Verfahrensgang

ArbG Potsdam (Urteil vom 06.02.1992; Aktenzeichen 5 Ca 1567/91)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 06.02.1992 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Potsdam – 5 Ca 1567/92 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Kündigung. Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und die Kündigung für unwirksam erachtet.

Gegen dieses – der Beklagten am 13.3.1992 zugestellte – Urteil hat sie mit einem beim Landesarbeitsgericht Brandenburg am 10.4.1992 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und sie, mit einem dort am 24.4.1992 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Sie wiederholt den erstinstanzlichen Vortrag und trägt u. a. vor, wegen des zurückgegangenen Bedarfs und fehlender Haushaltsmittel seien in der von der Beklagten unterhaltenen Kinderkrippe nur noch 7 Stellen finanzierbar. Darüberhinaus besitze die Klägerin als ausgebildete Krankenschwester nicht die erforderliche fachliche Eignung. Dies bereitet der Beklagten erhebliche Schwierigkeiten bei der Anforderung staatlicher Zuschüsse. Sie meint, Sinn und Zweck der Regelung des Einigungsvertrages wiederspräche es im übrigen, wenn vor einer Kündigung mangels Bedarfs der Personalrat beteiligt würde. In der letzten mündlichen Verhandlung hat die Beklagte dann vorgetragen, der Personalrat sei Anfang April 1991 darüber informiert worden, daß die Klägerin gekündigt werden solle.

Die Beklagte beantragt,

auf die Berufung der Beklagten das am 6.2.1992 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Potsdam – 15 Ca 1567/91 – abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Von einer weiteren Darstellung des Sachverhaltes wird abgesehen.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat der Klage zu Recht stattgeben.

Die von der Beklagten ausgesprochene Kündigung ist nach § 79 Abs. 4 des Gesetzes zur sinngemäßen Anwendung des Bundespersonalvertretungsgesetzes (PersVGsA) vom 22.7.90 unwirksam. Danach ist eine, durch den Arbeitgeber ausgesprochene Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Beschäftigten unwirksam, wenn der Personalrat nicht beteiligt worden ist. Dies gilt nach ständiger Rechtssprechung ebenso, wenn die Personalvertretung nicht ordnungsgemäß beteiligt wurde (KR-Etzel, 3. Auflage (1989) §§ 72, 79, 108 BPersVG Rdn. 1)

Die gesetzlichen Mitbestimmungsvorschriften sind – entgegen der Ansicht der Beklagten – auch in Fällen anzuwenden, wo der Arbeitgeber nach den Bestimmungen des Einigungsvertrages kündigt (BG Chemnitz vom 18.3.1992 – 2 TA 6/92; LAG Berlin vom 21.10.91 – 9 Sa 38/91). Dies folgt aus Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Ziff. 15 des Einigungsvertrages, wo die Anwendung des Gesetzes zur sinngemäßen Anwendung des Bundespersonalvertretungsgesetzes grundsätzlich bis zum 31.5.1993 angeordnet wird.

Der Personalrat wurde vor Ausspruch der Kündigung nicht ordnungsgemäß beteiligt. Nach § 79 Abs. 1 Satz 1 PersVGsA wirkt der Personalrat bei der ordentlichen Kündigung durch den Arbeitgeber mit. Nach § 72 Satz 1 PersVGsA ist die beabsichtigte Kündigung daher mit dem Ziel einer Einigung rechtzeitig und eingehend mit dem Personalrat zu erörtern. Der Vortrag der Beklagten läßt erkennen, daß ein förmliches Mitwirkungsverfahren vor Ausspruch der Kündigung nicht durchgeführt wurde. Hierzu reicht weder eine einfache „Information” des Personalrates vom Anfang April oder vom 22.4.1991, noch eine „Aussprache im Kollektiv”.

Das Arbeitsgericht hat zum notwendigen Inhalt einer solchen Mitteilung der geplanten Kündigung an den Personalrat Stellung genommen. Unabhängig hiervon gilt: Ein Mitwirkungsverfahren wird als förmliches Verfahren nur dadurch eingeleitet, daß der Dienststellenleiter dem zuständigen Personalrat – nicht etwa der Belegschaft – seine Kündigungsabsicht nicht nur mitteilt, sondern auch zugleich die Mitwirkung des Personalrates beantragt (KR-Etzel, 3. Auflage (1989) § 72, 79, 108 BPersVG Rdn. 11, 13). Zur Einleitung des Mitwirkungsverfahrens gehört damit – anders als bei der Beteiligung des Betriebsrates nach dem Betriebsverfassungsgesetz – auch, daß der Dienststellenleiter in irgendeiner Weise den Personalrat auffordert mitzuwirken. Nur so hat er die ihm obliegenden Erklärungspflichten erfüllt. Ohne diese Aufforderung wird dem Personalrat nicht klar, daß hiermit das Stadium einer allgemeinen Unterhaltung über geplante Kündigungen verlassen und das förmliche Beteiligungsverfahren eingeleitet wird, die 10-Tagesfrist des § 72 Abs. 2 PersVGsA in Gang gesetzt ist und der Arbeitgeber zugleich die gesetzlich vorgeschriebene Erörterung der beabsichtigten Maßnahme anbietet. So ist die Kündigung schon unwirksam, weil die Beklagte jedenfalls eine solche notwendige förmliche Einleitung des Mitbestimmungsverfahrens nicht vorgetragen hat. Soweit die Beklagte vorträgt, sie habe sich am 30.4.91 vor Übergabe der Kündigung im Kollektiv im Beisein des Personalrates überzeugt, daß ihre Entscheidung, der Klägerin zu ...

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