rechtskräftig

 

Leitsatz (amtlich)

I. Das Landesarbeitsgericht Bremen – Vierte Kammer – gibt seine Rechtsprechung auf, die dahin ging, bei mehreren Kündigungen, die in einem Rechtsstreit angegriffen wurden, sei nur ein Streitwert bis zur Höchstgrenze des § 12 VII ArbGG festzusetzen (vgl. LAG Bremen Kostenrechtsprechung § 12 ArbGG Nr. 137).

II. Das Landesarbeitsgericht wird zukünftig von folgenden Grundsätzen ausgehen:

1) Bei mehreren Kündigungen eines Arbeitsverhältnisses, das dem Kündigungsschutzgesetz unterliegt, die innerhalb eines Dreimonatszeitraums ausgesprochen werden, ist in der Regel die erste Kündigung mit dem Höchstwert des § 12 VII ArbGG zu bewerten.

2) Jede weitere Kündigung ist wegen der wirtschaftlichen Teilidentität mit dem Klageantrag zur ersten Kündigung mit dem Wert zu bemessen, der der Differenz des Lohnanspruchs für den Zeitraum zwischen ersten Beendigungszeitpunkt und zweiten bzw. dritten Beendigungszeitpunkt entspricht; der Mindestwert ist jedoch im Regelfall mindestens ein Monatsgehalt.

3) Es ist dabei für die Berechnung des Einzelstreitwertes unerheblich, ob die Kündigungen in einem oder mehreren Verfahren angegriffen werden.

Bei mehreren Anträgen in demselben Rechtsstreit hat jedoch eine Streitwertaddition gemäss § 5 ZPO stattzufinden.

 

Verfahrensgang

ArbG Bremerhaven (Beschluss vom 04.12.1986; Aktenzeichen 2 Ca 805/86)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Bremerhaven vom 4. Dezember 1986 – 2 Ca 624/86 und 2 Ca 805/86 – aufgehoben.

Für das Verfahren 2 Ca 624/86 wird für die Prozess-, die Verhandlungs- und die Vergleichsgebühr ein Streitwert von DM 6.442,80 sowie ein überschiessender Vergleichswert von DM 2.147,60 festgesetzt.

Für das Verfahren 2 Ca 805/86 wird für die Prozess- und Verhandlungsgebühr ein Streitwert von DM 2.147,60 festgesetzt.

Der Beschwerdewert beträgt DM 1.566,36.

Der Wert für die Berechnung der arbeitsgerichtlichen Gebühr gemäss Nr. 2301 des Gebührenverzeichnisses wird auf DM 741,– festgesetzt.

Soweit der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit seiner Beschwerde unterlegen ist, hat er die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

 

Tatbestand

I.

Der Kläger erhielt am 3.6.1986 von der Beklagten eine fristlose Kündigung seines Arbeitsverhältnisses. Gegen diese Kündigung wandte er sich mit einer am 10. Juni 1986 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage, die unter dem Aktenzeichen 2 Ca 624/86 geführt wurde. In jenem Rechtsstreit fand am 11. Juli 1986 eine Güteverhandlung statt.

Die Beklagte sprach dem Kläger, der seit dem 11. März 1985 bei ihr beschäftigt war, eine weitere, diesmal aber fristgemässe Kündigung am 25. Juni 1986 zum 11. Juli 1986 aus. In diesem Verfahren, das mit dem Aktenzeichen 2 Ca 805/86 beim Arbeitsgericht geführt wurde, fand am 8. August 1986 eine Güteverhandlung statt. In beiden Verfahren wurde auf den 29. Oktober 1986 mit einem Abstand, von zehn Minuten Termin zur streitigen Verhandlung anberaumt.

In dem Streittermin schlössen die Parteien ausweislich des Protokolls in der Sache 2 Ca 624/86 folgenden Vergleich:

  1. Die Parteien sind sich darüber einig, dass die fristlose Kündigung mit Schreiben vom 3.6.1986 als zurückgenommen gilt.
  2. Die Parteien sind sich weiter darüber einig, dass das Arbeitsverhältnis zwischen ihnen statt dessen aufgrund einer von der Beklagten aus betrieblichen Gründen ausgesprochenen fristgemässen Kündigung mit Ablauf des 11.7.1986 sein Ende gefunden hat und dass der Kläger bis zu diesem Zeitpunkt den vereinbarten Lohn erhält, soweit er nicht auf die Krankenkasse oder das Arbeitsamt übergegangen ist.
  3. Der Beklagtenvertreter behält sich den Widerruf dieses Vergleichs bis zum 12.11.1986 einschliesslich vor. Ein etwaiger Widerruf ist schriftlich gegenüber dem Gericht zu erklären.

Auf Antrag des Prozessbevollmächtigten des Klägers, der in beiden Rechtsstreiten Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt bekommen hatte, setzte das Arbeitsgericht durch Beschluss vom 4. Dezember 1986 einen gemeinsamen Streitwert für beide Verfahren von DM 6.442,80 fest.

Der Kläger wendet sich gegen diesen Streitwertbeschluss mit der am 20.1.87 beim Arbeitsgericht Bremerhaven eingegangenen Beschwerde. Er ist der Auffassung, in jedem der beiden Verfahren müsse der Streitwert für je 3 Gebühren auf DM 6.442,80 festgesetzt werden. Der Bezirksrevisor hält die Entscheidung des Arbeitsgerichts für richtig und beruft sich auf die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Frankfurt vom 11. April 1985 – 6 Ta 122/85 –. In jedem Fall müsse aber für den Vergleich eine gemeinsame Wertfestsetzung erfolgen, da die Verfahren „praktisch” verbunden worden seien.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die zulässige Beschwerde ist nur zum Teil begründet.

1) In Rechtsprechung und Literatur herrscht Streit über die Frage, wie der jeweilige Wert mehrerer Klagen gegen verschiedene Kündigungen, die von demselben Arbeitgeber ausgesprochen worden sind, festzusetzen ist, wenn die Kündigungen in getrennten Rechtsstreitigkeiten angegriffen wurden.

Zum Teil wir...

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