06.1994 zuging, kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin außerordentlich. Mit Schreiben vom 15.06.1994, das der Klägerin am 16.06.1994 zuging, kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis vorsorglich ordentlich zum 31.12.1994. Der bei dem Beklagten gebildete Personalrat hatte beiden Kündigungen zuvor zugestimmt.
Mit ihrer am 22.06.1994 beim Arbeitsgericht Frankfurt/Oder eingegangenen Klage hat sich die Klägerin gegen die fristlose Kü...